Aufatmen in EU, aber keine Verschnaufpause in Frankreich

Auf Emmanuel Macron warten eine Reihe dringender Reformen. Zunächst muss er aber noch einmal als Wahlkämpfer ran.
  • Emmanuel Macron hat die französische Präsidentschaftswahl mit 66,1 Prozent der Stimmen gewonnen.
  • Der 39-Jährige steht für einen proeuropäischen, wirtschaftsliberalen Kurs. Sein Programm ist allerdings in vielen Punkten noch unklar, auch er sparte im Wahlkampf nicht mit Kritik an der EU.
  • Der ehemalige Wirtschaftsminister muss sich schnell in seine Rolle einfinden. Im Juni sind Parlamentswahlen und Macron hat keine schlagkräftige Partei hinter sich.
  • Nur so kann er jedoch sein Versprechen, Frankreich mit einem pro-europäischen, liberalen Kurs "weder rechts, noch links" aus der Krise zu führen, auch einlösen.
  • Macron wird sein Amt am kommenden Sonntag antreten. Seine erste Auslandsreise wird ihn wohl nach Berlin führen. "Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass wir gut zusammenarbeiten werden", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag.

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Ganz alleine, begleitet nur von Beethovens „Ode an die Freude“, schreitet Emmanuel Macron gestern Abend durch den abgesperrten Hof des Louvre. Es ist ein langer Weg bis vor die weltberühmte Glaspyramide, wo seine Anhänger schon zu Tausenden auf ihn warten. Macron lässt sich Zeit, setzt jeden Schritt bedächtig. Kein Winken, kein Lächeln, nur ein ernster Blick. Drei lange Minuten, eine Ewigkeit für eine TV-Übertragung, verfolgen ihn die Fernsehkameras bei seinem Weg. Erst ganz zum Schluss, als er schon auf den Treppen der imposanten Bühne steht, kommt es wieder zurück, das smarte Lächeln des 39-Jährigen, das die Franzosen so gut aus dem Wahlkampf kennen.

Aufatmen in EU, aber keine Verschnaufpause in Frankreich
French president-elect Emmanuel Macron arrives to deliver a speech at the Pyramid at the Louvre Museum in Paris on May 7, 2017, after the second round of the French presidential election. Emmanuel Macron was elected French president on May 7, 2017 in a resounding victory over far-right Front National (FN - National Front) rival after a deeply divisive campaign, initial estimates showed. / AFP PHOTO / Philippe LOPEZ

Zwei Stunden ist es da gerade her, dass das Wahlergebnis bekannt gegeben wurde. Und langsam sickert die Gewissheit: Auf den Wahlkämpfer Macron, der mit seinem kämpferisch-jugendlichen Auftreten 66,1 Prozent der Franzosen überzeugen konnte, warten harte Zeiten als Präsident.

Denn obwohl ihn die Franzosen mit einer in dieser Höhe letztlich auch überraschenden Deutlichkeit zum 25. Präsidenten der Französischen Republik gewählt haben, eine Wahl aus Begeisterung war es nicht. Jeder vierte Franzose enthielt sich seiner Stimme, zwölf Prozent stimmten ungültig. Nur 20 der 47 Millionen Stimmberechtigten stimmten für ihn – und davon nur rund 52 Prozent (laut Umfragen), um Marine Le Pen zu verhindern. Das Misstrauen gegen das politische System sitzt tief. Bei Protesten in Paris wurden in der Nacht auf Montag 141 Menschen festgenommen. Sie hatten sowohl gegen Macron, als auch gegen Le Pen demonstriert.

So sehr Macrons Sieg im Rest Europas für kollektives Aufatmen sorgte – Glückwünsche von Angela Merkel über Christian Kern und EU-Ratspräsident Donald Tusk waren schnell zur Stelle – so schwierig ist also die Aufgabe, die nun in Frankreich auf ihn wartet. Doch jetzt, da er auf der großen Bühne steht, auf der sich Emmanuel Macron so wohl fühlt, ist keine Zeit für Bescheidenheit.

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Der Platz, den sich Macron für seine Ansprache ausgesucht hat, könnte symbolischer nicht sein. Normalerweise feiern die Sozialisten einen Wahlsieg an der Bastille, jenem Platz, an dem die französische Revolution ihren Ausgang nahm, die Konservativen am Place de la Concorde. Der parteilose Macron hat sich für den Louvre, wo früher Frankreichs Könige residierten, entschieden.

