Parlamentswahl: Macrons Partei vor Rekord-Mehrheit

Emmanuel Macron auf einer Veranstaltung in Paris, 15. Juni 2017
Umfrage sieht für Partei "La Republique en Marche" bis zu 470 der insgesamt 577 Mandate in Reichweite.

Die Partei des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron könnte bei der zweiten Runde der Parlamentswahl am Sonntag eine Rekord-Mehrheit in der Nationalversammlung gewinnen. Eine am Donnerstag veröffentlichte Opinionway-Umfrage ergab für die Partei La Republique en Marche und ihre Verbündeten zwischen 440 und 470 der insgesamt 577 Parlamentssitze.

Für Republikaner und Sozialisten wäre dies nach der Präsidentenwahl im Mai ein weiterer Tiefschlag. Beide hatten die Politik in Frankreich über Jahrzehnte dominiert.

Das konservative Lager um die Republikaner kommt laut Umfrage auf 70 bis 90 Sitze. Die Sozialisten, die bis zur Wahl Macrons mit Francois Hollande den Präsidenten stellten, erhalten demnach noch 20 bis 30 Sitze. Die radikale Linke erringt fünf bis 15 Sitze, der rechtsextreme Front National einen bis fünf Sitze.

Die Wahlbeteiligung wird auf rund 46 Prozent geschätzt. Sie wäre damit niedriger als in der ersten Runde vor einer Woche.

Emmanuel Macron kann sich auf einen wundersamen Zuwachs freuen. In der ersten Runde der Parlamentswahl erzielte das Bündnis des französischen Präsidenten 32 Prozent - und könnte nach dem zweiten Wahlgang am Sonntag mit rund 430 Abgeordneten eine Drei-Viertel-Mehrheit stellen. Umgekehrt kam die rechtspopulistische Front National im ersten Wahlgang auf 13 Prozent, dürfte letztlich aber weniger als fünf Sitze in der Nationalversammlung gewinnen.

Grund für diese Verzerrung ist das in Frankreich geltende Mehrheitswahlrecht in zwei Runden. Dieses begünstigt große Parteien, weil in einem Wahlkreis immer nur ein Kandidat gewinnen kann - tendenziell ein Vertreter einer großen Partei. Kandidaten kleiner Parteien haben eigentlich nur eine Chance, wenn sie Bündnisse mit anderen Gruppierungen eingehen oder in ihrem Wahlkreis außergewöhnlich bekannt und beliebt sind.

Allgemein erleichtert das Mehrheitswahlrecht stabile Regierungsmehrheiten ohne mühsame Koalitionsbildung. Ein Argument, das gerne von französischen Politikern angeführt wird. Es wird aber immer wieder als nicht repräsentativ und damit undemokratisch kritisiert. Nicht nur haben die kleinen Parteien weniger Chancen - auch fallen die Stimmen für die unterlegenen Kandidaten in jedem Wahlkreis unter den Tisch.

Das Verhältniswahlrecht bildet den Wählerwillen viel genauer ab. Dabei werden die Wählerstimmen für eine Partei proportional auf die Parlamentsmandate umgelegt. Ein Beispiel: Mit den 32 Prozent des ersten Wahlgangs käme Macrons Bündnis rein rechnerisch auf weniger als 200 Abgeordnete. Das wäre weit entfernt von der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen.

Mit dem Mehrheitswahlrecht werde "die Realität komplett verzerrt", kritisiert der Verfassungsrechtler Dominique Rousseau. Es wirke so, als würden fast alle Franzosen für das Macron-Lager stimmen. Kleinere Parteien fordern schon seit langem eine Reform.

In der Vergangenheit haben sowohl der konservative Staatschef Nicolas Sarkozy als auch sein sozialistischer Nachfolger François Hollande versprochen, zumindest einen Teil der Abgeordneten nach dem Verhältniswahlrecht wählen zu lassen. Geschehen ist dies aber nicht. Nicht nur profitierten die beiden großen Traditionsparteien bisher vom reinen Mehrheitswahlrecht. Es bildet auch einen wirksamen Damm gegen die Front National, der den anderen anderen Parteien sehr willkommen ist.

Nur 1986 wurde die Nationalversammlung nach dem Verhältniswahlrecht gewählt - die Front National gewann damals 35 Abgeordnetensitze. Ein weiteres Beispiel sind die Europawahlen, bei denen auch in Frankreich das Verhältniswahlrecht gilt. Bei den Europawahlen 2014 wurde die Front National mit knapp 25 Prozent erstmals stärkste Kraft des Landes.

Macron, der die Nationalversammlung auch um rund ein Drittel verkleinern will, hat versprochen, künftig bei der Parlamentswahl eine "Dosis" des Verhältniswahlrechts einzuführen. Konkret ist er aber noch nicht geworden. Und vielleicht überlegt er es sich noch einmal anders - jetzt, da er die Vorzüge des Mehrheitswahlrechts voll auskosten kann.

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