Der US-deutsche Geheimdienstbasar

Das Spähen von US-Diensten in und mit Deutschland hat Tradition – und hilft beiden Ländern.

Die deutschen und die US-Geheimdienste steckten bei ihren systematischen Überwachungen der Kommunikation auch in Deutschland „unter einer Decke“. Was der Spiegel nun zu einer Fortsetzung seiner Serie von und über Edward Snowden, den abgesprungenen Mitarbeiter des US-Abhördienstes NSA, anhand eines Interviews mit ihm berichtet, ist zum Teil ein alter Hut – und, soweit neu, bisher nicht anderweitig beweisbar. Im Datenschutz-hypersensiblen Deutschland ist es aber eine höchst willkommene Vorlage für die Opposition im Wahlkampf.

Dabei müssten auch deren Chefs wissen, dass die USA sich auf alte Vereinbarungen stützen: Auf längst nicht mehr geheime Abkommen aus der Nachkriegszeit und von 1968 und weiterhin geheime Absichtserklärungen von später, wie die FAZ aufzeigte. Die kannten alle Regierungen, auch die rot-grüne und deren Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier, der jetzt zu diesem Thema sehr stille SPD-Fraktionschef.

In den Abkommen ist sowohl die US-Überwachung als auch der Datenaustausch zumindest teilweise geregelt: Die deutschen Dienste erhalten von den US-Kollegen umfangreiches Material, das sie selbst auf Grund der weltweit wohl restriktivsten Rechtslage nicht sammeln dürfen. Diese Daten haben schon eine Reihe blutiger Islamisten-Anschläge in Deutschland verhindert.

Expertenstreit

Ob und wie umgekehrt deutsche den US-Diensten behilflich sind oder nur diese Überwachung ahnen mussten, gehört zum Graubereich, den auch das Geheimdienstgremium des Bundestags letzte Woche nicht ergründen konnte. Die Chefs der deutschen Geheimdienste und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) versicherten , dass es keine Erkenntnisse über das Absaugen von Daten aus deutschen Internet-Knoten gebe: „Von niemandem“. Und das wäre sicher feststellbar, sagen auch unabhängige deutsche Experten. Andere bezweifeln das: Ein verräterischer Eingriff oder Signalstärkenverlust sei nicht messbar, wenn Glasfaserkabel etwa an scharfen Biegungen abgehört würden.

Die von Snowden suggerierte Total-Überwachung der deutschen Kommunikation ist jedenfalls total unplausibel, rechnete inzwischen die Presse vor: Das Mitlesen aller Mails, die in oder über Deutschland laufen, wäre personell unmöglich. Nur Sicherheits-relevante Verbindungen würden konkret beobachtet, vor allem, wenn sie durch hochkomplexe linguistische Programme auf verräterische Worte anspringen. Ob diese die deutschen Dienste von den Amerikanern bekommen haben, wie Snowden behauptet, ist offen – nützlich für die Sicherheit wäre es zweifellos.

Der Chaos Computer Club, der größte Hacker-Verein des Landes, hatte immer vor flächendeckender US-Überwachung gewarnt, allerdings ohne Beweise. Die hat er auch weiter nicht– außer Snowdens Worte.

Die Zeitung Guardian hat am Montag ein weiteres Fragment ihrer Video-Interviews mit dem US-Informanten Edward Snowden veröffentlicht. Der rund sieben Minuten lange Clip enthält nach den Enthüllungen der vergangenen Wochen keine neuen Informationen, Snowden beschreibt aber ausführlicher seine Motivation.

"Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich sage, alles was ich mache, der Name jedes Gesprächspartners, jeder Ausdruck von Kreativität, Liebe oder Freundschaft aufgezeichnet wird", sagt der inzwischen 30-jährige Ex-Geheimdienstler in dem Video. Jeder, der mit einer solchen Welt nicht einverstanden sei, habe die Pflicht, etwas zu tun.

Als er vor rund zehn Jahren zum US-Militär stieß und beim Geheimdienst landete, habe er noch an "unsere noblen Absichten" geglaubt, sagte Snowden. "Ich habe gewartet und beobachtet, und versucht, meinen Job zu tun." Mit der Zeit sei ihm aber immer klarer geworden, dass niemand etwas unternehme, um die Auswüchse der Kontrolle durch die Regierung zu stoppen. Das Interview wurde bereits am 6. Juni in Hongkong aufgezeichnet.

Die Affäre um den vermutlich im Transit des Moskauer Flughafens sitzenden US-Geheimdienst-Enthüller Edward Snowden belastet die Beziehungen zwischen den USA und Russland immer mehr. Laut russischer Zeitung Kommersant droht US-Präsident Barack Obama mit der Absage des lange erwarteten Gipfeltreffens mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin in Russland Anfang September. Moskau dementiert, aber Kommersant berichtet, sollte sich Snowden auch noch im September in Moskau aufhalten, werde Obama auch nicht am G20-Gipfel Anfang September in St. Petersburg teilnehmen.

Bis dahin könnte der ehemalige CIA- und NSA-Mann aber ohnehin längst irgendwo in Lateinamerika sein. Venezuela, das ihm als einer von mehreren Staaten am Wochenende Asyl angeboten hat, rechnet laut seinem Außenminister mit einer baldigen Antwort Snowdens.

Angriff auf Olympia

Unterdessen wird bekannt, dass die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von London 2012 von einem Cyber-Angriff bedroht gewesen sein soll. Es habe eine ernsthafte Bedrohung gegeben, während der Zeremonie die Stromversorgung für das Olympiastadion lahmzulegen, sagte Oliver Hoare, der bei den Spielen für die Cyber-Sicherheit zuständig war, am Montag der BBC.

Er habe am Morgen vor der Eröffnungsfeier um 04.45 Uhr einen Anruf vom Geheimdienst GCHQ bekommen. Daraufhin seien Abwehrmaßnahmen getroffen worden. Ein Angriff sei aber nicht erfolgt. Auch der Geheimdienst GCHQ steht im Zusammenhang mit den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstexperten Edward Snowden in der Kritik.

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