Syrien: "Rote Linie" und drohende Eskalation

Frankreich kündigt Luftschläge im Fall von Giftgaseinsatz an. Die USA und die Türkei liefern sich Wortgefechte. Die Spannungen zwischen Israel und dem Iran sind auf einem Höhepunkt - im syrischen Bürgerkrieg droht die nächste Eskalation.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat für den Fall, dass der Einsatz von verbotenen Chemiewaffen in Syrien sicher nachgewiesen wird, mit Angriffen gedroht. "Wir werden an dem Ort zuschlagen", von dem solche Angriffe ausgegangen oder organisiert worden seien, sagte Macron am Dienstagabend vor Journalisten in Paris. "Die rote Linie wird respektiert werden", fügte der Präsident hinzu.

Derzeit lägen den französischen Geheimdiensten aber keine gesicherten Beweise für Giftgasangriffe auf die syrische Zivilbevölkerung vor. "Sobald der Beweis erbracht wird, werde ich tun, was ich gesagt habe", versicherte Macron. "Wir werden an dem Ort zuschlagen", von dem solche Angriffe ausgegangen oder organisiert worden seien, betonte Macron.

Die offene Drohung Macrons hat einen Adressaten: Das Assad-Regime in Damaskus, dem nach wie vor der Einsatz von Giftgas vorgeworfen wird, auch nach der vermeintlichen Vernichtung seines Bestands durch die internationale Gemeinschaft. Bisher flog Frankreich Angriffe gegen den IS, doch der ist weitestgehend besiegt. Künftig könnte Frankreich also noch tiefer in den Krieg hineingezogen werden.

Syrien: "Rote Linie" und drohende Eskalation
Landkarte Grenzgebiet Syrien und Türkei mit kontrollierten Gebieten und Siedlungsgebieten der Kurden GRAFIK 0091-18, 88 x 90 mm

Das erneuerte Engagement der "Grande Nation" in Syrien markiert nur die letzte in einer Reihe von Entwicklungen, die eine weitere Eskalation den syrischen Bürgerkriegs befürchten lassen. Mit dem Ende des sogenannten "Islamischen Staats" als Territorialmacht hat sich die Lage in Syrien nicht entspannt, im Gegenteil. Derzeit toben nach Angaben des UN-Hilfskoordinators Ali al-Zaatari mit die schlimmsten Kämpfe seit Beginn des fast siebenjährigen Bürgerkriegs. Seit dem Aufruf der Vereinten Nationen zu einer einmonatigen Waffenruhe vor einer Woche habe sich die Lage im gesamten Kriegsgebiet noch verschlechtert, schrieb der Jordanier am Montag in einer Erklärung aus Damaskus.

Israel gegen Iran

Israelische Kampfjets bombardierten am 10. Februar nach Armeeangaben ein Dutzend Stellungen der Regierungstruppen und des iranischen Militärs in Syrien. Zuvor war ein israelisches Kampfflugzeug bei einem Einsatz in Syrien unter Beschuss geraten und im Norden Israels abgeschossen worden. Zuvor hatte Israel nach eigene Angaben eine iranische Drohung, die von Syrien nach Israel herüberkam, abgeschossen.

Israel ist seit Jahren alarmiert über die wachsende Präsenz der iranischen Revolutionsgarden und Teheran-treuer Milizen in Syrien. Insbesondere befürchtet Israel, dass sich die libanesische Hisbollah-Miliz an den Golan-Höhen im Südwesten Syriens festsetzt und mit iranischer Hilfe Präzisionsraketen erlangt oder - schlimmer noch für Israel - selbst Fertigungsanlagen in Syrien errichtet, um solche Flugkörper herzustellen.

Seit Beginn des Syrien-Konflikts 2011 flog die israelische Luftwaffe daher rund hundert Angriffe auf Waffenkonvois für die Hisbollah, Waffenfabriken und iranische Stellungen. Israel will um jeden Preis verhindern, dass der Erzfeind einen Luftwaffen- oder Marinestützpunkt errichtet. Die Angriffe wurden von Russland geduldet, obwohl es mit dem Iran und der Hisbollah aufseiten der Regierungstruppen kämpft.

Türkei gegen Kurden (und die USA)

Ankara unterstützt bis heute die syrischen Rebellen und drängt auf den Sturz des Kreml-Verbündeten Assad. Allerdings hat ein Regimewechsel in Damaskus für die Türkei nicht länger Priorität, da es ihr vor allem darum geht, den Einfluss der Kurden im Norden Syriens zurückzudrängen.

Seit Jänner geht die türkische Armee daher gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Afrin vor, die eng mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden sind. Während Russland die türkischen Angriffe auf die YPG duldet, toleriert die syrische Regierung, dass die YPG durch ihr Gebiet Verstärkung nach Afrin bringt. Zwar will sie keine kurdische Autonomie - doch türkische Truppen in Nordsyrien will sie auch nicht.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan warnte die US-Truppen in Manbij am Dienstag davor, einem möglichen türkischen Angriff auf die Kurdenmiliz YPG in der nordsyrischen Stadt im Wege zu stehen. In einer Ansprache vor der Fraktion seiner Partei AKP in Ankara drohte er den amerikanischen Soldaten für diesen Fall mit einer "osmanischen Ohrfeige". "Natürlich werden wir nicht absichtlich auf sie zielen", sagte Erdogan unter Applaus über die Truppen des NATO-Verbündeten. US-Außenbminister Rex Tillerson wird am Donnerstag zu einem Besuch in Ankara erwartet.

Aufruf zu Syrien-Konferenz

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zog nicht nur seine "rote Linie" in der Giftgas-Frage, er erneuerte auch seinen Vorschlag für eine internationale Syrien-Konferenz. Diese solle möglichst "in der Region" stattfinden. In den vergangenen Jahren gab es Berichte über Dutzende Chemiewaffen-Einsätze in Syrien. Einige von ihnen wurden inzwischen von UN-gestützten Inspekteuren verifiziert und syrischen Regierungstruppen zugeschrieben. Die Regierung in Damaskus bestreitet den Einsatz von Chemiewaffen allerdings rundweg.

Bereits Anfang des Monats war aus Regierungskreisen in Washington verlautet, dass sich die USA die Möglichkeit eines Militärangriffs vorbehielten, sollte die syrische Regierung erneut Giftgas einsetzen. US-Präsident Donald Trump schließe in dieser Hinsicht nichts aus, hieß es. Im vergangenen Jahr hatten die USA einen syrischen Luftwaffenstützpunkt mit Raketen beschossen, nachdem die von Rebellen gehaltene Stadt Khan Sheikhoun mit Chemiewaffen angegriffen worden war.

Telefonat mit Putin

In einem Telefongespräch mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin hatte sich Macron am Freitag besorgt geäußert, dass es Hinweise auf den Einsatz von Chlorbomben gegen Zivilisten in Syrien gebe. Derzeit lägen den französischen Geheimdiensten aber keine gesicherten Beweise für Giftgasangriffe auf die syrische Zivilbevölkerung vor.

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