Optimismus

Frankreich habe ein neues Kapitel seiner Geschichte aufgeschlagen, sagt er. "Die Aufgabe ist gewaltig." Aber: "Wir werden Frankreich seinen Optimismus zurückgeben", ruft er seinen Anhängern zu. Positive Töne für ein verunsichertes Land. Macron verspricht eine Erneuerung der verkrusteten französischen Politik. Und: Er wolle alles tun, damit Wähler in Zukunft nicht mehr für die Front National (FN) stimmen. Die Wähler der rechtspopulistischen FN-Kandidatin Marine Le Pen hätten "Wut, Verunsicherung, manchmal Überzeugungen" ausgedrückt, sagt Macron. "Ich respektiere sie. Aber ich werde in den fünf kommenden Jahren alles tun, damit sie keinen Grund mehr haben, für Extreme zu stimmen."

Um dieses Vorhaben auch einlösen zu können, müsste er als Präsident wohl zahlreiche Reformen angehen.

  • Die Arbeitslosigkeit in Frankreich ist mit 10 Prozent doppelt so hoch wie in Österreich. Bei den Jugendlichen liegt sie gar bei 23,6 Prozent.
  • Frankreichs Wirtschaft schwächelt nach wie vor, die Konjunktur hinkte in den vergangenen drei Jahren der Eurozone hinterher. Im März wuchs die Wirtschaft nur um 0,3 Prozent.
  • Die Proteste gegen die Arbeitsmarktreform im Jahr 2016 haben gezeigt: Die Franzosen lieben keine Reformen, auch wenn Präsident Hollande erste Erfolge verzeichnen konnte. Macron will die Arbeitsmarkt-Regeln noch im Juli per Dekret "vereinfachen", wie er sagt, und innerbetriebliche Abkommen für eine flexiblere Arbeitszeit-Gestaltung zuzulassen. Die Gewerkschaften drohen aber schon jetzt mit Kampfmaßnahmen.
  • All diese Probleme erwähnte Macron in seiner Rede nicht. Nur dieses Thema sparte er nicht aus: Den Terror, dessen Bekämpfung er als eine Hauptaufgabe sieht. Frankreich wird seit 2015 von einer Terrorwelle erschüttert, knapp 240 Menschen wurden ermordet.

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Wahlkampf geht weiter

Zunächst ist Macron aber noch einmal in jener Rolle gefragt, in der er sich zuletzt so wohl gefühlt hat. Bereits im Juni finden die Parlamentswahlen statt. Bis dahin muss Macron nicht nur eine Regierung ernennen, er muss auch seine Bewegung „En Marche!“ in eine funktionierende Partei verwandeln. Dass ihm dabei dasselbe Kunststück gelingt wie bei der Präsidentenwahl und er gleich beim ersten Antreten die Mehrheit für sich gewinnen kann, gilt als unwahrscheinlich. Der neue Präsident müsste dann also voraussichtlich einen Premier aus einer anderen Partei auswählen. Dass eine solche, „Kohabitation“ genannte Zusammenarbeit nicht reibungslos verläuft, darf angenommen werden. Ganz ohne eigene politische Rückendeckung im Parlament wird Macron, trotz der weitreichenden Befugnisse, die die französische Verfassung dem Amt des Präsidenten einräumt, auf Dauer nicht vernünftig regieren können.

Am kommenden Sonntag steht aber noch die offizielle Amtsübergabe an. Bereits heute stand Macron dem noch amtierenden Präsidenten François Hollande zur Seite. Die beiden hielten am Montag für eine Schweigeminute am Grab des unbekannten Soldaten unter dem Pariser Triumphbogen inne. Die Zeremonie ist Tradition am französischen Feiertag zum Sieg über Nazi-Deutschland, das am 8. Mai 1945 kapituliert hatte.

Kommentar: Dämpfer für die Rechten

Aufatmen in EU, aber keine Verschnaufpause in Frankreich
Marine Le Pen, French National Front (FN) political party candidate for French 2017 presidential election, concedes defeat at the Chalet du Lac in the Bois de Vincennes in Paris after the second round of 2017 French presidential election, France, May 7, 2017. REUTERS/Charles Platiau
Marine Le Pen konnte ihrerseits zwar das höchste Ergebnis für den Front National aller Zeiten verbuchen und elf Millionen Wähler mobilisieren. Für sie ein "historisches und massives Ergebnis". Dass der als "Schicksalswahl für Europa" ausgerufene Wahlgang letztlich doch eindeutig für Emmanuel Macron ausging, deuten Kommentatoren heute aber als "Votum pro Europa".

