Empörung über Le Pens EU-Austrittspläne

Wie in den Niederlanden ist auch in Frankreich eine Überraschung möglich: nämlich ein Absacken der Front National (FN) auf Platz zwei, hinter die UMP.
EU-Wahl: SPÖ-Spitzenkandidat findet die Vorstellung eines EU-Austrittes Frankreichs "völlig unverantwortlich".

Das KURIER-Interview (siehe unten) mit der Chefin der französischen Rechtspartei "Front National" sorgt in Frankreich für mediales Interesse – und in Österreich für politische Empörung. Le Pen hatte gegenüber KURIER-Korrespondent Danny Leder die Forderung nach einem Austritt Frankreichs aus der EU erhoben. Wenn diese den Franzosen nicht sämtliche Hoheitsrechte – von Währung bis Gesetzgebung – zurückgebe, werde sie ein Referendum über den Austritt ihres Landes organisieren.

Außerdem lobte Le Pen, deren Partei eine enge Kooperation auf europäischer Ebene mit der FPÖ unterhält, Russlands Präsident Putin. Dieser sei ein Patriot und verteidige die Werte der europäischen Zivilisation.

"Negative Folgen"

Empörung über Le Pens EU-Austrittspläne
Interview mit EU-Kommissar Johannes Hahn am 06.05.2013 in Wien.
Der für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn weist die Pläne der Chefin des Front National, entschieden zurück: "Ich bin zuversichtlich, dass der französischen Bevölkerung die Nachteile eines EU-Austrittes bewusst sind, wenn sie dieser Politik folgen. Dieser Schritt hätte massive negative Auswirkungen für den Wohlstand der Bürgerinnen und Bürger sowie das Ansehen Frankreichs in Europa und der Welt", sagte Hahn am Rande des Europa-Forum Wachau auf Stift Göttweig am Sonntag zum KURIER. Frankreich gehöre zu den Gründerstaaten der Europäischen Union und hat dadurch auch eine besondere Verantwortung, betonte der EU-Kommissar.

Dass Marine Le Pen Russlands Präsident Wladimir Putin verteidigt, will Hahn nicht weiter kommentieren: "Diese Einschätzung von Madame Le Pen disqualifiziert sich von selbst."

Empörung über Le Pens EU-Austrittspläne
Der parteilose Ex-ORF Moderator Eugen Freund, Kandidat für die SPÖ.
Der Spitzenkandidat der SPÖ für die Europa-Wahl, Eugen Freund, findet die Vorstellung eines EU-Austrittes Frankreichs oder eines anderen EU-Landes "völlig unverantwortlich. Marine Le Pen ist die Kooperationspartnerin der FPÖ, auch deren Politik ist politisch inakzeptabel". Dass Rechtsextreme und Nationalisten den Austritt aus der EU und aus dem Euro fordern, sei ja nichts Neues, betonte Freund. "Wir (die SPÖ, Anm.) lehnen einen Austritt aus der Europäischen Union ab, das wäre zum Schaden der Menschen." Aber, und das müsse gesagt werden: "Nationalisten schauen immer nur auf sich."

Die FPÖ, die immer wieder ihre gemeinsame politische Linie mit dem Front National betont, war auch auf mehrfache Anfrage des KURIER für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Von der Idee eines Austritts aus dem Euro oder gar aus der EU hat sich die Partei inzwischen zumindest teilweise distanziert.

Laut Umfragen könnte die Rechtspartei „Front National“ bei den EU-Wahlen nächsten Sonntag mit 20 bis 26 Prozent der Stimmen zur relativ stärksten Partei Frankreichs werden. Dem KURIER erläuterte die FN-Vorsitzende Marine Le Pen (im Anschluss an eine Wahlversammlung in der Stadt Evreux in der Normandie) ihren Fahrplan für den EU-Austritt Frankreichs. An den Landesgrenzen will sie einen „intelligenten Protektionismus“ anwenden. Der EU wirft sie einen „kalten Krieg“ gegen Russland vor. Putin gilt ihr als vorbildlicher Patriot und Europäer. Hingegen habe sich Frankreich bei den Präsidentenwahlen 2002, als ihr Vater, Jean-Marie Le Pen dem bürgerlichen Kandidaten Jacques Chirac unterlag, des „Wahlschwindels“ schuldig gemacht.

KURIER: Madame Le Pen, Sie haben mir in einem Interview im Juni 2012 erklärt, Sie wünschten den „Zusammenbruch der EU“, und Sie bezeichneten sich damals selber als „überzeugte EU-Phobikerin“. Ist das weiterhin Ihre Position?

Marine LePen: Ja, ja das ist weiterhin meine Position. Ich glaube an das Europa der freien und souveränen Nationen. Das ist auch das einzige Europa, das funktioniert hat, etwa beim Airbus-Konsortium oder dem Ariane-Raketenprogramm. Also ein Europa der Völker, die über ihre Teilnahme an Projekten frei entscheiden können, die ihren Interessen entsprechen. Es ist unmöglich, die jetzige EU in ein demokratisches Europa umzuwandeln.

Welche europäische Institution wollen Sie als erstes auflösen?

Ich habe keine Möglichkeit so etwas zu tun. Ich kann nur die EU blockieren. Ich kann die Verabschiedung von Direktiven verhindern, die sich gegen die Interessen der Franzosen richten. Eine zusätzliche Erweiterung blockieren, also Richtung Mazedonien, Albanien und natürlich der Türkei. Ich kann neue sparpolitische Diktate blockieren.

Aber angenommen, Sie gelangen ans Ruder. Welche europäische Institution wollen Sie auflösen? Das EU-Parlament?

