Merkel-Rivale verstolpert Start

Der grimmige Blick ist sein Markenzeichen, für den Kanzler reichte er aber nicht.
Der nie verlegene Verlegenheitskandidat der SPD eröffnet offiziell den Wahlkampf

Einmarsch, Klatschmarsch, Frontalunterricht“ lästerte Peer Steinbrück einst über SPD-Parteitage. Am Sonntag zehrt er selbst von diesem Ritual: Obwohl von der SPD längst zum Kanzlerkandidaten erkoren, wird er das nun auch formell durch Applaus- und Ansprachen-Anhäufung. Der CDU-Wahlkampf-Start mit DDR-artigen 98 Prozent für Parteichefin Merkel bot zumindest Gelegenheit zum Nörgeln am Programm und der Wahl ihrer Stellvertreter. Steinbrücks „Krönung“ (ARD) zielt dagegen nur auf Mobilisierung skeptischer Genossen – und viel Medienpräsenz. Beides braucht er dringend: Sein Start ins Wahljahr war sehr schwach. Es begann schon mit der Auswahl von Merkels Gegenkandidaten. Parteichef Sigmar Gabriel, 52, der natürliche Anwärter, hatte wegen hoffnungsloser Umfragewerte keine Chance. Der zögernde Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, 56, verantwortete 2009 die größte historische SPD-Niederlage. Hätte er 2013 wider Erwarten einen Erfolg gelandet, hätte das Gabriels künftige Kanzler-Chancen getrübt. Kenner sehen da das Hauptmotiv, warum Gabriel den demotivierten Steinbrück zum SPD-Kandidaten aufbaute.

Bürgerliches Image

Denn mit 65 Jahren ist er ihr Ältester aller Zeiten. Auch sonst sprach für ihn wenig außer dem bürgerlichen Image für die Wähler der Mitte. Das hatte er sich mit Lästern über die eigene Partei und mehr noch die Grünen sowie als guter Finanzminister in Merkels Großer Koalition verdient. Als Wahlkämpfer ist Steinbrück ein Loser: Wo er antrat, verlor er, zuletzt sogar den eigenen Wahlkreis gegen eine junge CDU-Frau. Die von Gabriel in diese „Troika“ aufgeschobene Entscheidung quälte die SPD über ein Jahr. Bis Steinmeier, genervt von Gabriels Sprüngen, seinen und dessen Verzicht verriet – und so nur Steinbrück übrig blieb. Seither entpuppt er sich als Problembär. Das begann mit dem Nebenverdienst als „nur mehr einfacher Bundestagsabgeordneter“ (Eigendefinition 2010). Nach dem Outing als Doch-Kandidat musste er gestehen, mit Reden und Talkshow-Auftritten seither 1,25 Millionen Euro verdient zu haben. Er tat das unwillig und nur nach Recherchen der Presse. Die bilanzierte, dass Steinbrück inklusive Buch-Honoraren den weitaus höchsten Nebenverdienst der 620 Abgeordneten generiert hatte.

Banken-Redner

Da ging es lange um die 25.000 Euro von der klammen, SPD-regierten Stadt Bochum für einen 60-Minuten-„Talk“, die er auch danach noch nicht spenden wollte. Dazu brauchte es den Druck der SPD-Zentrale. So wie für die Absage der letzten von vielen „Dinner-Reden“, diesmal in der deutschen Filiale einer Schweizer Bank, die im Zusammenhang mit Steuerhinterziehungen deutscher Kunden durchsucht wurde. Auch mit seinem Wahlkampf-Team hat Steinbrück wenig Glück: Zuerst maulten die SPD-Frauen über fehlende Geschlechtsgenossinnen. Und zuletzt verabschiedete sich sein „Internet-Berater“, weil der das zuvor für von der SPD als „Heuschrecken“ diffamierte Hedgefonds schon gemacht hatte. All das beschert Steinbrück ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, mehr noch als in der Mittelschicht im eigenen linken Flügel. Der kommentiert den angekündigten „Gerechtigkeitswahlkampf“ nur mehr mit Zynismus. Einzige echte Hoffnung der SPD: Bis September 2013 kann noch viel passieren – und vielleicht diesmal Kanzlerin Merkel. Bis dahin wird der Kandidat rituell beklatscht.

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