Merkel in Davos: Rechtspopulismus Gift für Gesellschaften

Deutsche Kanzlerin bezeichnet Vorurteile als "Einfallstor für den Rechtspopulismus". Bekenntnis zu gemeinsamer EU-Außenpolitik und Eurozonen-Reform.

Die deutsche Regierungschefin Angela Merkel hat sich für ein entschlossenes Vorgehen gegen Rechtspopulismus ausgesprochen und vor Verallgemeinerungen in der politischen Debatte gewarnt. Rechtspopulismus sei "ein Gift" für die Gesellschaft, das entstehe, wenn es ungelöste Probleme gebe, sagte Merkel am Mittwoch beim Weltwirtschaftsforum in Davos

Deutschland versuche, diese Entwicklung unter Kontrolle zu bekommen, sagte die Kanzlerin, ohne die rechtspopulistische AfD zu erwähnen. Merkel warnte davor, Vorurteile gegen Religionsgruppen wie Muslime oder ganze Völker zu schüren. "Sie müssen jeden Menschen einzeln sehen. Das ist mühselig", sagte die Kanzlerin. "Solange Sie die Individualität jeder Person nicht in den Mittelpunkt stellen, und schon Ihr Vorurteil haben, wenn jemand vor Ihnen steht, ohne dass Sie noch ein Wort mit ihm gesprochen haben, ist das Einfallstor für den Rechtspopulismus da."

Reine Abschottung hilft nicht

Merkel mahnte zugleich: "Reine Abschottung hilft nicht, um Grenzen zu schützen." Nötig seien Zusammenarbeit und Verträge mit den Nachbarstaaten sowie eine Unterstützung bei der Entwicklung in den Herkunftsländern, vor allem in Afrika.

Als Beispiel für die Entwicklung in Deutschland, wo in den vergangenen Jahren die AfD erstarkt ist, nannte Merkel die inzwischen bewältigte Eurokrise, bei der es den Eindruck gegeben habe, andere könnten auf Kosten der Deutschen leben. In der Flüchtlings- und Migrationskrise nach 2015 hätten zudem viele Menschen befürchtet, ihnen werde etwas weggenommen. "Wenn das zusammenkommt mit einer wirtschaftlichen Schwäche und einer hohen Arbeitslosigkeit, dann ist die Gefahr einfach sehr groß, dass daraus eben diese Kraft entstehen kann, die sagt: Nur noch wir selbst", sagte Merkel.

"Fehler des 20. Jahrhunderts nicht wiederholen"

In ihrer Rede warnte Merkel eindringlich vor einem Rückfall in Nationalismus und Protektionismus und kritisierte "nationale Egoismen" und "Populismus". Es müsse verhindert werden, "dass sich die Fehler des 20. Jahrhundert wiederholen", sagte sie. Konkrete Länder oder den US-Präsidenten Donald Trump, der mit seiner Strategie des "America first" einer der führenden Vertreter nationalstaatlichen Denkens ist, nannte Merkel nicht. Vielmehr machte sie deutlich, dass Deutschland und Europa vor allem die eigenen Herausforderungen meistern müssten, um als starke Partner international agieren zu können: "Wir glauben, dass Abschottung uns nicht weiterführt, dass Protektionismus nicht die richtige Antwort ist", sagte sie.

Merkel bezog deutlich für eine stärkere EU Position. "Wir müssen unser Schicksal mehr in die eigene Hand nehmen. Die einheitliche europäische Außenpolitik ist noch nicht ausreichend entwickelt." Das sei vor allem deswegen notwendig, weil ein Großteil der globalen Konflikte "vor unserer Haustür stattfindet". Als Beispiel nannte sie den Syrien-Konflikt, bei dessen Lösung die EU so gut wie gar keine Rolle gespielt habe.

Mehr Kraft durch wirtschaftliche Integration und Reformen

Zugleich drängte sie auf weitere wirtschaftliche Integrationsschritte. "Wir müssen vor allem ökonomische Stärke entwickeln", sagte Merkel. So müsse unbedingt schnell der digitale Binnenmarkt in der EU vollendet werden, weil auch die USA und China schnell voranschritten

Merkel sprach sich zudem für weitere Reformen in der EU und der Eurozone aus. Der Rettungsfonds ESM soll zu einem Währungsfonds weiter entwickelt werden, "ohne auf die ökonomische Kompetenz des IWF zu verzichten", sagte sie. "Denn wir brauchen natürlich auch die Beurteilung von außen." Zudem brauche man in der Bankenunion nach der Reduzierung der Risiken "auch eine letzte Haltelinie für Banken, um die Verquickung von Staatsschulden und Banken besser aufzulösen". Besonders wichtig sei aber, eine stärkere Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten.

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