Kerrys österreichische Wurzeln

Rund 20 Mitglieder seiner Familie leben in Österreich, er selbst war noch nie da: der neue Außenminister John F. Kerry.
Die Spuren seiner Familie führen nach Wien, Mödling und Altaussee.

Durchaus möglich, dass die hohe Politik den neuen US-Außenminister John F. Kerry eines Tages nach Österreich führt. In diesem Fall könnte er hier gleich ein wenig Familienforschung betreiben, denn Österreich ist das Land seiner Ahnen. Sein Großvater Friedrich Kerry ist im Jahre 1905 aus Mödling bei Wien in die USA ausgewandert und hat in Chicago eine Schuhfabrik gegründet. In Österreich leben heute rund 20 Kerrys, die mit Obamas Außenminister verwandt sind. Die spektakulärste Geschichte, die sie zu erzählen haben, handelt von der Villa Kerry in Altaussee, die 1938 beschlagnahmt wurde und den Nazis als Versteck eines riesigen Goldschatzes diente.

Die Kerrys sind eine alte, ursprünglich aus Mähren stammende jüdische Familie, die bis ans Ende des 19. Jahrhunderts Kohn hieß. Zu den bekannt gewordenen Familienmitgliedern zählen der BurgschauspielerOttoKerry, der Philharmoniker Fritz Kerry und der Wiener Arzt und Chemiker Richard Kerry, der mit nur 33 Jahren an den Folgen einer Sepsis starb, die er sich bei seinen Forschungsarbeiten zugezogen hatte.

Bilder: John Kerry im Portrait

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File photo of the Theodore Dwight Woolsey statue a
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USA ELECTIONS KERRY
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U.S. Senator Kerry listens to a question during hi

Versteckter Goldschatz

Kurz vor seinem Tod im Jahre 1896 ließ Richard Kerry in Altaussee ein Sommerhaus bauen, das dann von seiner Tochter Christl, einer im Ausseerland bekannten Porträt- und Landschaftsmalerin, bewohnt wurde. Das idyllische Haus wurde nach dem „Anschluss“ von den Nazis „arisiert“, diente zunächst als SS-Quartier, um dann in die Hände von Ernst Kaltenbrunner zu gelangen. Der berüchtigte Chef des Reichssicherheitshauptamtes residierte mit Frau und Kindern am nahen Wolfgangsee und brachte in der Villa Kerry seine Geliebte unter (mit der er ebenfalls zwei Kinder hatte). „Für alle Fälle“ hatte Kaltenbrunner hier auch einen Teil seines – geraubten – Goldschatzes versteckt. Jedenfalls wurden nach dem Krieg im Garten der Kerry-Villa 76 Kilo Gold, 10.000 Goldmünzen sowie große Bestände an Fremdwährungen entdeckt und von den Amerikanern beschlagnahmt. Kaltenbrunner wurde als Mitverantwortlicher für die Judenvernichtung im Nürnberger Prozess zum Tod verurteilt und 1946 hingerichtet.

Christl Kerry, die das Haus nach dem Krieg zurückbekam, war nach dem frühen Tod ihres Vaters bei ihrem Großvater Emanuel aufgewachsen. Und der führt uns direkt zur Familie des amerikanischen Außenministers. Denn Emanuel war der Bruder von John Kerrys Urgroßvater Benedikt, dessen Sohn Friedrich in die USA auswanderte – und dort ein tragisches Ende nahm: John Kerrys Großvater litt an einer unheilbaren Krankheit und beging 1921 Selbstmord.

Burgschauspieler

Der Rest der Familie konnte in Österreich überleben, darunter Friedrichs Neffe Otto Kerry, ab 1947 Schauspieler am Burgtheater. Der Cousin des neuen Außenministers „war ein unverwechselbarer Charakterdarsteller, dessen Episoden unvergessen bleiben“, erinnert sich Gerhard Blasche, Mitglied der Direktion des Burgtheaters. Kerry gehörte der „Burg“ 35 Jahre an und trat in 147 Rollen auf.

Am besten in der weitverzweigten Familienchronik kennt sich Susanne Kerry, die in Wien lebende Witwe des Philharmonikers Fritz Kerry aus. „Mit John Kerry ist niemand von der österreichischen Familie in Kontakt, sehr wohl aber mit seinen Schwestern Peggy und Diana, die wir mehrmals auch persönlich getroffen haben.“

Der 1943 im Bundesstaat Colorado geborene Nachfolger Hillary Clintons war noch nie in der Heimat seiner Ahnen, obwohl er als Sohn eines Diplomaten einige Jahre in einem Schweizer Internat und in Berlin gelebt hat und gut Deutsch spricht.

Künstlertreff

In Altaussee erinnern sich heute noch viele Menschen an seine Tante, die Malerin Christl Kerry, die 1978 im Alter von 89 Jahren starb. Am besten Bescheid weiß ihre Freundin Ursula Kals-Friese (die langjährige Sekretärin Friedrich Torbergs). „Christl war überaus beliebt“, erzählt sie, „und sie hatte die Gabe, große Künstler um sich zu scharen. So lernte sie Arthur Schnitzler kennen, als er sich bei einem Spaziergang verirrt hatte.“ Später unternahmen sie gemeinsam viele Bergtouren. „Mit Christl Kerry auf der Alm in der Sonne gelegen, Enzian gepflückt, auf schattigen Wiesen geruht“, notierte der Dichter am 20. August 1921 in sein Tagebuch. Die Ausseer Malerin war nie verheiratet, aber mit dem Dichter Fritz von Herzmanovsky-Orlando verlobt.

Bilder: John Kerry: Steifer Diplomat, versierter Politiker

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Democratic presidential nominee Kerry laughs as he
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U.S. Senator John Kerry holds a T-shirt in Cairo
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File photo of U.S. Senator John Kerry
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U.S. Senator Kerry looks out a window before an in
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USA DEMOCRATIC PRESIDENTIAL CANDIDATE KERRY

Die Villa Kerry war auch Treffpunkt bedeutender Musiker, die im Ausseerland auf Sommerfrische waren, darunter Gustav Mahler und der weltberühmte Tenor Josef Schmid, von dem alte Ausseer noch wissen, dass er im Garten der auf 800 Meter Seehöhe gelegenen Villa Kerry so laut sang, dass man ihn bis ins Tal hinunter hören konnte.

Christl Kerry wird von Ursula Kals-Friese als großes Original beschrieben. „Als sich eine etwas angeheiterte Frau bei ihr beklagte, dass sie bereits doppelt sehe und dennoch kochen müsse, erwiderte Christl Kerry trocken: ,Dann nehmen S’ halt von allem nur die Hälfte.‘“

Es gäbe also genügend Familiengeschichten, die man dem Minister Kerry bei einem etwaigen Staatsbesuch in der Heimat seiner Ahnen erzählen könnte.

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