May: EU-Politiker wollen britische Wahl beeinflussen

Premierministerin Theresa May
"Bestimmte Leute in Brüssel wollen keinen Erfolg der Verhandlungen", sagt die britische Premierministerin.

Wenige Wochen vor den Unterhauswahlen und dem Beginn der Brexit-Verhandlungen verschärft sich der Streit zwischen der Regierung in London und der EU-Kommission. Die britische Premierministerin Theresa May warf am Mittwoch nicht näher genannten EU-Vertretern vor, die Parlamentswahlen am 8. Juni beeinflussen zu wollen.

"Es gibt einige in Brüssel, die die Brexit-Gespräche nicht zum Erfolg bringen wollen", sagte sie am Mittwoch in London. EU-Chefunterhändler Michel Barnier und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchten zuvor, die Wogen zu glätten: Barnier sagte, bei den im Juni beginnenden Verhandlungen über den EU-Austritt gehe es nicht darum, Großbritannien zu bestrafen. Juncker sagte, er respektiere May sehr, die er als "zähe Dame" kennengelernt habe.

Davon zeigte sich May nach einer Audienz bei Königin Elizabeth unbeeindruckt. In den vergangenen Tagen sei in der kontinentaleuropäischen Presse die Verhandlungsposition ihrer Regierung für die anstehenden Brexit-Gespräche fehlinterpretiert worden. "Die Position der EU-Kommission hat sich verhärtet und Drohungen gegen Großbritannien wurden von europäischen Politikern und Vertretern ausgesprochen." All dies sei zeitlich absichtlich so gesetzt worden, um das Ergebnis der Wahlen zum Unterhaus zu beeinflussen, sagte May.

Mehr als 100 Milliarden Euro?

Anlass des zwischen EU-Partnern ungewöhnlich scharfen Schlagabtauschs war unter anderem ein Bericht der "Financial Times", wonach die EU Großbritannien beim Brexit mehr als 100 Milliarden Euro in Rechnung stellen könnte - eine Zahl, die allerdings von der EU nicht bestätigt wurde. Zudem hatten Informationen aus der EU-Kommission in London Empörung ausgelöst, wonach May sich Illusionen über positive Folgen des Brexits mache und "in einer anderen Galaxie" lebe.

Nach den jüngsten Prognosen liegen die regierenden Konservativen weit vor der Labour-Partei bei der Parlamentswahl im Juni. Mit ihr als Regierungschefin könne der Brexit zu wirtschaftlichem Wachstum führen, so May. Bei einem Wahlsieg der oppositionellen Labour-Partei mit Jeremy Corbyn bekäme Großbritannien eine "Koalition des Chaos".

Zuletzt war es zu Verstimmungen zwischen Brüssel und London gekommen, nachdem die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) über Details eines Abendessens zwischen May und Juncker berichtet hatte. Dem Bericht zufolge war Juncker nach dem Essen in London weitaus skeptischer über das Zustandekommen eines Brexit-Deals.

Gleichwohl beharrte der Franzose darauf, dass der EU-Austritt für Großbritannien nicht umsonst sei. Als Beispiele für die britischen Verpflichtungen nannte er finanzielle Vereinbarungen im Rahmen des EU-Budgets von 2014 bis 2020, die EU-Hilfe über drei Milliarden Euro für Flüchtlinge in der Türkei, die wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine oder Mittel bei der Europäischen Investitionsbank.

Der aus den Savoyer Alpen stammende Barnier sagte, er teile mit May die Leidenschaft für Bergwanderungen. Mit Verweis auf die Brexit-Gespräche ergänzte er: "Wenn Sie das Wandern in den Bergen mögen, müssen Sie lernen, einen Fuß vor den anderen zu setzen." Zudem müsse man sich die Kraft gut einteilen und das Ziel des Gipfels nicht aus den Augen verlieren. May hatte in einem früheren Interview gesagt, dass sie den Entschluss für Neuwahlen bei einer Wanderung in Wales gefällt habe.

Barnier forderte einen "kühlen Kopf" und ein lösungsorientiertes Vorgehen in den anstehenden Gesprächen. Er habe das Gefühl, dass sich diejenigen, die er in London getroffen habe, der Schwierigkeiten in den Austrittsgesprächen bewusst seien. Der Franzose und Davis dürften im Juni in den Verhandlungen aufeinandertreffen, falls der Brite seinen Posten als Brexit-Minister nach den Unterhauswahlen behält. Barnier stellte erste Gespräche über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien in Aussicht, falls in der ersten Phase der Verhandlungen bis zum Herbst diesen Jahres signifikante Fortschritte erzielt werden. Die britische Regierung strebt mit der Union nach dem Brexit ein umfassendes Freihandelsabkommen an.

Wie viel müssen die Briten eigentlich für den Brexit zahlen? Mehr dazu lesen Sie hier.

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