Orban macht Schluss mit Wahlkampf gegen Flüchtlinge

Eine Niederlage bei einer Lokalwahl schreckt Premier Orban wenige Wochen vor der Parlamentswahl auf. Die Hetze gegen Milliardär Soros wird gestoppt.

Noch in der Vorwoche kannte seine Rede zur Lage der Nation nur ein Thema: Die drohende Flut vor allem muslimischer Asylwerber, die Ungarn seiner christlichen Identität berauben würden. Und dazu natürlich den Mann, der laut Orban hinter dieser Verschwörung steckt: Sein Lieblingsfeind, der ungarischstämmige US-Investor George Soros. Der würde, donnerte der Premier wie gewohnt, mit seinen Millionen Flüchtlingshelfer finanzieren, die all diese Fremden nach Ungarn schleusen würden. Die gesamte Kampagne der Regierungspartei Fidesz für die Parlamentswahlen am 8. April war auf dieser Inszenierung aufgebaut. "Stop-Soros-Paket" heißt der aktuelle Gesetzesvorschlag, mit dem die Flüchtlinge und ihre vermeintlichen Helfer gestoppt werden sollen, das verzerrte Soros-Konterfei ist flächendeckend in Ungarn plakatiert.

"Keine Diffamierung"

Nun aber soll im Wahlkampf-Finale die Kehrtwende eingeleitet werden, wie die regierungskritische Tageszeitung Magyar Nemzet aus internen Papieren erfahren haben will, die ihr zugespielt wurden. Abgeordnete und Kandidaten der Fidesz erhielten fürs erste strikte Anweisung, in sozialen Medien "keinerlei negative diffamierende Materialien im Zusammenhang mit Soros zu posten".

Der Grund für die Abkehr von der bisher mit eiserner Konsequenz gefahrenen Wahlkampf-Strategie ist eine Bürgermeisterwahl am vergangenen Sonntag, die der Fidesz und damit der Orban-Regierung eine unangenehme Überraschung bescherte. In der südungarischen Stadt Hodmezövasarhely – unweit der ja von Orban mit Zäunen gesicherten Grenze zu Serbien – gewann nicht der favorisierte Fidesz-Kandidat die Wahl, sondern ein Vertreter der Opposition.

Für Orban, der bei den April-Wahlen bereits eine Verfassungsmehrheit im Parlament anpeilte, ein schwerer Schlag. Schließlich wurden mit der Niederlage auch gleich kritische Stimmen in der eigenen Partei und der stramm regierungstreuen Presse laut. "Wir sollten mit dieser Soros-Schimpferei auf Volksschul-Niveau aufhören", meinte etwa der Chefredakteur der sonst verlässlich regierungsnahen Wochenzeitung Demokrata.

Jobbik rückt nach links

Der Sieg der Opposition ist aber nicht nur den strategischen Fehlern des Orban-Wahlkamps geschuldet, sondern auch einem neuartigen Bündnis, das auch für Skepsis sorgt. Erstmals hat sich die bisher politisch am rechten Rand verortete Jobbik-Partei mit anderen, linken und liberalen Kräften der Opposition zusammengetan. Für Jobbik der erste deutliche Erfolg auf ihrem zumindest nach außen präsentierten Weg in die politische Mitte. Die Partei von Gabor Vona verzichtet auf nationalistisches Getöse und gibt sich lieber als Partei, die auf Soziales setzt. Der Parteichef jedenfalls sieht sich in seinem neuen Kurs bestätigt – und außerdem Viktor Orbans Stern im Sinken. Im Interview erklärte er kürzlich: "Der Zerfall von Fidesz hat begonnen."

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