Mitterlehner kontert Kern: "Leider ein alt-linker Irrglaube"

Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner
In FAZ-Kommentar fordert SPÖ-Chef Ende der Sparpolitik, WIFO-Chef Badelt gibt Kern zu "90, 95 Prozent recht".

Ein am Montag erschienener Gastbeitrag von Bundeskanzler Christian Kern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ("Europa muss wieder gerecht werden") könnte höhere Wellen schlagen.

Kern positioniert sich in dieser von ihm selbst verfassten Grundsatz-Analyse als klarer Gegner einer allzu rigiden Sparpolitik und fordert in schönster sozialdemokratischer Tradition eine massive Ankurbelung der öffentlichen Investitionen sowie eine gerechtere Verteilung der Globalisierungsgewinne.

Die EU sei in den Augen ihrer Bürger zum Förderer einer unfairen Modernisierung geworden, die nur wenigen nütze. Sie könne das Vertrauen nur zurückgewinnen, wenn sie die Menschen vor den sozialen Verwerfungen der Globalisierung schütze, schreibt Kern. "Viele Menschen in Europa haben nachhaltig unter dieser Politik gelitten, ebenso wie ihr Glauben an das Wohlstandsversprechen der europäischen Einigung."

Die im Plan der EU-Kommission für mehr Investitionen vorgesehenen 315 Milliarden Euro seien viel zu wenig: "Selbst die Verdoppelung der Mittel wird wohl nicht genug sein", schreibt Kern, der in dem Beitrag auch auf die Flüchtlings- und Türkei-Frage näher eingeht.

Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, ist von Kerns Botschaft wenig überzeugt. Mitterlehner zum KURIER: "Neue Schulden sind das unsozialste überhaupt, weil sie von der nächsten Generation zurückgezahlt werden müssen. Das geht auf Kosten der Jugend." Und weiter: "Es ist leider ein alt-linker Irrglaube, dass Staatsgelder auf Pump automatisch alle Probleme lösen. Das ist der falsche Weg für Europa."

Der ÖVP-Chef plädiert für eine Politik, die vor allem private Investoren anlockt. Mitterlehner: "Wichtig dafür ist ein stärkeres Vertrauen in die Qualität und Zukunft des Wirtschaftsstandorts. Daran müssen wir arbeiten, in Europa und Österreich."

Anders liest Christoph Badelt, der neue Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, den FAZ-Kommentar Kerns. Badelt zum KURIER: "Ich gebe dem Kanzler zu 90, 95 Prozent recht. Der Text ist ein gerechtfertigter Weckruf. Wir brauchen wachstumsbelebende Investitionen – wobei man die Höhe der Schulden einzelner EU-Staaten natürlich nicht aus den Augen verlieren darf."

Man habe in den letzten Jahren auch sicher zu wenig über die Verlierer gesprochen, dürfe aber nicht vergessen, dass "auch der kleine Mann auf der Straße von der Globalisierung profitiert", so Badelt. Hier müsse man ein Stück weit "mehr differenzieren".

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