Mittelmeerroute: Minister beraten über Obergrenze von 20.000 Flüchtlingen

Die Innenminister europäischer und nordafrikanischer Staaten, darunter auch Innenminister Sobotka, beratschlagen über die Rückführung Illegaler aus Italien und die Zerschlagung von Schmugglerbanden. UNHCR kritisiert das Vorgehen der EU und weist Überlegungen zu einer Obergrenze zurück.

In Tunis beraten die Innenminister aus EU, Schweiz und Nordafrika über einen Plan zur Begrenzung der Anzahl der aufgenommenen Flüchtlinge von Afrika nach Europa bzw. Italien auf 20.000. Gepaart werden solle das Ganze mit einer strengeren Abschiebepraxis illegaler Migranten aus Italien und dem Zerschlagen von Schmugglerbanden. Das berichtet zumindest der Guardian.

Vorausgegangen war eine Kritik des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR an dem Vorgehen der EU. Das UNHCR sei der Ansicht, dass die EU-Anstrengungen für eine Ausbildung der libyschen Küstenwache sowie ein Verhaltenskodex für NGO-Rettungsschiffe, die im Mittelmeer operieren, des Problems nicht Herr werden, hieß es am Montag in der britischen Online-Ausgabe des Blattes.

UNHCR weist Bericht über Obergrenze zurück

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR hat den Bericht des Guardian über eine Obergrenze für Flüchtlinge aus Afrika nach Europa inzwischen allerdings zurückgewiesen. Zuvor hatte es geheißen, das Flüchtlingshochkommissariat unterstütze einen Plan mit Obergrenze. "Für Flüchtlinge kann es keine Höchstzahl geben", erklärte hingegen Ruth Schöffl vom UNHCR am Montag. "UNHCR setzt sich nicht für eine Obergrenze oder Ähnliches ein, für Flüchtlinge kann es keine Höchstzahl geben". Einen solchen Plan würde auch das UNHCR unterstützen.

Bekämpfung der Schlepper steht im Mittelpunkt

Schwerpunkt der Debatte ist außerdem, gemeinsam mit nordafrikanischen Staaten die Schlepperkriminalität zu bekämpfen. So soll die libysche Küstenwache in Nordafrika so ausgestattet sein, dass Boote mit Flüchtlingen nicht ablegen können. Darüber hinaus geht es um die Sicherung der Südgrenze. Flüchtlingsströme sollten schon aus Zentralafrika heraus in Richtung der nordafrikanischen Mittelmeerstaaten unterbrochen werden.

UNHCR: Lösung muss schon vor Libyen ansetzen

Der UNHCR-Experte Vincent Cochetel betonte, "wir müssen diese gefährlichen Reisen nach Libyen stoppen". Jede Verbesserung, die darauf abziele, den Flüchtlingsstrom auf See zu verhindern, sowie der Verhaltenskodex für NGOs "kann nicht die Lösung sein. Das Problem muss viel früher in den Ursprungsländern für die Flüchtlingsbewegung" erfolgen. "Nur ein Drittel der Migranten, die Italien erreichen, werden als international Schutzbedürftige eingestuft".

300.000 in libyschen Flüchtlingslagern

Für viele Migranten, die bereits aus Afrika heraus Libyen erreichten, sei es oft zu spät, so Cochetel. Es werde derzeit angenommen, dass 300.000 Afrikaner in libyschen Flüchtlingslagern entweder versuchten, nach Europa zu gelangen oder in Libyen Arbeit zu finden. Viele befänden sich de facto in Händen der Schmuggler. "Es hat viele verbale Bekenntnisse zum Zerschlagen der Schmugglerbanden gegeben, aber es ist wenig passiert. Viele dieser Menschenschmuggler können identifiziert werden, weil sie ihre Dienste per Facebook anbieten".

Sobotka mit dabei

Auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) nimmt an dem Treffen teil. Vertreten sind auch die Innenminister aus Italien und Deutschland sowie EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. Vertreten sind bei dem Treffen auch die Innenminister u.a. aus Frankreich, Slowenien, Malta sowie dem Nicht-EU-Land Schweiz. Von den nordafrikanischen Staaten sind nach Angaben der EU-Kommission neben Tunesien auch Ägypten und Algerien vertreten.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hatte zuletzt mit seiner Forderung nach einem Stopp des Fährverkehrs mit Flüchtlingen von italienischen Inseln zum italienischen Festland für Aufregung beim südlichen Nachbarland gesorgt. Das Thema könnte von italienischer Seite angesprochen werden.

Sobotka fordert Vorgehen gegen Schlepper

In Tunis sagte Sobotka, es müsse sichergestellt werden, dass Flüchtlinge "an die nächste sichere Anlegestelle innerhalb nordafrikanischer Gewässer gebracht" werden, um eine "Anlandung in Europa im Vorhinein zu verhindern". Schlepper schon an der nordafrikanischen Küste zu bekämpfen sei notwendig, sagte Sobotka. Allerdings müsse auch in Europa klar sein, dass nicht Wirtschaftsflüchtlinge, sondern Schutzbedürftige geschützt werden müssen.

"Wir brauchen auch die Offenheit, die bisherige Flüchtlingspolitik in Europa zu hinterfragen, um Schleppern deutliche Zeichen zu geben, dass wir nicht länger bereit sind, ihr menschenverachtendes Handeln hinzunehmen", so Sobotka. Ein System, das nicht Schutzbedürftige, sondern Wirtschaftsmigranten schütze, "ist nicht die Antwort, die wir als Europa geben sollten".

Es sei auch zentral, dass eine Rettung auf dem Mittelmeer nicht automatisch das Anlaufen eines europäischen Hafens mit sich bringen dürfe. "Vielmehr ist sicherzustellen, dass Flüchtlinge an die nächste sichere Anlegestelle innerhalb nordafrikanischer Gewässer gebracht würden, um eine Anlandung in Europa im Vorhinein zu verhindern".

Die langfristige Bekämpfung von Fluchtgründen in den Herkunftsstaaten sei wesentlich, könne aber nicht unmittelbar notwendige Maßnahmen verhindern. "Eine konsequente Rückführung von Menschen mit negativem Asylbescheid gehört hier ebenso dazu, wie der Schutz der libyschen Südgrenze, um schon Fluchtbewegungen von Zentralafrika an die Küste zu verhindern". Sobotka betonte, "die Zeit des Durchwinkens kann und darf sich nicht wiederholen". Es gebe auch die Verpflichtung, die innere Sicherheit und den Schutz der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten.

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