Marine Le Pen selbst werde dennoch "selbstverständlich an der Parteispitze bleiben", sagte der Front National Politiker Laurent Gnadig gegenüber dem Deutschlandfunk. Einzige Konsequenz aus der Wahlniederlage: Anstatt "Front National" wolle man sich künftig "Patriotische Allianz" nennen. Gnaedig erhofft sich davon ein breiteres Wählerpotenzial anzusprechen. Ob das reicht, wird sich bereits am 11. Juni zeigen. Dann sind die Franzosen zu den Parlamentswahlen aufgerufen. 2012 kam der "Front National" im ersten Wahlgang dabei auf 13,8 Prozent. Doch nur zwei FN-Abgeordnete schafften es schließlich in die Nationalversammlung. Eine davon war Marion Maréchal-Le Pen, die damals erst 22-jährige Enkeltochter von Jean Marie Le Pen. Ihr räumte der Parteigründer schon vor der gestrigen Wahlniederlage deutlich höhere Chancen ein, jemals das höchste Amt in Frankreich zu bekleiden, als seiner Tochter Marine.

Putin ruft Macron zu Misstrauens-Überwindung auf
Der russische Staatschef Wladimir Putin hat den künftigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Überwindung von gegenseitigem Misstrauen aufgerufen. Nur so seien international Stabilität und Sicherheit zu erreichen, schrieb Putin am Montag in einem Glückwunschtelegramm. Im französischen Wahlkampf hatte Moskau Sympathien für Macrons Rivalin, die Rechtspopulistin Marine Le Pen, erkennen lassen, Putin hatte sie noch im März empfangen. Putin schrieb nach Kreml-Angaben, er sei zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit. Insgesamt erwarteten russische Politiker unter dem Pro-Europäer Macron aber ein schwieriges bilaterales Verhältnis. "Macron hat im Wahlkampf einige Aussagen gemacht, die gegen Russland gerichtet waren", sagte der Senator Alexej Puschkow vom Föderationsrat in Moskau der Agentur Interfax zufolge.

Litauens Präsidentin wertet Macron-Sieg als Absage an Populismus
Dalia Grybauskaite wertet den Erfolg des linksliberalen Kandidaten Emmanuel Macron bei der Präsidentenwahl in Frankreich als Absage der Franzosen an Populismus und Nationalismus. "Der eindeutige Sieg von Macron zeigt, dass die Menschen in Frankreich resistent gegen Versuche sind, Wahlen zu manipulieren", erklärte Grybauskaite am Montag in Vilnius. Es zeige zudem, dass die Wähler der "europäischen Idee und demokratischen Werten treu bleiben", sagte die Staatspräsidentin weiter. Auch die Staatspräsidenten von Estland und Lettland, Kersti Kaljulaid und Raimonds Vejonis, begrüßten in sozialen Netzwerken die Wahl Macrons. Wie auch Grybauskaite äußerten sie Hoffnung und Vorfreude, mit Frankreich und seinem neuen Präsidenten zum Wohle und zur Einheit Europas zusammenzuarbeiten.

Europaabgeordnete begrüßen mehrheitlich Ergebnis
Europaabgeordnete in Brüssel haben mehrheitlich den Sieg von Emmanuel Macron bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich begrüßt. "Die pro-europäischen Kräfte haben sich gegen Le Pens rechtsextreme Hasstiraden durchsetzen können", sagte die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament, Evelyn Regner. FPÖ-Delegationsleiter Harlald Vilimsky sah indes die rechten Parteien weiter auf der Siegerstraße.

Kern: Macron "sozialdemokratisch inspiriert"
Bundeskanzler, SPÖ-Chef Christian Kern sieht im gewählten französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen "sozialdemokratisch inspirierten Politiker", Macron sei aber "kein klassischer Sozialdemokrat". Im Morgenjournal des ORF-Radios Ö1 sagte Kern, er habe bisher zweimal mit dem früheren Wirtschaftsminister telefoniert - zu Fragen der Finanzierung europäischer Infrastrukturinvestitionen. Kern begrüßte den Sieg des Sozialliberalen Macron als "richtige Lösung". Dass Marine Le Pen in der Stichwahl um das französische Präsidentenamt am Sonntag unterlegen ist, wertete Kern als "Etappensieg" gegen den Rechtspopulismus in Europa.

Merkel: Keinerlei Zweifel an guter Zusammenarbeit
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel setzt auf eine enge Kooperation mit dem künftigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron. "Ich sehe der Zusammenarbeit mit Freude entgegen", sagte Merkel am Montag in Berlin. "Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass wir gut zusammenarbeiten werden."

