Londons Stadtchef will sich Wasserwerfer stellen

Johnsons Markenzeichen: Die eigenwillige Frisur
Boris Johnson ist für alles zu haben - wenn es darauf ankommt, auch für skurrile Mutproben.

Boris Johnson fällt in einen Fluss"; "Boris Johnson rettet Frau vor Angriff"; "Boris Johnson bleibt an Seil hängen": Kaum eine Schlagzeile, für die Londons exzentrischer Bürgermeister mit der hellblonden Windkanal-Frisur nicht gut ist. Er ist Meister der eingängigen Sprüche, der hemdsärmeligen Scherze und natürlich der Fettnäpfchen. Doch was anderen Politikern schaden, oder gar den Job kosten könnte, macht "Bo-Jo" noch stärker. Nun hat er wieder mit einer typischen Johnson-Skurrilität überrascht: Er erklärte sich gegenüber hartnäckigen Journalisten bereit, sich vor Wasserwerfer zu stellen, um zu demonstrieren, dass diese keine Gefahr für Leib und Leben darstellen.

Der Bürgermeister hatte vor kurzem drei Wasserwerfer für die britische Metropole gekauft. Deren Einsatz ist bislang in Großbritannien mit Ausnahme von Nordirland verboten. Doch gegen Kritik wehrt sich der standhafte, etwas übergewichtige Stadtchef gerne. Im Radiosender LBC wurde Johnson befragt, ob er sich denn selbst vor ein solches Fahrzeug stellen würde. Nach kurzem Zögern fasste er sich ein Herz und meinte: "Okay. Mann oder Maus. Sie haben mich herausgefordert. Ich fürchte, ich muss das jetzt machen." Vergleichbares gab es bisher nur in Österreichs Polit-Szene, als Harald Vilimsky von der FPÖ 2008 an einem Taser-Selbstversuch teilnahm, um die Sicherheit der umstrittenen Geräte zu beweisen.

Umtriebig

Doch anders als Vilimsky ist Johnson ein Experte in Sachen Selbstvermarktung, er hat sich schon vor seinem Antritt als Bürgermeister 2008 der Acht-Millionen-Stadt selbst zur Marke gemacht. Der Adelige mit türkischen Wurzeln wurde in New York geboren, der Urgroßvater war der letzte Innenminister des Osmanischen Reichs, der Vater Europaabgeordneter. Alexander Boris de Pfeffel Johnson selbst ging auf die Eliteschule Eton und wurde dort schon für Höheres ausgebildet. Er wurde Altertumswissenschafter, Journalist, Talkshow-Gastgeber, und Buchautor. Von 1999 bis 2005 gab er das konservative Magazin The Spectator heraus. Eines seiner Bücher trägt den Titel "72 Jungfrauen" und erzählt satirisch die Geschichte eines fiktiven Terroranschlags in London. 2008 kickte Johnson den amtierenden Stadtchef, "Den roten Ken" Livingstone, vom Thron und verteidigte diesen auch 2012 gegen ihn. Johnson packt viele Karrieren in ein Leben.

Und Johnson wird immer wieder als möglicher Nachfolger und innerparteilicher Konkurrent von Premier David Cameron gehandelt. Ihn belehrt und bestichelt er gern vom Rathaus aus. Er kann es sich leisten: Johnson ist im Unterschied zum unter Dauerbeschuss stehenden Cameron beliebt. Doch die Regierung will er angeblich niemals übernehmen: "Meine Chancen, Premier zu werden, sind so hoch wie jene, Elvis auf dem Mars zu finden, oder dass ich als Olive wiedergeboren werde". Seine markigen Sager bringen ihm Anhänger ein, die sonst gar nicht konservativ wählen. Im Internet gibt es Fanseiten und Sammelsurien seiner besten Zitate. Auf Twitter lädt der Bürgermeister mit #askboris regelmäßig zu Fragestunden ein. Ein Oberschichten-Politiker zum Anfassen.

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Die Johnson-Spiele

Seinen wahren Höhenflug erlebte der millionenschwere Aristokrat mit den Olympischen Spielen in London 2012, die er schamlos zur Selbstvermarktung nutzte. Olympia - das war gleichzeitig auch Johnson. Kein Bild, auf dem er nicht drauf gewesen wäre. Mit dem damaligen US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney legte er sich an, als dieser bezweifelte, London würde mit dem Spektakel fertig. "Ein Typ namens Mitt Romney fragt sich, ob wir bereit seien", polterte Johnson medienwirksam. "Sind wir bereit? Wir sind bereit." Die Sorgen um Sicherheit, Verkehrschaos, Organisationsprobleme und das Wetter tat er nur mehr genervt ab. "Leute, hört endlich auf mit dem Gejammer", herrschte er die Bürger an. Doch "Bo-Jo" darf das - zu liebenswürdig scheint den Londonern sein chaotischer Lebenswandel, zu witzig sein Humor.

Auch außerhalb der Insel ist etwa Johnsons fehlgeschlagener Auftritt längst legendär, den er vor Olympia hinlegte: Mit einem Union Jack in jeder Hand sauste er an einer Seilbahn hängend durch einen Park neben dem Sportgelände - und bleib in der Luft einfach hilflos hängen. Doch Johnson machte das beste daraus: Er schwenkte weiter die Fahnen und ließ sich lächelnd fotografieren, als er wie ein nasser Sack dahing. Er sei der "Juri Gagarin des Zip Wire", erklärte er später. Im Jahr 2009 fiel er bei einem politischen Termin in einen Fluss ("I love swimming in rivers") , ein anderes Mal schloss er sich versehentlich aus seinem eigenen Haus aus, just als er von Journalisten interviewt wurde.

Er lenkt die Geschicke einer Millionenmetropole - doch für die kleinen Dinge des Lebens hat der zerstreute Johnson nun mal keinen Sinn. Dass er den Preis für Milch nicht kennt, scheinen die Londoner inzwischen einfach als gegeben hinzunehmen. Wohnprobleme, Verkehrschaos, Armut - Londons größte Probleme - machen diesen Stadtchef nicht nervös. Johnson, der in einer Woche 50 wird, ist auch politisch ein Kind der Oberschicht. Er ist trotz seiner unkonventionellen Erscheinung und pikanter Affären wertkonservativ und verteidigt gerne die Privilegien der verhassten Banker und des Geldadels. Arbeitslosen rät er: "Die Jobs sind ja da", man müsse sie nur suchen. Die Bonus-Bremse für Banker greift er ebenso hart an wie Brüssel: "Die Menschen werden sich fragen, warum wir in der EU bleiben, wenn die auf solch klar erkennbare Eigentor-Politik besteht". Johnson scheint ein Rezept gefunden zu haben, wie er trotz solcher Ansichten ein Publikumsliebling bleibt. Labour-Konkurrenz, Gleichgewicht, oder technische Tücken: Bisher hat ihn nichts aus der Bahn werfen können. Ob ihm der Wasserwerfer ihm etwas anhaben kann, wird man wohl bald auch erfahren.

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