Nahost-Konflikt: "So kann es nicht ewig weitergehen"

Ohnmacht: Eine Palästinenserin im Gazastreifen verliert das Bewusstsein, als sie vom Tod ihrer Schwester erfährt.
Israels Oppositionschef Herzog bittet um internationale Unterstützung im Kampf gegen Terror.

Der junge Israeli Hadar Goldin wurde Sonntagnachmittag unter großer Anteilnahme auf einem Militärfriedhof bei Tel Aviv beerdigt. Der Sarg beinhaltete laut ORF-Reporter allerdings nur die blutverschmierte Kleidung des Soldaten, die Leiche sei weiterhin unauffindbar. Die genauen Todesumstände des 23-Jährigen sind nämlich nach wie vor ungeklärt: Die Hamas bestreitet vehement, Goldin entführt zu haben; eine israelische Armeesprecherin bekräftigte am Sonntag hingegen erneut, Goldin sei ursprünglich von militanten Palästinensern verschleppt worden. Israel zufolge ereignete sich der Vorfall am Freitag, eineinhalb Stunden nach Beginn einer Feuerpause, die Israel damit dann auch für obsolet erklärte.

"Krimineller Akt"

Nahost-Konflikt: "So kann es nicht ewig weitergehen"
(L-R) Ayelet, Zur, Lea, Simcha and Haimi, the family of Israeli soldier Lieutenant Hadar Goldin mourn during his funeral in Kfar Saba, near Tel Aviv August 3, 2014. An Israeli air strike killed 10 people and wounded about 30 on Sunday in a U.N.-run school in the southern Gaza Strip, a Palestinian official said, as dozens died in Israeli shelling of the enclave and Hamas fired rockets at Israel. The Israeli military said it was looking into the attack, the second to hit a school in less than a week. And amid Hamas accusations that Israel had misled the world about the alleged capture of an Israeli soldier, the officer, Goldin, was buried on Sunday after the military said it recovered remains and that he was killed in action. REUTERS/Siegfried Modola (ISRAEL - Tags: POLITICS MILITARY CONFLICT OBITUARY)
Am Sonntag gab es in Israel immer wieder Alarm, die Hamas feuerte unzählige Raketen ab. Israel beschoss eine UN-Schule nahe Rafah, dabei starben zehn Menschen. Laut einem Radiosender erfolgte der Luftangriff in dem Moment, als ein Motorradfahrer den Schulhof ansteuerte – der Mann und neun Flüchtlinge, die in der Schule Zuflucht gesucht hatten, wurden getötet. Der Vorfall werde geprüft, sagte eine Armeesprecherin. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach von einer "moralischen Schandtat und einem kriminellen Akt". Er forderte beide Seiten auf, die Kämpfe umgehend zu beenden: "Dieser Wahnsinn muss aufhören." Mindestens 1766 Palästinenser und 67 Israelis kamen bisher ums Leben.

Israels Armee begann mit einem Teilabzug seiner Bodentruppen, was als Schritt zur Entschärfung der Lage gewertet wurde. Auch die Sprengung des letzten, von der Hamas gegrabenen Tunnels sollte noch am Sonntag beginnen. Damit wäre eines der Ziele Israels erreicht.

"Politischer Wandel"

Israels Chefunterhändlerin für Friedensgespräche mit den Palästinensern, Zipi Livni, sprach sich dafür aus, die geschwächte Hamas zu stürzen. "Wir haben eine Gelegenheit für einen politischen Wandel." Sie sprach von möglichen internationalen Vereinbarungen über eine Entmilitarisierung des Gazastreifens und der Übergabe der Macht an Palästinenserpräsident Abbas.

Wie sieht der sozialdemokratische Oppositionschef Jizchak Herzog die Lage? Der KURIER bat den Sohn des früheren Staatspräsidenten Chaim Herzog zum Interview.

KURIER: Herr Herzog, Sie haben erst kürzlich in einer Rede vor israelischen Jugendlichen gesagt, Sie wären bereit, für den Frieden zu sterben. War das ernst gemeint?

