US-Spähpraxis: Merkel in Zugzwang

Protesters supporting Edward Snowden, a contractor at the National Security Agency (NSA), hold a photo of Snowden during a demonstration outside the U.S. Consulate in Hong Kong June 13, 2013. China's Foreign Ministry offered no details on Thursday on Snowden, the National Security Agency contractor who revealed the U.S. government's top-secret monitoring of phone and Internet data and who is in hiding in Hong Kong. REUTERS/Bobby Yip (CHINA - Tags: POLITICS SCIENCE TECHNOLOGY CIVIL UNREST TPX IMAGES OF THE DAY)
Die bisher glücklose Opposition stützt sich bei ihrer Empörung über die Passivität der deutschen Regierung auf neue Presse-Spekulationen.

Seit vier Wochen sind die vom Ex-Mitarbeiter des US-Nachrichtendienstes NSA, Edward Snowden, enthüllten Aktivitäten zentrales Thema der deutschen Presse. Ein Teil unterstellt der Kanzlerin und ihrem Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Mitwissen bei der flächendeckenden US-Lauschpräsenz im Internet. Das liefert der Opposition jede Menge Wahlkampf-Argumente.

Die formt daraus ihre bisher schärfsten Angriffe: Die Chefs der US-Dienste müssten in Deutschland angeklagt werden so wie deren „deutsche Helfershelfer“, forderte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mutmaßte den „Bruch des Amtseids“ durch Kanzlerin Merkel.

Trotzdem steht Rot-Grün gut zwei Monate vor der Bundestagswahl so schlecht da wie selten zuvor: Umfragen zeigen stabil Angela Merkels hohe Beliebtheit und Kompetenz gegenüber dem Herausforderer und dessen rot-grüner Wunschkoalition. Die große Mehrheit der Bürger sieht laut Umfragen den bisher unbewiesenen US-Datenklau offenbar gelassen und den Zweck der Terrorismus-Bekämpfung das Risiko überwiegen.

Heftige Vorwürfe

Auch die Mutmaßung der Opposition, die deutschen Dienste und damit Regierungspolitiker hätten von der US-Datenüberwachung in Deutschland gewusst und profitiert, ließ bisher die Wähler überwiegend kalt: Obwohl die Mehrheit glaubt, dass das so war.

Deren Meinung stützte die Bildzeitung am Montag. Der Reporter, der Friedrich auf seiner Aufklärungsreise nach Washington begleitet hatte, berichtete von hohen US-Beamten, die dem Blatt Beispiele geliefert hätten: Der deutsche Bundesnachrichtendienst (Auslandsgeheimdienst) habe Handy- und Mail-Verkehr von im Ausland entführten Bundesbürgern bei US-Kollegen abgefragt – und bekommen. Das beweise, dass der Dienst von „Prism“ gewusst haben müsse.

Besonders pikant daran ist, dass der BND nicht Friedrich, sondern Kanzleramtsminister Ronald Pofalla untersteht. Schon zuvor hatte die Presse spekuliert, dass Merkel notfalls ihren engsten Mitarbeiter opfern könnte, um selbst weiter als unwissend gelten zu können. Merkel nannte das umgehend „abwegig“. Im ARD-Sommerinterview gab sich die CDU-Chefin zuversichtlich und schlug als Konsequenz aus dem Snowden-Verrat ein EU- Abkommen mit den USA vor, das Spionage unter Freunden unterbinden soll.

Geheim

Die ersten Kommentare darauf sahen das als weltfremd und durchsichtig, weil schon allein Frankreich mit seiner ebenso intensiven Belauschung Deutschlands nie zustimmen würde. Merkels Sprecher wollte die Bild-Behauptung nicht kommentieren: Das würde die Regierung nur im Geheimdienstausschuss des Bundestags tun.

Der kommt heute, Dienstag, zu einer Sondersitzung zusammen. Zum Leidwesen der Opposition ist er streng geheim – und nur mit verpönten Indiskretionen geeignet, die Regierung öffentlich vorzuführen.

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