Behörden finden immer mehr Flüchtlingsgräber

Menschenhändler in Südostasien am Werk. Länder der Region mobilisieren jetzt.

Skrupellose Schlepper haben in Südostasien womöglich Hunderte Flüchtlinge und Migranten ermordet oder sterben lassen. In Malaysia entdeckte die Polizei in Padang Besar an der Grenze zu Thailand 139 Gräber mit teilweise mehr als zwei oder drei verscharrten Leichen, sowie an andren Orten 28 von Schleusern eingerichtete Lager für hunderte Menschen (mehr dazu).

Bei den Opfern handelt sich offenbar um Angehörige der in ihrer Heimat Myanmar (Burma) verfolgten muslimischen Minderheit der Rohingya oder Menschen aus Bangladesch. "Wir wissen noch nicht, wie viele Leichen es sind", sagte Polizeichef Khalid Abu Bakar am Montag.

Die Leichen würden nun exhumiert und untersucht. In einem der entdeckten Flüchtlingslager könnten bis zu 300 Menschen gelebt haben. Ein weiteres Lager habe etwa hundert Menschen fassen können, die übrigen jeweils 20.

Regierungschef Najib Razak zeigte sich schockiert. "Wir werden die Verantwortlichen finden", kündigte er auf Twitter an. Die malaysische Regierung hatte die Existenz von Flüchtlingslagern auf ihrem Staatsgebiet bisher abgestritten. Razak erklärte, er sei "tief beunruhigt" über den Fund.

Korruption

Menschenrechtler gaben den malaysischen Behörden eine Mitschuld an der Flüchtlingstragödie. Der Menschenhandel werde durch korrupte Grenzbeamte begünstigt, sagte Aegile Fernandez von der Aktivistengruppe Tenaganita. "Ich bin überzeugt davon, dass die Polizei die kriminellen Netzwerke kennt. Entscheidend ist, ob sie den Willen hat, sie zu stoppen." Polizeichef Khalid wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Er verwies lediglich darauf, dass die Lager in einer abgelegenen Bergregion errichtet worden seien, die nur in einem mehrstündigen Fußmarsch zu erreichen sei.

Ministerpräsidentin: Flüchtlinge "geistig krank"

Am Sonntag äußerte sich Bangladeschs Ministerpräsidentin Sheikh Hasina mit drastischen Worten zu der Flüchtlingskrise. Die aus ihrem Land flüchtenden Menschen bezeichnete sie als "geistig krank". Es gebe genügend Arbeit in Bangladesch, sagte sie der staatlichen Nachrichtenagentur Sangbad Sangstha. "Sie schaden dem Image Bangladeschs auf der internationalen Bühne." Sowohl Menschenhändler als auch diejenigen, die illegal das Land zu verlassen suchten, müssten bestraft werden.

Papst Franziskus äußerte sich "äußerst beunruhigt" über das Schicksal der Bootsflüchtlinge in Südostasien. Er appellierte an die internationale Gemeinschaft, den Betroffenen "die nötige humanitäre Hilfe" zukommen zu lassen.

Erpressung

Mit dem Fund der Massengräber bekommt das jüngste Flüchtlingsdrama in Südostasien mit Tausenden Notleidenden auf überfüllten Fischerbooten eine beispiellose Verbrechensdimension. Überlebende und Zurückgebliebene hatten berichtet, das sie oder ihre teils minderjährigen Kinder von Schleppern mit dem Versprechen auf Boote gelockt wurden, sie würden nach Malaysia eingeschleust und könnten dort gute Arbeit finden. Menschenhändler verfrachten viele Leute aber in Wirklichkeit in Camps und erpressen ihre bitterarmen Familien, für die Passage oder Freilassung Geld zu zahlen.

Die Entdeckung von mehr als zwei Dutzend verscharrten Leichen in Südthailand hatte das Flüchtlingsdrama auf hoher See Ende April verschärft. Die Polizei griff mit Razzien gegen Menschenhändler durch, die sich dann nicht mehr trauten, die Leute an Land zu bringen. Einige der Lager in Malaysia sollen mehr als fünf Jahre bestanden haben, sagte Innenminister Ahmad Zahid Hamidi.

Schwierige Suche

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht davon aus, dass noch mehrere Tausend Flüchtlinge auf hoher See driften, auch wenn die Marinen Malaysias und Indonesiens nach eigenen Angaben keine Flüchtlingsboote finden. "Das Gebiet ist riesig, dort sind 100.000 Fischerboote unterwegs", sagt IOM-Sprecher Joe Lowry. "Darunter das Dutzend mit Flüchtlingen zu finden, ist schwierig."

Rund 3.000 Menschen sind seit Anfang Mai in Malaysia und Indonesien an Land gekommen. Lowry warnte vor einer weiteren menschlichen Katastrophe. "Die, die vergangene Woche Indonesien erreichten, waren in desolatem Zustand", sagte Lowry.

Mehr als 130.000 Rohingya leben seit blutigen Unruhen 2012 in Myanmar in Internierungslagern. Die Regierung verweigerten ihnen grundlegende Versorgung. Im Nachbarland Bangladesch fliehen viele aus einem Teufelskreis tiefer Armut. Bei einer internationalen Konferenz in Thailand mit 17 Teilnehmerländern soll am Freitag erörtert werden, wie den Menschenhändlern das Handwerk gelegt werden kann.

Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit im buddhistischen Myanmar (Burma) in Südostasien. Die Behörden verweigern ihnen die Staatsbürgerschaft, obwohl ihre Familien teils seit mehr als 150 Jahren dort leben. Die britischen Kolonialherren brachten diese einst aus dem heutigen Bangladesch an den Golf von Bengalen. Ihre Zahl wird auf rund eine Million geschätzt.

Seit dem Ende der Militärdiktatur in Myanmar 2011 schüren buddhistische Mönche den Hass auf die Muslime. Bei schweren Unruhen 2012 kamen mehr als 70 Menschen um; 140.000 Rohingya wurden aus ihren Häusern vertrieben und von den Behörden in Lager gepfercht. Viele leben dort bis heute hinter Stacheldraht.

Zehntausende haben schon versucht, mit Hilfe von Schleppern über die Andamanensee ins muslimische Malaysia zu gelangen. Viele wurden aber wie Sklaven zur Arbeit auf thailändischen Fischerbooten gezwungen. Andere wurden im Dschungel gefangen gehalten und erpresst. In Malaysia werden viele als rechtlose illegale Migranten ausgenutzt.

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