Prozess gegen einen Toten

Der junge Anwalt Sergej Magnitski starb 2009 einen qualvollen Gefängnistod. Ein Moskauer Gericht will ihm nun den Prozess machen.

Qualvoll starb Sergej Magnitski 2009 in einem Untersuchungsgefängnis. Schon jetzt gilt der Fall des Anwalts als trauriges Symbol für Justizwillkür in Russland. Doch nun lässt der Kreml nicht einmal den Toten ruhen: Ein Moskauer Gericht will Magnitski den Prozess wegen Steuerbetrugs machen. Der Prozess hätte bereits am Montag starten sollen, wurde nun aber erneut verschoben.

Die Anwälte der Familie Magnitski argumentierten, es sei illegal, gegen einen Toten zu Gericht zu sitzen. Die Mutter des Juristen, Natalia Magnitskaja, hatte die Anwälte in einem Brief an die Moskauer Anwaltskammer gebeten, nicht an einem solchen "schändlichen" Verfahren teilzunehmen. Das Moskauer Gericht hält jedoch an dem Prozess fest und setzte den 18. Februar als nächsten Termin fest - diesmal mit Pflichtverteidigern, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldet.

Magnitski, der in Russland für die US-Anwaltsfirma Firestone Duncan arbeitete und den Investmentfonds Hermitage Capital Management beriet, war inhaftiert worden, nachdem er einen Korruptionsskandal staatlicher Stellen aufgedeckt hatte. Er wurde 2008 wegen Steuerhinterziehung festgenommen und starb nach fast einem Jahr in Untersuchungshaft.

"Sergej Magnitski war ein Anwalt, der seine Arbeit gewissenhaft erledigt hat und dafür mit dem Leben bezahlte. Sein Fall unterstreicht die tiefen Ebenen der Korruption in Russlands System der Gesetzesvollstreckung", sagt John Dalhuisen von Amnesty International. Magnitski habe in Briefen an Behörden auch immer wieder geklagt über Drohungen und über den Druck, seine Anschuldigungen zurückzuziehen und sich selbst zu belasten.

Diplomatischer Streit mit USA

Magnitskis Schicksal sorgte auch für diplomatische Irratationen mit den Vereinigten Staaten. Der US-Kongress veranlasste im vergangenen Dezember Sanktionen gegen russische Funktionäre, die für den Tod des Juristen verantwortlich sein sollen. Das russische Parlament beschloss als Reaktion darauf ein Gesetz zum Verbot von Adoptionen russischer Kinder durch US-Bürger.

Der einzige wegen Magnitskis Todes angeklagte Beamte, der damalige Vize-Direktor des Gefängnisses, Dmitri Kratow, wurde Ende Dezember von einem Gericht in Moskau für unschuldig erklärt und freigesprochen. Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin erklärt, Magnitski sei nicht an Misshandlungen, sondern an einem "Herzanfall" gestorben.

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