Mandela ist "mein Superheld"

Sello Hatang mit Kindern in einer Wiener Volksschule
Vor dem 100. Geburtstag der südafrikanischen Freiheitsikone warb ein Ex-Mitarbeiter in Wiener Schulen für "Madibas" Erbe.

"Mich begeistert an Nelson Mandela, dass er seinen Traum für Gerechtigkeit nie aufgegeben hat. Dafür ist er sogar 27 Jahre im Gefängnis gesessen. Das ist fast das Dreifache von meinem Alter", sagt der eloquente zehnjährige David. Wie die meisten seiner Kollegen in der Mehrstufenklasse der Volksschule in der Vereinsgasse in Wien-Leopoldstadt ist er gut vorbereitet auf diesen Vormittag – mit gutem Grund: Sello Hatang, der Vorstandschef der Nelson-Mandela-Stiftung, ist gekommen, um auch hier in Österreich und ganz Europa die Vorarbeit zu leisten für das kommende Jubiläumsjahr. Da wäre die südafrikanische Freiheitsikone 100 Jahre alt geworden.

"Ihr könnt jetzt berühmt werden", spornt Hatang die Buben und Mädchen an. Denn rund um den Globus sind Schüler aufgerufen, Briefe an den verstorbenen Friedensnobelpreisträger zu schreiben. Die Foundation sammelt die Beiträge, die besten und originellsten werden 2019 in Buchform veröffentlicht – alle anderen auf der Homepage (www.nelsonmandela.org). "Ich habe ihm geschrieben, dass ich es toll finde, wie er das alles geschafft hat. Für mich ist er der netteste Mensch, den ich kenne, obwohl ich ihn selbst ja nie kennengelernt habe. Er ist mein Superheld", verrät der indisch-stämmige Dilshaan, 10.

"Um Leben und Tod"

"Bei ihm ging es um Leben und Tod", weiß Lina, "er hat sein Leben geopfert, dass Schwarze und Weiße gleich sein können. Ich hätte das nicht geschafft", sagt die Neunjährige noch und lächelt. Aber gelernt habe sie von Mandela, dass sie einen Streit mit ihrer Freundin jetzt gelassener hinnehme, weil es Wichtigeres gebe.

"Kinder haben einen Zugang zur Welt, den wir Erwachsene verloren haben", begründet Hatang seinen Gang in die Grundschulen, um dort die Werte "Madibas" ("Väterchen"), wie Mandela in seiner Heimat genannt wird, zu verbreiten: Gerechtigkeit, Versöhnung, Frieden. "Ihr müsst euch vorstellen, als er begann, sich politisch zu engagieren, durften Schwarze und Weiße nicht einmal denselben Gehsteig benützen." Dass man das Apartheid nenne, wie Hatang in die Klasse fragt, wissen die Kinder. "Sie durften nicht einmal gemeinsam spielen", sagt ein Mädchen.

Die beiden Lehrerinnen Marissa Bosch, 33, und Iris Schuster, 31, haben wirklich ganze Arbeit geleistet – die Kleinen sind passable Mandela-Kenner. Und das kommt nicht von ungefähr: Marissa Bosch ist gebürtige Südafrikanerin, die erst im Alter von elf Jahren nach Europa kam.

Lehrerin aus Südafrika

Doch für die Weiße ist die Thematik keine unproblematische. "Bis zu dem Zeitpunkt, als wir weggingen, war Mandela für mich ein Terrorist. So wurde es uns beigebracht", sagt sie offen. Erst hier habe sie – nach einem anfänglichen "Schock" – eine andere Sichtweise entwickelt. Heute fühlt sich die groß gewachsene Frau "verantwortlich dafür, was meine Vorfahren gemacht haben". Und "Madiba" sei für sie jetzt ein "Vorbild", weil er die Trennung von Weiß und Schwarz beendet habe.

Drei Jahre „durfte“ Sello Hatang, wie er sich ausdrückt, noch gemeinsam mit Nelson Mandela in dessen gleichnamiger Stiftung arbeiten. „In seiner Gegenwart fühlte sich jeder richtig groß, weil ,Madiba‘ jedem, wirklich jedem das Gefühl gab, groß und wichtig zu sein“, sagt der Vorsitzende der Foundation anlässlich seines Besuches in Wien. Das Erbe des südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers lebendig zu halten, sieht Hatang als seine wichtigste Aufgabe – zumal die Freiheitsikone am 18. Juli 2018 einhundert Jahre alt geworden wäre.
„Das Jubiläum wollen wir nutzen, die drei Säulen unserer Stiftung besser zu veranschaulichen – Demokratie, Freiheit, Menschenrechte. Wir haben die Verantwortung, weltweit für eine bessere, gerechtere Gesellschaft einzutreten, die sich vor allem um die Schwächsten kümmert. Gegen Rassismus, Ungleichheit, Armut“, sagt Hatang zum KURIER. Neben der Arbeit mit Kindern werde es in vielen Ländern kommendes Jahr Ausstellungen, Veranstaltungen, Musikevents zu Ehren Mandelas geben – in Österreich sei ein klassisches Konzert geplant.

Schattenseiten

Ob der „Vater der Nation“ fast ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Apartheid zufrieden mit dem Zustand Südafrikas sein würde, will der Reporter wissen. Sello Hatang zieht eine gemischte Bilanz: „Es muss bei uns niemand mehr verhungern. Und die Basis, aus der Armutsfalle zu entrinnen, wurde gelegt, etwa durch eine Wohnbauinitiative oder das Sozialsystem.“ Außerdem habe man absolute Meinungs- und Pressefreiheit.
Doch der Stiftungsvorstand weist auch auf die nach wie vor vorhandenen Schattenseiten hin. „Ein Viertel meiner Landsleute geht noch immer hungrig zu Bett, jedes zweite Kind ist mangelernährt, die Arbeitslosigkeit ist hoch.“ Das alles sei natürlich schwierig für eine demokratische Entwicklung. Mandela, meint Hatang zu wissen, würde sagen: „Das besorgt mich sehr.“

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