Gift für die Koalition: Merkel rügte Minister wegen Ja zu Glyphosat

Landwirtschaftsminister Schmidt (falsches Namensschild) mit Kanzlerin Merkel
CSU-Agrarminister Schmidt habe gegen die Geschäftsordnung der deutschen Bundesregierung verstoßen - das spaltet SPD und Union, ehe sie verhandeln. Und bringt die Kanzlerin in eine unangenehme Ausgangslage für Gespräche.

Das hat sich Martin Schulz anders vorgestellt. Mit Blick auf die gescheiterten Jamaika-Sondierungen warnte er noch vor öffentlich ausgetragenen Streitereien und voreilige gezogenen roten Linien. "Der Wahlkampf ist vorbei. Wir setzen bei den anstehenden Gesprächen auf die Kraft unserer Argumente – und nicht auf Kraftmeierei in den Medien. Das gleiche rate ich auch CDU und CSU." Nun zeigte sich, dass die Anbahnungen der Großparteien dem Jamaika-Trip in puncto Drama um nichts nachstehen. Aber alles der Reihe nach.

Glyphosat heißt jenes Unkrautmittel, das die Stimmung zwischen SPD und Union jüngst vergiftete. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) stimmte in Brüssel für eine Verlängerung des Pflanzenschutzmittel, dessen Zulassung umstritten ist, weil es im Verdacht steht, Krebs zu verursachen. Damit votierte er gegen die Entscheidung von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Bei einer ersten Abstimmung hatte sich die deutsche Regierung enthalten, weil das Umweltministerium als eines der federführenden Ressorts gegen die Verlängerung war. Laut SPD hätte sich Schmidt erneut enthalten müssen, so wäre es bei Entscheidungen auf EU-Ebene vorgesehen. Doch dieser preschte vor; und rechtfertigte sich damit, dass die EU-Kommission das Mittel ohnehin zugelassen hätte. Er habe noch Verbesserungen durchsetzen können, etwa Glyphosat "für den privaten Gebrauch und andere Gebräuche zu reduzieren".

Kontrollverlust?

Bei der SPD nährt dies Zweifel, ob mit der Union überhaupt zu verhandeln sei. Noch am Montag habe ihnen die Kanzlerin "ernsthafte" und "redliche" Gespräche über eine Regierungsbildung angeboten. Schmidts Verhalten ortet Fraktionsführerin Andrea Nahles als "schweren Vertrauensbruch" und stellte die Frage, ob Merkel "ihre eigenen Leute noch im Griff hat". Dem Anschein nach nicht. Denn Merkel musste gestern einräumen, dass Schmidt gegen die Ordnung der Bundesregierung verstoßen hat. "Das entsprach nicht der Weisungslage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war." Mit seinem Alleingang versprühte der Minister nicht nur Ärger, sondern vermittelte ein Bild des Kontrollverlusts in der Union, das Merkel für das morgige Gespräch mit Schulz am allerwenigsten brauchen kann. Ebenso wenig der SPD-Chef, die von Umweltministerin Hendricks geforderte "vertrauensbildende Maßnahme", den CSU-Minister zu entlassen.

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