Berlin bekommt „Dorfflughafen“

Brandenburgs SPD-Regierungschef Platzeck gibt dem Nachtruhe-Protest nach und gefährdet damit den ohnehin Skandal-überladenen Großflughafen.

Wochenlang standen letzten Herbst Flughafen-Gegner im Berliner Süden, um Unterschriften für ein noch rigoroseres Nachtflug-Verbot zu sammeln, als es dem neuen Großflughafen BER ohnehin auferlegt ist. Nur mit Mühe schafften sie die für die Behandlung im Potsdamer Landtag nötigen 100.000 Unterschriften, wovon der größere Teil aus Berlin kam und nicht aus dem vom Fluglärm mehr betroffenen Umland. Trotzdem hat nun Wolfgang Platzeck, Brandenburgs Ministerpräsident, überraschend die Ziele der Protestierer übernommen und die weitere Beschränkung des Flugverkehrs angekündigt.

Damit wird aus dem notorischen Pannen-Flughafen mit nicht absehbarer Kostenvervielfachung und offenem Eröffnungsdatum endgültig eine politische Posse.

Populismus

Hauptgrund für Platzecks Schwenk ist sein Wunsch, auch nach den Wahlen 2014 mit der „Linken“ weiter zu koalieren. Er regiert als letzter ein Bundesland zusammen mit den früheren Kommunisten. Weil denen die Nöte der Wirtschaft noch ferner liegen als anderen brandenburger Parteien, schlossen sie sich den Protestierern an. Das tat jetzt Platzeck auch.

Weil er zugleich neuer Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft ist und seine Ankündigung bekräftigte, gilt sie weitgehend als Faktum. Das macht Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (ebenfalls SPD) „fassungslos“, was unter Genossen öffentlich eher selten ist. Er hatte erst vor drei Wochen nach der skandalösen Häufung von Pannen den Aufsichtsratsvorsitz Platzeck übergeben.

Brandenburgs SPD habe mit Lavieren um noch mehr Lärmschutz „erst alles herbeigeführt“, so Wowereit, und „nun stiehlt sie sich aus der Verantwortung. Dieses Flugverbot gefährdet den Wirtschaftsstandort Berlin“, so dessen verärgerter Bürgermeister: „Hunderttausende Anwohner des Flughafens Tegel“ würden seit Jahrzehnten „unvergleichlich mehr Lärm ertragen, auch für Passagiere aus Brandenburg“.

Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh legte nach: Dieses Flugverbot von 22 bis 6 Uhr mache aus dem BER einen „Dorfflughafen“, weil dann ohne Interkontinentalverbindung, es gefährde die Basis der zweitgrößten deutschen Gesellschaft Air Berlin samt vielen Arbeitsplätzen.

Der BER-Skandal ufert ohnehin weiter aus: Zuletzt schätzte der als Sanierer gerufene neue BER-Technik-Chef die zu behebenden Planungs- und Baumängel auf mindestens 20.000. Ein neuer Eröffnungstermin und Kostenrahmen könne frühestens im Sommer genannt werden. 2016 statt einst 2010 gilt nun als realistisch.

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