Ex-Kanzler will Serbien EU-fit machen

Ex-Kanzler will Serbien EU-fit machen
Alfred Gusenbauer drängt Brüssel, mit den Beitrittsverhandlungen 2014 zu starten.

Die serbische Regierung engagiert den ehemaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer als EU-Berater. Auch Kasachstan ist Gusenbauers Klient. Er gibt zu, dass Kasachstan kein Rechtsstaat und keine Demokratie sei, ihm gehe es um die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen. – Im Falle Serbiens ist auch Österreichs Regierung ein starker Anwalt für den raschen EU-Beitritt.

KURIER: Herr Doktor Gusenbauer, ist der Vertrag schon unterschrieben?

Alfred Gusenbauer: Nein, aber es sieht gut aus, dass es in den nächsten zwei Wochen zu einer Einigung kommt und die Sache finalisiert wird.

Was wird konkret Ihre Aufgabe für Serbien sein?

Ich werde mich darauf konzentrieren, den Beitrittsprozess zu begleiten und gegenüber Belgrad zu kommunizieren, wie die Stimmungslage in den EU-Hauptstädten ist. Die serbische Regierung muss entsprechend reagieren: Sie wird Reformen präsentieren und etwas gegen die grassierende Korruption unternehmen müssen.

Serbien ist EU-Beitrittskandidat, hat aber noch kein Datum für Verhandlungen. Warum lässt sich die EU so lange Zeit?

Serbien ist zum Opfer der Erweiterungsmüdigkeit der EU geworden, die durch die Wirtschafts- und Finanzkrise nur mit sich selbst beschäftigt ist. Serbien braucht einen würdevollen Umgang. Es muss die EU-Kriterien erfüllen, aber es geht nicht, dass man Serbien immer nur die Beitrittskarotte vor die Nase hält und sie immer wieder zurückzieht. Das führt dazu, dass Serben den Eindruck gewinnen, die EU nimmt sie nicht ernst. Brüssel muss jetzt ein Signal setzen und die Verhandlungen Anfang 2014 starten. Als Kernland des Balkans braucht Serbien die europäische Perspektive.

Serbien steht vor der Pleite, das Geld reicht bis Ende September. Gibt es eine Rettung?

Alle Balkanländer haben erhebliche Schwierigkeiten, internationale Direktinvestitionen fließen nicht mehr wie vor der Krise. Das Land braucht einen Wachstumsmotor und eine langfristige Wachstumsperspektive. Junge Serben verlassen derzeit in Scharen ihre Heimat, gerade sie brauchen dringend Jobs und den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg.

Sie beraten seit 2010 die kasachische Regierung. Stört Sie nicht, diesen Job in einem Land zu machen, das kein Rechtsstaat und keine Demokratie ist?

Kasachstan ist nicht jener Rechtsstaat und nicht jene Demokratie, die wir uns vorstellen. Aus einem Einparteien-Parlament ein Dreiparteien-Parlament zu machen, ist noch keine Demokratie. Kasachstan muss für Demokratie und Reformen noch viel tun, es gibt aber Fortschritte: Das Land befindet sich im globalen Wettbewerbsbericht unter den ersten 50 Staaten der Welt, Unternehmen investieren in Kasachstan. Mein Anliegen ist, Kasachstan zu einem Anker der Stabilität in Zentralasien zu machen, einer Region, die für Europa sehr wichtig ist.

Welche ethischen Kriterien gelten für Ihre Beratertätigkeit?

Mir geht es ganz klar darum, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern und Spannungsherde abzubauen. Wenn wir uns nur dort engagieren, wo das europäische Modell schon verwirklicht ist, wird uns die Welt bald um die Ohren fliegen. Ich sehe meine Arbeit darin, Maßnahmen vorzuschlagen, die die Lage der Menschen und die Bedingungen für Investitionen verbessern.

Angeblich haben Sie Parlamentsdokumente an den kasachischen Geheimdienst in der Causa Aliyev, gegen den wegen Mordes ermittelt wird, weitergegeben. Hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Sie eingestellt?

Die Staatsanwaltschaft hat sich bei mir noch nicht gemeldet. Es liegen keine Beweise vor, weil es keine gibt.

Sie waren von Juli 2009 bis Mai 2010 Aufsichtsrat im spanischen Mutterkonzern der Alpine. Haben Sie das Mandat zurückgelegt, weil damals schon die Pleite des Baukonzerns absehbar war?

Ich hatte Gründe, warum ich die Tätigkeit beendet habe. Ich habe die Gründe nie öffentlich gemacht, weil ich dem Unternehmen nicht schaden wollte. Wer Augen hat, für den waren die erheblichen Probleme des Unternehmens schon vor dem Frühjahr 2013 erkennbar.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hat Österreich als „abgesandelt“ bezeichnet. Stimmt das Urteil?

Die Frage stellt sich, ob jemand, der so etwas sagt, sich selbst und seine Institution ernst nimmt. Ich will jetzt nicht auf einzelne Personen losgehen, im Wahlkampf hat es schon genügend Aussagen gegeben, die bedenklich sind. Österreich ist mit Sicherheit ein sehr erfolgreiches EU-Land bei all den Herausforderungen, die auf uns zukommen. Österreich muss sich wirklich nicht einem Wettbewerb der Negativ-Bewertung unterziehen.

Zur Person: Gusenbauers Weg

Politische Karriere Geboren 1960; Studium der Politikwissenschaft und Philosophie (Dr.); ab 1981 für die SPÖ tätig; von 2000–2008 SPÖ-Bundesparteichef; von Jänner 2007 bis Dezember 2008 Bundeskanzler.

Privatwirtschaft 2009 wird Gusenbauer Berater, Lobbyist und Gastprofessor an renommierten US-Unis. Er ist u.a. Vorsitzender des Aufsichtsrats der STRABAG, Vorsitzender der Haselsteiner Familienstiftung; Vizevorsitzender des Beirates der SIGNA Holding; Aufsichtsrat einer Tochterfirma des Novomatic-Konzerns; Europa-Direktor des chilenischen Investmentfonds Equitas European Funds. Zudem ist er Kasachstan-Berater mit Prodi, Blair und Kwaśniewski.

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