Wenn ich an die Staatspitze gelange, unternehme ich nichts in Hinblick auf das EU-Parlament. Wenn ich zur Präsidentin Frankreichs gewählt werde, organisiere ich ein Referendum. In der Zeitspanne bis zum Referendum, werde ich mich an die EU wenden, damit uns die vier grundlegenden Hoheitsrechte zurück erstattet: die ökonomische, die währungspolitische, die gesetzgebende und die territoriale Hoheit. Wenn die EU mir diese nicht zurückgibt, schlage ich den Franzosen beim Referendum vor, aus der EU auszutreten.

Nochmals bezüglich der EU-Institutionen, weil Sie sich ja für diese Wahlen zum EU-Parlament mit anderen Parteien verbünden, namentlich der FPÖ. Diese ist ja noch immer Ihr bevorzugter Verbündeter?

Ich habe keine bevorzugten Verbündeten. Wir haben mit der FPÖ schon seit langem Arbeits- und Vertrauensbeziehungen.

Also in der EU blockieren Sie gewisse Entscheidungen, aber anschließend, weil Sie ja für einen Zusammenbruch der EU eintreten, welche Institution wollen sie auflösen, wenn sie die dazu Möglichkeit hätten?

Mein lieber Herr, wir haben diese Möglichkeit nicht. Ich gehöre nicht zu der politischen Klasse, die irgendetwas daherredet. Wir haben diese Möglichkeit nicht im EU-Parlament, wir werden sie erst haben, wenn wir die Präsidentenwahlen (in Frankreich) gewinnen. Was ja in Erwägung gezogen werden könnte. Dann könnten wir alles ändern.

Also im EU-Parlament, was wollen Sie …

(Erhebt ärgerlich die Stimme) Aus der EU hinausgehen. Voilà. So wie Norwegen sein. Aus der EU hinausgehen.

Warum haben Sie eine TV-Debatte mit Martin Schulz, dem Spitzenrepräsentanten der europäischen Sozialdemokraten, abgelehnt?

Monsieur Schulz muss mit Madame Merkel debattieren. Ich sehe nicht, was er in Frankreich zu suchen hat.

Sieht man einmal von der EU ab, was wäre Ihr erster politischer Schritt als Präsidentin Frankreichs?

Da gibt es viele. Es muss eine unmittelbare Aktion in der Migrationspolitik geben. Man muss dringend den wirtschaftlichen Patriotismus, einen intelligenten Protektionismus an unseren Grenzen in Kraft setzen.

Sie unterhalten Beziehungen zur russischen Staatsspitze. Deren Repräsentanten haben Ihrer Partei Erfolg gewünscht. Sie haben Ihrerseits Sympathie für Putin geäußert.

Ich möchte an der Spitze eines blockfreien Staates stehen, der weder den USA noch Russland unterworfen ist. Um mit diesen beiden Mächten von Gleich zu Gleich zu reden. Ohne einen kalten Krieg zu betreiben, wie ihn die EU gegenüber Russland führt in einer absolut stupiden Weise und in völligem Gegensatz zu den Interessen der europäischen Völker. Gute Beziehungen mit einer Macht wie Russland zu unterhalten, ist das Mindeste in Hinblick auf den Frieden, weil man in der EU viel vom Frieden spricht, aber viel Krieg betreibt. Einen Krieg der Worte, der Diplomatie, der Wirtschaft. Ich möchte Frieden.

Wie erklären Sie die Sympathie, die Putins Lager für Ihre „Front National“ äußert?

Weil Monsieur Putin ein Patriot ist. Er hält die Souveränität seines Volks hoch. Es ist ihm bewusst, dass wir gemeinsame Werte verteidigen. Das sind die Werte der europäischen Zivilisation. Wahrscheinlich findet er diese Qualitäten des Mutes, der Aufrichtigkeit und des Respekts für die Identität und die Zivilisation nicht bei anderen politischen Bewegungen in Frankreich.

Also finden Sie Ihrerseits, dass Putin diese Werte repräsentiert?

Ja ja, ich glaube es. Also (zögert leicht), alles drückt das zumindest aus. Die Art wie er das Land führt, das ist ein Mann, dem die Werte wichtig sind. Vorausgesetzt man anerkennt diese Werte. Die sozialistische Partei anerkennt diese Werte nicht.

Die europäischen Werte?

Ja, die Werte der europäischen Zivilisation. Die Werte unseres christlichen Erbes (lacht auffällig). Weil wir das christliche Erbe der europäischen Zivilisation nicht in Frage stellen.

Putins Verstöße gegen die Demokratie …

Nämlich?

Wahlschwindel

Seien sie so nett und erzählen sie mir nichts über Wahlschwindel, weil wenn man 2002 erlebt hat, gibt man der Welt keine Lektionen. Weil in Sachen Wahlschwindel niemand erfolgreicher handeln kann, als Frankreich in der Stichwahl für die Präsidentschaft 2002 (*).

An dieser Stelle erschallen Bravo-Rufe und Applaus seitens der Le Pen-Anhänger, die während des Interviews die Politikerin und den Kurier-Korrespondenten umringt hatten.

(*) Bei den französischen Präsidentenwahlen 2002 gelangte Jean-Marie Le Pen, der vormalige Chef der FN und Vater von Marine, im ersten Durchgang auf Platz zwei mit 16,86 Prozent der Stimmen. In der anschließenden Stichwahl wurde Le Pen vom bürgerlichen Amtsinhaber Jacques Chirac mit 82,21 Prozent geschlagen.

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