Bei der Frage nach deutscher Unterstützung für die neue französische Regierung hielt sich Merkel zunächst zurück. Auch sie wolle helfen, dass die Arbeitslosigkeit in Frankreich sinke, gerade auch für junge Menschen. Zuerst wolle sie aber abwarten, was der neue Präsident an Wünschen und Vorstellungen äußere, um dann zu sehen, wo es Gemeinsamkeiten gebe.

"Was Frankreich braucht, das sind Ergebnisse", sagte Merkel. Von der künftigen Regierung in Paris würden Resultate erwartet, was die Wirtschaftskraft, die Arbeitslosigkeit und die Integration angehe. Die deutsche Regierung sei immer bereit zur Unterstützung an dieser Stelle. Das sei nichts Neues. Deutsche Unterstützung könne französische Politik aber nicht ersetzen.

Was für ein Durchmarsch: Noch vor drei Jahren war Emmanuel Macron außerhalb der Pariser Polit-Blase völlig unbekannt; nun wird er der jüngste Präsident der französischen Geschichte. Mit 39 Jahren Chef im Elysee-Palast. Manche nennen ihn den "französischen Obama" - wie der frühere US-Präsident mit seinem Wahlkampfslogan "Yes, we can" steht Macron für eine Politik der Zuversicht.

"Wir werden Frankreich seinen Optimismus zurückgeben", rief er seinen Anhängern zu. Positive Töne für ein verunsichertes Land.

Macron verspricht eine Erneuerung der verkrusteten französischen Politik. Auf den alten Fluren der Macht kennt er sich aber bestens aus. Der im nordfranzösischen Amiens aufgewachsene Jesuitenschüler besuchte die Kaderschmiede der Republik: die Elitehochschule ENA, Türöffner für eine aussichtsreiche Verwaltungskarriere. Später wechselte er auf einen gut bezahlten Job als Investmentbanker bei Rothschild.

2012 wurde er Berater des sozialistischen Präsidenten Francois Hollande, zwei Jahre später Wirtschaftsminister. Schnell avancierte der smarte und charismatische Macron zum neuen Star der Regierung.

Die Liebesgeschichte mit seiner Frau Brigitte (64) begeisterte die Medien - das Paar mit mehr als zwei Jahrzehnten Altersunterschied lernte sich in einer Theatergruppe an Macrons Schule kennen. Er war Schüler, sie Lehrerin und bereits Mutter dreier Kinder. Ein Fernsehsender grub ein Video von der damaligen Aufführung aus, in der Macron eine Vogelscheuche spielte. "Unsere Geschichte hat uns einen hartnäckigen Willen eingehämmert, nichts dem Konformismus zu überlassen", sagt Macron.

Macron fiel immer wieder mit Kritik am zögerlichen Reformkurs der Regierung auf. Seine liberalen Positionen verärgerten dabei viele Linke - die deshalb nun auch allenfalls mit geballter Faust in der Tasche für ihn stimmten. Im vergangenen Sommer brach Macron mit Hollande und trat zurück. Ein Schritt ins Unbekannte - erst wenige Monate zuvor hatte er seine Bewegung "En Marche!" gegründet, mit den Initialen seines Namens.

Doch Macron profitierte von Hollandes Unbeliebtheit, vom Streit der Linken, von der Job-Affäre des konservativen Kandidaten Francois Fillon. Und war plötzlich Favorit. Mit seiner Kandidatur jenseits der klassischen Parteien hat er die politische Landschaft in Frankreich umgepflügt.

Nun muss er sein Versprechen, Frankreich mit einem pro-europäischen, liberalen Kurs "weder rechts, noch links" aus der Krise zu führen, auch einlösen. Dazu braucht er eine Mehrheit im Parlament, das es erst noch zu wählen gilt. Und er darf nicht vergessen, dass er einen großen Teil der Franzosen auf seinem Weg erst noch mitnehmen muss - denn sein Wahlergebnis war für viele vor allem ein Votum nicht für sein Programm, sondern gegen Le Pen.

"El Pais" (Madrid):

"Die Bandbreite von Macrons Versprechen ist groß. Erneuerung des öffentlichen Lebens mit einer größeren Kontrolle über die Ausgaben, einfachere Abläufe für kleine und mittlere Unternehmen, die Zahl der Beamten reduzieren und die Grundschulerziehung stärken sind nur einige von ihnen. Alle zielen darauf ab, das Vertrauen wieder zurückzugewinnen, die Wirtschaft flexibler zu gestalten und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Das ist der Weg, um eine andere soziale Dynamik zu erzielen und mit Deutschland auf gleicher Augenhöhe verhandeln zu können. Nur mit einer ausbalancierten französisch-deutschen Achse überwinden die Franzosen ihren Komplex gegenüber Berlin. Und Europa wird mit größerer Glaubwürdigkeit das Schicksal seiner Neugründung angehen, derer es nach dem Brexit bedarf."

