Milliardengeschäfte für Europas Mafia

Milliardengeschäfte für Europas Mafia
"Polykriminalität": Zertifikatebetrug, Produktfälschung und Cybercrime. Europol zieht düstere Bilanz.

Die Organisierte Kriminalität ist ein Multimilliarden-Euro-Geschäft in Europa und nimmt in ihrem Ausmaß zu." Diese beunruhigende Aussage traf der Direktor der europäischen Polizeibehörde Europol, Rob Wainwright, am Mittwoch anlässlich der Publikation des alle zwei Jahre veröffentlichten Lageberichts OCTA (Organised Crime Threat Assessment). Dabei werden die Aktivitäten mafiöser Gruppierungen und deren Auswirkungen auf die EU untersucht.

Die Zahlen sind alarmierend: Allein durch Kredit- und Bankkartenbetrug haben kriminelle Gruppierungen erstmals mehr als 1,5 Milliarden Euro in der EU eingenommen. Europol wies generell auf die Bedeutung von High-Tech-Kriminalitätsformen für die Organisierte Kriminalität hin: Cybercrime, Betrug mit Bank- und Kreditkarten, Vertrieb von Kinderpornos sowie die Film- und Videopiraterie bringen den Organisationen hohe Gewinne bei relativ geringem Risiko. Darüber hinaus werde die Rolle des Internets aber auch immer wichtiger für die Offline-Aktivitäten mafiöser Gruppen: Über das Web werden Drogen vertrieben, Menschenhandelsopfer geködert, illegale Immigration gefördert, die Versorgung mit gefälschten Gütern sichergestellt, der Schmuggel gefährdeter Arten und viele andere Kriminalitätsformen organisiert, so Europol.

Polykriminell

Die Organisierte Kriminalität dringt in immer mehr Geschäftsbereiche ein, sie wird vielfältiger in ihren Methoden, Strukturen und auch in ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft, betonte Europol. Mafiöse Gruppierungen agieren flexibler und mobiler. Sie haben sich nicht mehr nur auf eine Kriminalitätsform spezialisiert - polykriminell nannte das die Polizeibehörde. Besonders attraktiv erscheinen Delikte wie der Betrug mit CO2-Emissionszertifikaten, Kreditkartenbetrug und Produktfälschung. Die ethnischen Grenzen verschwinden immer mehr. Nationale, ethnische und geschäftliche Interessen seien zugunsten des Gewinns überwunden worden.

Einer der Hauptgeschäftszweige mafiöser Gruppen bleibt nach wie vor der Drogenschmuggel. Der Markt sei aber besonders dynamisch geworden, so Europol. Die Preise für Heroin und Kokain schwanken ebenso wie der Reinheitsgehalt der Drogen. Alarmierend: Zwischen den Drogenschmugglern und terroristischen Gruppen, namentlich der El Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM), gibt es Verbindungen.

Die Drehscheiben

Milliardengeschäfte für Europas Mafia

Im EU-Raum hat Europol fünf kriminelle Zentren ausgemacht. Vor allem der Hafen von Constanta an der rumänischen Schwarzmeerküste spielt in der südöstlichen Kriminalitätsdrehscheibe eine große Rolle. Über das Schwarze Meer wird immer mehr geschmuggelt, auch die Balkan- und Südosteuroparouten werden wichtiger. So ist Ungarn laut Europol eine wichtige Transitzone für Mafia-Gruppen geworden. Die Polizeibehörde machte auch darauf aufmerksam, dass Rumänien und Bulgarien für die Organisierte Kriminalität im Fall eines Schengen-Beitritts attraktiver werden könnten.

Im nordwestlichen Zentrum sind vor allem der Hafen von Rotterdam, der zweitgrößte weltweit, und in geringerem Ausmaß auch Hamburg, Pforten zur EU, die den Kriminellen zur Einfuhr dienen.

Die nordöstliche Drehscheibe umfasst vor allem die baltischen Staaten sowie die russische Exklave Kaliningrad mit den jeweiligen Ostseezugängen. Vor allem für den Handel mit illegalen und gefälschten Gütern sowie als Basen für europaweit agierende Verbrecherbanden ist sie wichtig.

Die südwestliche Drehscheibe, die im wesentlichen die Iberische Halbinsel umfasst und wo vor allem der Hafen von Valencia eine Rolle spielt, ist als EU-Zugang aus Westafrika und Südamerika wichtig. Schmuggel von Cannabis und Kokain sowie Menschenhandel - zum Beispiel Frauen aus der nigerianischen Region Benin City mit den Delta States - werden hier abgewickelt.

Die südliche Drehscheibe ist das Gebiet der italienischen Mafia-Organisationen, wo unter anderem der Hafen von Neapel wichtig ist. Geld- und Produktfälschung, illegale Immigration und Menschenhandel nannte Europol als Hauptgeschäftszweige. Darüber hinaus sei Süditalien eine Basis für einige der bestfinanzierten kriminellen Gruppen Europas, wie die Cosa Nostra, die 'Ndrangheta und die Camorra.

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