Krise in Mazedonien: Präsident lenkt ein
In der mazedonischen Staatskrise zeichnet sich eine Entspannung, wenn nicht gar Lösung ab: Präsident Gjorge Ivanov hat nach langer Weigerung nun doch den Chef der Sozialdemokraten (SDSM), Zoran Zaev, mit der Regierungsbildung beauftragt.
Ivanov, ein Vertrauter der bisher regierenden, nationalkonservativen Partei VMRO-DPMNE von Ex-Premier Nikola Gruevski, hatte sich seit Anfang Februar geweigert, Zaev das Regierungsmandat zu erteilen. Dabei hatte sich dieser an der Spitze einer Koalition mit drei Parteien der albanischen Volksgruppe eine klare Parlamentsmehrheit von 67 von 120 Mandaten gesichert. Ivanov wandte sich offiziell gegen das akkordierte Regierungsprogramm. Dieses würde die Einheit Mazedoniens gefährden, meinte Ivanov mit Blick auf Pläne, den Gebrauch der albanischen Sprache in den staatlichen Institutionen zu erweitern.
Druck aus EU und USA
Der Durchbruch war nach massivem Druck der EU und vor allem aus den USA möglich geworden. Es gibt seit vielen Jahren die Befürchtung der slawisch-mazedonischen Mehrheit, dass die Albaner, die zwischen 25 und 30 Prozent der zwei Millionen Einwohner stellen, für ihre Siedlungsgebiete eine Autonomie erreichen wollen. 2001 kam es in der früheren jugoslawischen Teilrepublik zu monatelanger Gewalt zwischen albanischen Rebellen und den Sicherheitskräften. Das Ohrid-Abkommen setzte dem ein Ende, den Albanern wurden schon damals mehr Rechte eingeräumt. Albaner-Parteien waren seither sowohl für die Nationalkonservativen als auch die Sozialdemokraten Mehrheitsbeschaffer.
Mazedonien steckt seit der Parlamentswahl April 2014 in einer tiefen politischen Krise. Der SDSM hatte den Wahlsieger, die VMRO-DPMNE, die seit 2006 an der Macht war, damals der Wahlmanipulation mit Wählerverzeichnissen beschuldigt, in denen sich Hunderttausende Karteileichen befunden haben sollen. Die Krise spitzte sich 2015 durch das Auftauchen zahlreicher Affären weiter zu. Als Opposition machten die Sozialdemokraten Regierungschef Gruevski für Wahlfälschungen, Korruption, eine Massen-Abhöraffäre und die Gängelung der Medien verantwortlich.
Sturm auf Parlament
Zuletzt eskalierte die Lage nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember. Die Nationalkonservativen wurden zwar wieder stärkste Partei, fanden aber keine Koalitionspartner mehr. Als die neue Parlamentsmehrheit den Albaner Talal Xhaferi von der Demokratischen Integrationsunion (DUI) - davor Regierungspartnerin Gruevskis - zum neuen Parlamentspräsidenten wählte, stürmten Anhänger der VMRO-DPMNE das Parlament. Gut 100 Personen wurden verletzt, darunter acht Abgeordnete.
Ohne Immunität und Einflussmöglichkeiten müssen Gruevski und seine engsten Mitarbeiter Gefängnis fürchten. Ihnen wird auch von einer Sonderstaatsanwaltschaft schwere Kriminalität, Korruption, die Bespitzelung Zehntausender unbescholtener Bürger und die Gängelung von Medien und Justiz vorgeworfen.
Unterdessen haben sich Anhänger der VMRO-DPMNE an das Verfassungsgericht mit dem Antrag gewandt, die Wahl Xhaferis zum Parlamentspräsidenten zu prüfen. Nach Meinung der Organisation "Für ein gemeinsames Mazedonien" war seine Wahl nicht im Einklang mit der Verfassung. Die nicht-staatliche Organisation hatte wochenlang Proteste in Skopje und anderen mazedonischen Städten gegen die neue Parlamentsmehrheit um den Sozialdemokraten Zaev organisiert.
Prozess gegen VMRO-Anhänger
Am Donnerstag beginnt in Skopje ein erster Prozess gegen neun Anhänger der VMRO-DPMNE, die am 27. April am Sturm auf das Parlament beteiligt waren. Ihnen wird Mitgliedschaft in einer gewalttätigen Gruppe angelastet. Insgesamt wurden Ermittlungen gegen 30 mutmaßliche Gewalttäter aufgenommen, von denen sich zwei unter dem Vorwurf des versuchten Mordes in Untersuchungshaft befinden.
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