"El Mundo" (Madrid):

"Die große Gabe Macrons bestand darin, sich im richtigen Moment als neuer Mann zu präsentieren, der die diskreditierte Pariser Elite hinter sich lässt. Aber auch wenn er Wirtschaftsminister von Hollande war, mit seinen 39 Jahren ist er praktisch ein Politikneuling. (...) Abseits seiner Wahlversprechen muss der gewählte Präsident als erstes und unmittelbares Ziel Talent und Kapazität beweisen, die Zügel der Macht übernehmen zu können.

Brüssel seinerseits gewinnt Zeit, wie nach der Parlamentswahl in den Niederlanden. Doch wenn die EU wirklich das Gespenst des Populismus verscheuchen und aus der Existenzkrise herauskommen will, muss sie endlich handeln, die Sichtweise umdrehen und effiziente Maßnahmen ergreifen, die dazu dienen, dass die Bürger die Europäische Union als gemeinsames Haus betrachten, das es sich zu bewohnen lohnt."

"Sydney Morning Herald":

"Die Niederlage für Frankreichs Anti-EU-Führerin Marine Le Pen fiel deutlicher aus als erwartet. Für die Rechtsaußen-Kräfte, die Europa umstürzen wollen, bedeutet dies einen vernichtenden Realitäts-Check: Trotz der Erfolge für den Brexit und für Donald Trump werden sie wahrscheinlich auf Jahre hinaus von der Macht abgeschnitten bleiben. Nach der November-Wahl (in den USA) hatte man das Gefühl, als ob eine populistische Anti-Flüchtlings-Welle über die westliche Welt hereinbrechen werde. Aber seither haben Westeuropas Wähler jedes Mal Mainstream-Kandidaten ins Amt gebracht. In Westeuropa gibt es einen klaren Trend: Die Wähler haben von ihren Spitzenpolitikern die Nase voll. Aber sie sind noch nicht bereit, der extremen Rechten Macht zu überlassen."

"La Repubblica" (Rom):

"Der Sieg von Macron rettet Europa, mit Le Pen als Präsidentin wären die Tage gezählt gewesen. Aber diese Geschichte der Rettung muss erst noch geschrieben werden (...). Die Glückwunschschreiben, die umgehend von Merkel, Juncker und Gentiloni verschickt wurden, zeugen von einer nachvollziehbaren Erleichterung über die Tatsache, dass Frankreich im Herz Europas bleiben wird. Gleichwohl ist nicht gesagt, dass die Vision des neuen französischen Präsidenten über die Zukunft der EU zwangsläufig mit der seiner wesentlichen Gesprächspartner übereinstimmen wird."

"The New York Times":

"Die entschiedene Wahl von Emmanuel Macron (...) zum Präsidenten Frankreichs ist eine mächtige Erleichterung für jeden, der Angst gehabt hatte, dass Frankreich das nächste Land werden könnte, das der durch westliche Demokratien schwappenden Welle von Populismus, Nationalismus und Anti-Globalisierung erliegen könnte. Doch so dramatisch und eindrucksvoll sein Sieg ist - vor Herrn Macron liegen beträchtliche Herausforderungen. Er übernimmt eine tief gespaltene Nation (...).

Dass eine Rechtsaußen-Nationalistin wie Frau Le Pen die zweite Runde der Wahlen vor den etablierten Parteien erreichten konnte und dann mehr als ein Drittel der Stimmen bekommt, war ein schonungsloser Beweis für die Hoffnungslosigkeit der - was sie 'les oublies' nennt - Vergessenen. In seiner Siegesrede (...) räumte Herr Macron die Spaltung der französischen Gesellschaft ein und beschwor mehrfach die immense Aufgabe, die vor ihm liegt. Diese beginnt unmittelbar."

"Liberation" (Paris):

"In der letzten Schlacht hat die Republik gewonnen. Frankreich wurde von einer Partei der Intoleranz erschüttert, gespalten und durcheinandergebracht, einer Partei, die in den Wahlabsichten stellenweise auf bis zu 42 Prozent gekommen war. Aber Frankreich hat den Ausländerfeinden - selbst wenn sie stark, bedrohlich und aktiv bleiben - gezeigt, dass es sie nicht will. (...) Die größte Herausforderung des neuen Präsidenten: Nach und nach den Graben zu schließen, der das glückliche Frankreich vom wütenden Frankreich trennt; das Frankreich, dem es gut geht, und vom abgehängten Frankreich."

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