Jitzchak Herzog: Ich versuche die Leute zu überzeugen, dass man vieles für den Frieden opfern muss. Und dass wir auch Opfer für unsere Sicherheit bringen müssen.

In der jetzigen Situation wollen Sie vermutlich die Regierung nicht angreifen ...

Nahost-Konflikt: "So kann es nicht ewig weitergehen"
Issac Herzog, the new leader of Israel's Labour party, speaks during a news conference in Tel Aviv November 22, 2013. Israel's struggling opposition Labour party has elected Herzog seen as a potential moderate ally for Prime Minister Benjamin Netanyahu's rightist cabinet, results of a party poll showed on Friday. REUTERS/Nir Elias (ISRAEL - Tags: POLITICS)
Wir könnten schon, aber als Oppositionsführer und jemand, der immer mit Fragen der Nationalen Sicherheit befasst war, glaube ich, dass die Regierung bis jetzt richtig und vernünftig gehandelt hat. Wir haben abgewartet und alles getan, damit es nicht zu einer Bodenoperation kommt, bis wir schließlich keine andere Wahl hatten. Wir sind uns alle vollkommen einig, dass die Tunnel, die aus Gaza nach Israel führen, zerstört werden müssen.

Was Hamas will – die Zerstörung Israels – ist kein Geheimnis. Sehen Sie irgendeine Chance, nicht nur die jetzige Krise, sondern auch den Konflikt zu beenden?

Ich denke nicht, dass wir den Konflikt mit militärischen Mitteln beenden können. Am Ende muss es eine politische Lösung geben. Die könnte so aussehen, dass Abbas wieder die Kontrolle im Gaza-Streifen übernimmt, die er 2007 abgeben musste. Und dass Gaza vollständig entmilitarisiert wird, wie es auch die EU gefordert hat.

Wenn sie über eine politische Lösung sprechen, wer wären dann ihre Partner und Verbündeten? Etwa die Iraner, die hinter der Hamas stehen?

Nein, die nicht. Israel ist Teil einer Koalition der Gemäßigten in der Region. Das sind: Wir, Ägypten, Jordanien und die Palästinensische Autonomiebehörde unter Abbas. Alle wissen, was in der Region los ist. Die ISIS im Osten, die Hamas im Süden, die Hisbollah im Norden. Wir brauchen internationale Unterstützung im Kampf gegen den Terror. Die Hamas muss so weit geschwächt werden, dass sie die Kontrolle über Gaza verliert und keine Bedrohung für Israel darstellt.

Wie lang wird das dauern? Zehn Jahre?

Ich kann nicht sagen, wie lange es dauern wird, die Hamas zu entmachten. Das hängt nicht nur von uns ab. Wir wissen, dass es Kräfte gibt, die gerne die ganze Region destabilisieren und radikalisieren möchten. Der Iran gehört ohne Zweifel dazu. Deswegen müssen wir die Hamas dazu bringen, sich zu überlegen, ob sie eine politische oder eine terroristische Bewegung sein will.

Entschuldigen Sie, aber vieles von dem, was Sie sagen, wurde bereits versucht. Mit wenig Erfolg.

Ich bin nicht bereit aufzugeben. Es gibt palästinensische Partner, mit denen wir reden sollten. Mahmoud Abbas gehört dazu, trotz seiner manchmal radikalen Rhetorik. Aber er ist entschlossen, Terror zu bekämpfen. Und er tritt für die Zwei-Staaten-Lösung ein. Wir sollten mit ihm zusammenarbeiten.

Bekommen Sie mit, was derzeit in Europa passiert?

Natürlich. Wir leben ja nicht auf dem Mond, sondern in einer absurden Situation. Ich saß gestern wieder in einem Bunker, in dem ich schon als Kind vor 50 Jahren Zuflucht gesucht habe. So kann es nicht ewig weitergehen. Nicht für uns und nicht für die Palästinenser. Wir können den Terroristen nicht erlauben, unser Leben zu bestimmen. Europa muss aus seinen Träumen aufwachen und die Wirklichkeit erkennen Der radikale Islam ist eine Gefahr für alle. Auch für Europa.

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