SPD

Nahles bringt Minderheitsregierung ins Gespräch

Andrea Nahles
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wünscht sich mehr Verständnis, SPD-Fraktionschefin richtet scharfe Vorwürfe an FDP. Kanzleramtschef Altmaier will in den nächsten drei Wochen Klarheit über die Regierungsbildung.

Nach dem Scheitern der Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis in Deutschland hat SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles die Möglichkeit einer Minderheitsregierung ins Gespräch gebracht. "Wir sollten jetzt darüber reden, wie wir einen Prozess gestalten, der unser Land in eine stabile neue Regierung führt", sagte Nahles am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin".

Dieser Prozess könne "zum Beispiel münden" in eine Minderheitsregierung, von der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schon gesprochen habe. Merkel hatte allerdings am Montag deutlich gemacht, sie würde Neuwahlen einer Minderheitsregierung vorziehen und dabei auf das Problem fehlender Stabilität einer solchen Regierung verwiesen. Auch Nahles schloss Neuwahlen nicht aus: "Wir scheuen diese Option nicht", sagte sie im ZDF. Zunächst bleibe es aber dabei, dass Merkel einen Regierungsauftrag habe. "Wir haben jetzt keinen Zeitdruck", sagte die SPD-Fraktionschefin weiter.

Keine Große Koalition

Einer Großen Koalition erteilte Nahles eine Absage. Dafür lasse sich aus dem Wahlergebnis vom 24. September kein Auftrag ableiten. Zwar werde sich die SPD den auch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geforderten Gesprächen über einen Ausweg aus der aktuellen politischen Krise nicht verweigern, doch habe die Große Koalition bereits vor der Wahl "am Ende auch inhaltlich nicht mehr die Substanz und die Kraft" gehabt, die sie vielleicht vorher gehabt habe. Ein Gespräch zwischen dem deutschen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier und SPD-Chef Martin Schulz über die Möglichkeiten einer Regierungsbildung ist für Donnerstagvormittag geplant.

Scharfe Kritik übte Nahles am Ausstieg der FDP aus den Jamaika-Sondierungen, mit denen die Liberalen diese zum Scheitern gebracht hatten. "Ich kann das nicht nachvollziehen", sagte die SPD-Fraktionschefin. Auch habe sie von FDP-Chef Christian Lindner "bisher keine gute inhaltliche Begründung gehört, warum am Ende nicht doch Kompromisse möglich gewesen wären".

Nahles bringt Minderheitsregierung ins Gespräch
Peter Altmaier of the Christian Democratic Union (CDU) leaves the German Parliamentary Society after exploratory talks about forming a new coalition government in Berlin, Germany, November 17, 2017. REUTERS/Hannibal Hanschke

Ultimatum: Drei Wochen

Der deutsche Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) will so schnell wie möglich Klarheit über eine Regierungsbildung. Es müsse "in den nächsten drei Wochen" Klarheit darüber geben, ob es möglich sei, auf Grundlage des bisherigen Wahlergebnisses eine stabile Regierung zu bilden, sagte Altmaier am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin".

Es sei auch ein "Markenzeichen", dass Deutschland eine "stabile und verlässliche Regierung hat". Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zuvor ablehnend zu einer Minderheitsregierung geäußert. "Ich glaube, dass dann Neuwahlen der bessere Weg wären", sagte sie am Montagabend in der ARD.

Schäuble mahnt zur Verantwortung

Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Parteien zu Kompromissbereitschaft aufgerufen. Dies gehöre zum Wählerauftrag, sagte Schäuble. "Demokratie verlangt Mehrheiten", sagte der Parlamentspräsident. "Mit der Wahl hat das Volk entschieden und damit müssen wir als Gewählte auch umgehen." Es sei Verständnis nötig "für die schwierige Gratwanderung, die es für alle bedeutet, die politische Verantwortung tragen, für mehrheitsfähige Kompromisse auch in Teilen vom eigenen Wahlprogramm abzurücken", sagte Schäuble zu Beginn der Bundestagswoche in Berlin. "Das ist kein Umfallen, auch keine Profilschwäche."

Gleichzeitig warnte er davor, die Situation zu dramatisieren. "Es ist eine Bewährungsprobe, aber es ist keine Staatskrise." Angesichts der langwierigen Regierungsbildung will der Bundestag mit Hilfe eines Hauptausschusses seine Funktionsfähigkeit sicherstellen. Mit Ausnahme der Linken stimmten die Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Parteien am Dienstag dafür, einen solchen Ausschuss zum zweiten Mal seit 2013 einzusetzen.

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Free Democratic Party (FDP) leader Christian Lindner is seen during a session of the Bundestag in Berlin, Germany, November 21, 2017. REUTERS/Axel Schmidt

Lindner wirbt um Verständnis

FDP-Chef Christian Lindner wirbt in einem Brief an die Mitglieder um Verständnis für den Ausstieg seiner Partei aus den Sondierungen mit CDU, CSU und Grünen. Den Geist des Sondierungspapiers könne die FDP nicht verantworten, heißt es in dem von der Partei am Dienstag veröffentlichten Schreiben. Viele der diskutierten Maßnahmen seien gar schädlich.

"Wir wären gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und alles das, wofür wir Jahre gearbeitet haben", heißt es darin weiter. Nach vier Wochen habe unverändert nur ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vorgelegen. Wo es Übereinkünfte gegeben habe, hätten diese oft mit viel Geld der Bürger oder Formelkompromissen erkauft werden sollen. "Dieses Experiment einer Vierparteienkoalition ist leider gescheitert."

Lindner geht in seinem Brief auf mehrere Politikfelder ein. Beim Solidaritätszuschlag, den die FDP bis 2021 komplett abschaffen will, habe nur ein Vorschlag vorgelegen, mit dem die Ergänzungsabgabe "mäßig reduziert" und bis in die nächste Legislaturperiode fortgeschrieben worden wäre. Bei der Zuwanderung wäre zwar eine qualifizierte Einwanderung über ein Punktesystem erreichbar gewesen, beim Familiennachzug habe es am Sonntagabend aber immer noch keine Einigung gegeben.

CSU-Müller: Ausstieg von langer Hand geplant

Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) war der FDP indes vor, den Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlungen im Voraus geplant und längerfristig vorbereitet zu haben. Es scheine so, "als sei der Abbruch nicht spontan erfolgt, sondern bereits seit längerem geplant", sagte Müller der "Augsburger Allgemeinen" vom Dienstag. "Sachlich gab es aus unserer Sicht dazu keinen Anlass, also war es wohl so gewollt und geplant", kritisierte der CSU-Politiker. Er verwies darauf, dass Texte, in denen die FDP ihren Ausstieg aus den Sondierungen begründete, unmittelbar nach dessen Bekanntgabe vorgelegen hätten. "Schon Minuten nach dem Auszug der FDP kursierten ausgefeilte Erklärungen im Internet", sagte Müller. Auch Reden seien offensichtlich schon vorgefertigt gewesen.

Zeichen in Deutschland auf Neuwahlen

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