Herkules-Aufgabe für neuen Staatschef

Schwierige Wahlen: Sorgen wegen angespannter Sicherheit, Flüchtlingen, Regenzeit und Ramadan.

Die Provinz Kidal im Norden von Mali, halb so groß wie Deutschland. Vor gut sechs Monaten wüteten hier noch Islamisten der übelsten Sorte. Ihre rigide Auslegung der Scharia, des muslimischen Rechtskodex, führte dazu, dass Steinigungen (für Ehebrecherinnen) oder Handamputationen (für Diebe) an der Tagesordnung standen. Die „Gotteskrieger“ mit Kontakten zu El Kaida verbreiteten nicht nur in Kidal Angst und Schrecken, sondern im gesamten Norden Malis. In Timbuktu – die Stadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe – zerstörten sie Mausoleen und alte Schriften von unschätzbarem Wert.

2012 hatten die Dschihadisten das Machtvakuum ausgenutzt, das nach einem Militärputsch in der Hauptstadt Bamako entstanden war, und die Region mithilfe der Tuareg unter ihre Kontrolle gebracht. Diese schickten die Extremisten dann – buchstäblich – in die Wüste. Erst eine französische Militärintervention beendete den Spuk. Zunächst.

Von Normalität kann keine Rede sein: Der Gouverneur von Kidal ist erst zu Monatsbeginn wieder in seinen Amtssitz eingezogen; zurückgekehrte separatistische Tuareg-Rebellen fordern in der Stadt immer wieder die Zentralgewalt heraus; die Sicherheitslage ist angespannt; am vergangenen Wochenende befreiten französische Soldaten in Nord-Mali vier verschleppte Wahlhelfer und einen Vize-Bürgermeister.

Prekäre Ausgangslage

Herkules-Aufgabe für neuen Staatschef
Dennoch soll am Sonntag bei landesweiten Wahlen ein neuer Präsident gekürt werden. Dessen Herkules-Aufgabe: Das Land aus dem Chaos führen. Politische Beobachter meinen, der Urnengang komme zu früh. Rathäuser, Polizeistationen, Meldeämter sind zerstört, Akten teils verschwunden, teils verbrannt. „Die größte Herausforderung ist es, die knapp sieben Millionen Stimmberechtigten mit Wahlkarten zu versorgen“, so der Leiter der Wahlkommission, Mamadou Diamoutani. Kein Wunder: Mali ist weit größer als Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. Und die meist desolaten Straßen sind jetzt in der Regenzeit oft unpassierbar. Dazu kommt, dass laut Diamoutani „800.000 Menschen vertrieben wurden und teilweise im Ausland als Flüchtlinge leben“. Viele von ihnen werden keine Chance zur Stimmabgabe haben.

„All das könnte dazu führen, dass das Wahlergebnis angefochten wird“, meint der Politologe Bello Oladiran vom Südafrikanischen Institut für Internationale Beziehungen. Auch Andrea Kolb schließt in ihrem „Länderbericht Mali“ für die Konrad Adenauer Stiftung nicht aus, dass „die Wahlen eine neue Krise verursachen könnten“.

In Wahrheit gibt es diese bereits. Der aussichtsreiche Präsidentschaftsbewerber Tiebele Drame hat seine Kandidatur zurückgezogen: „Die Bedingungen für eine faire Wahl sind nicht gegeben, besonders in Kidal.“

Somit treten 26 Männer und eine Frau für das höchste Amt im Staat an. Sollte keiner die absolute Mehrheit erlangen, kommt es am 11. August zur Stichwahl. Wobei die Beteiligung an Urnengängen in Mali traditionell niedrig ist, diesmal könnte sie noch geringer ausfallen. Das hat neben dem Sicherheitsaspekt zwei weitere Gründe: In der Regenzeit muss die vorwiegend in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung die Saat ausbringen. Und im Ramadan, in dem die Gläubigen erst nach Sonnenuntergang essen und trinken dürfen, sind viele gerade in heißen Wüstengegenden stark geschwächt – sie könnten sich den Weg zur Urne ersparen.

Mangelhaft vorbereitet

Mit den hastig und „mangelhaft“ vorbereiteten Wahlen, wie selbst UN-Chef Ban Ki-moon einräumt, setzen die UNO, USA, EU und vor allem Frankreich alles auf eine Karte – sie hatten auf den frühen Termin gedrängt und Hilfszahlungen davon abhängig gemacht. Doch schon im Mai hatte Übergangspräsident Dioncounda Traore gewarnt: „Falls die Wahlen scheitern, wird Mali noch mehr Probleme haben. Dann müssen wir wieder bei null anfangen.“

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