Muslimische Verfassung: Erdogan rudert zurück

Ruf nach neuer Verfassung sei "Privatmeinung", meint der Präsident.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich von den Aussagen des türkischen Parlamentspräsidenten distanziert und den in der Verfassung festgeschriebenen Säkularismus in seinem Land verteidigt. Der Staat solle gegenüber allen Religionen dieselbe Distanz haben, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Erdogan am Dienstag bei einem Besuch in Zagreb.

Der türkische Parlamentspräsident Ismail Kahraman hatte zuvor eine religiöse Verfassung gefordert. "Wir sind ein muslimisches Land. Als Konsequenz müssen wir eine religiöse Verfassung haben", hatte dieser am Montag laut Nachrichtenagentur Anadolu bei einer Konferenz in Istanbul erklärt. Erdogan betonte in Zagreb, es habe sich um Kahramans persönliche Sichtweise gehandelt. Wie Erdogan gehört auch der Parlamentspräsident der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) an. "Meine Position dazu ist bekannt ... Der Staat sollte zu allen Religionen dieselbe Distanz wahren ... Das ist Laizismus", erklärte der türkische Präsident. Auch Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat einer religiös geprägten Verfassung eine Absage erteilt. Das Prinzip des Säkularismus werde sich auch in der überarbeiteten Version wiederfinden, erklärte er am Mittwoch.

Kahramans Äußerungen hatten zu heftigen Protesten vor dem Parlament in Ankara geführt, die von der Polizei mit Tränengas aufgelöst wurden. Auch der Parlamentspräsident selbst hatte seinen Äußerungen danach als "persönliche Ansichten" bezeichnet.

"Keine schwarze Liste"

Auch bei einem andere Streitthema gibt sich die Türkei gemäßigt: bei der Pressefreiheit. Erst letzte Woche veröffentlichte die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) ihre jährliche Rangliste der Pressefreiheit. Die Türkei ist binnen Jahresfrist weiter abgestiegen, von Platz 149 auf Platz 151, von insgesamt 180 Ländern. Immer wieder dürfen Journalisten nicht einreisen oder werden juristisch verfolgt.

Aus Ankara heißt es dazu aber schlicht: Man führe keine schwarzen Listen über unliebsame ausländische Journalisten. "Es gibt keine schwarze Liste", sagte ein Regierungsvertreter, der ungenannt bleiben wollte, der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. Wenn Reporter an der Einreise gehindert würden, "dann liegt das nicht an deren Meinung oder Berichterstattung".

Der türkische Regierungsvertreter sagte zu den Fällen mit Einreisesperre, einige dieser Journalisten hätten in der Vergangenheit etwa durch illegale Grenzübertritte nach Syrien gegen türkisches Recht verstoßen. Andere hätten sich bei früheren Aufenthalten verdächtig verhalten, indem sie beispielsweise als Touristen eingereist seien und dann Extremisten interviewt hätten, ohne sich bei der Regierung zu akkreditieren. Die Regierung habe "keinen Politikwechsel" in der Hinsicht vollzogen.

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