Norwegen: Das Vorzeigeland im Norden

Trotz Monarchie ist Norwegen eine der am meist entwickelten Demokratien. Und dank Öl-Milliarden ist es eines der reichsten Länder der Welt.

Nach einer Terror-Katastrophe wie jener in Norwegen schaltet die Regierung des betroffenen Landes meist auf hart: Freiheits- und Bürgerrechte werden eingeschränkt, die Sicherheitsbehörden erhalten zusätzliche Befugnisse. Nicht so in Norwegen: Nach den Anschlägen am Freitagnachmittag erklärte Ministerpräsident Jens Stoltenberg, die Antwort seines Landes müsste "mehr Demokratie und Offenheit" sein.

Widersprüche

scheinbaren - Widersprüchen. Wie beim Nachbarn Schweden hat sich die Monarchie bis heute gehalten. Gleichzeitig gilt Norwegen als eine der am meisten entwickelten Demokratien der Welt. Das Parlament spielt eine größere Rolle als in vergleichbaren westlichen Demokratien: Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nur zwei Mal Regierungen gegeben, die eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich hatten; in den anderen Fällen war das jeweilige Kabinett stets auf Unterstützung von Oppositionsparteien in der Nationalversammlung ("Storting") angewiesen.

Bei den norwegischen Royals sind Dinge denkbar, die in anderen Monarchien unmöglich wären: Kronprinz Haakon heiratete 2001 Mette-Marit, die in ihrer Vergangenheit Drogen- und Alkoholprobleme hatte; sie brachte zudem ein uneheliches Kind in die Ehe mit. Haakons Vater, Harald V., ist seit 1991 König. Er hat vor allem repräsentative Aufgaben.

Ölfonds

Norwegen ist eines der reichsten Länder der Welt, fast doppelt so wohlhabend wie der EU-Schnitt. Das liegt vor allem an den großen Ölvorkommen vor der Küste. Die werden aber nur noch einige Jahrzehnte reichen. Das Land sorgt schon jetzt für die Zeit danach vor - mit einer besonderen Strategie: 1990 wurde ein "Ölfonds" eingerichtet, in dem die enormen Erträge aus dem Ölexport angelegt werden. Bis Ende des Jahres 2010 wurden so bereits 525 Milliarden Euro in dem Fonds angelegt, als Rücklage für spätere Generationen. Der Wohlstand ist einer der Gründe, warum die Norweger gleich zwei Mal bei Volksabstimmungen einen Beitritt ihres Landes zur EU ablehnten (1972 und 1994).

Trotz des Reichtums und eines engmaschigen Sozialnetzes ist Norwegen nicht frei von sozialen Spannungen. Die rechtspopulistische Fortschrittspartei ist mit 22,9 Prozent der Stimmen zweitstärkste Partei im Parlament hinter der sozialdemokratischen Arbeiterpartei von Premier Stoltenberg. Politologen sagen, die Fortschrittspartei sei mit der FPÖ vergleichbar. Auch sie hat in den vergangenen Jahren bei Wahlen stetig zugelegt.

Norwegen hat vergleichsweise weniger Menschen mit Migrationshintergrund als Österreich. Die meisten sind polnischer Abstammung. Die Arbeitslosenquote ist bei den Zuwanderern mehr als doppelt so hoch wie beim Rest der Bevölkerung. Im Vergleich zu den meisten EU-Staaten ist sie mit rund sieben Prozent aber immer noch ziemlich niedrig.

Vermittler

Außenpolitisch hat sich Norwegen als Friedensvermittler einen Namen gemacht. So gingen die "Osloer Verträge" zwischen Israel und den Palästinensern im Jahr 1993 in die Geschichte ein, obwohl sie bisher nicht zum erhofften Friedensschluss führten.

Das skandinavische Land half in den 1980er-Jahren auch bei der Beendigung des Guatemala-Konflikts und stand 2005 Pate beim Friedensabkommen zwischen Nord- und Südsudan.

Norwegen bildet mit Dänemark, Luxemburg und den Niederlanden jenen beschämend kleinen Kreis von Industriestaaten, die das vor 40 Jahren proklamierte UNO-Ziel erfüllen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben.

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