Blut und Gewalt bei Ausschreitungen in Kairo

Dutzende Tote bei Protesten von Muslimbrüdern in ganz Ägypten und eine Reisewarnung: Der KURIER berichtete aktuell im Liveblog.

Ägypten steuert auf die nächste Eskalation zu. Nach den Freitagsgebeten sind Tausende Muslimbrüder in Kairo aufmarschiert. Unter dem Motto "Freitag der Wut" waren friedliche Kundgebungen geplant; es kam aber erneut zu gewaltsamen Ausschreitungen. Die Protestzüge begannen an allen Moscheen Kairos und führten Richtung Ramses-Platz.

Auslöser der Demonstrationen: Polizei und Armee haben am Mittwoch zwei Protestlager von Islamisten gewaltsam geräumt. Es gab mehr als 600 Tote und tausende Verletzte.

Vorsicht an Reisende

Wie der KURIER am Freitag außerdem erfahren hat, erlässt das Außenministerium in Wien eine offizielle Reisewarnung für Ägypten. Es bleibt aber bei einer Reisewarnung pro futuro: „Sie gilt für alle neuen Reiseantritte. Unverändert ist: Wer schon in Ägypten ist, kann bleiben“, sagte Alexander Schallenberg, Sprecher von Außenminister Spindelegger, dem KURIER. Denn die Lage in den Touristenregionen sei derzeit „ruhig“.

Mehr Hintergründe lesen Sie in "Reisewarnung für ganz Ägypten.

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Blut und Gewalt bei Ausschreitungen in Kairo

Wir verabschieden uns für heute mit den aktuellen Bildern und einer kurzen Zusammenfassung.
Ab jetzt gelten in Ägypten wieder die Ausgangssperren. Wir beenden unsere Liveberichterstattung an dieser Stelle und verweisen auf die Überblicksanalyse unserer Aussenpolitikredaktion, die ständig aktualisiert wird.

Um 19 Uhr beginnt die Ausgangssperre, derzeit sind aber noch Tausende auf den Straßen. Die Sicherheitskräfte haben ein hartes Durchgreifen angekündigt.

Die Muslimbrüder haben auf ihrer offiziellen englischsprachigen Website eine Mitteilung veröffentlicht: Die Gräueltaten der Regierung hätten sie in ihrer Bestimmtheit nur gestärkt, heißt es darin. Der Kampf gegen das Regime sei eine Verpflichtung: "Unsere Revolution ist friedlich."

Air Berlin, Mutter der heimischen Flyniki, von der vorerst noch eine angefragte Stellungnahme zu Ägypten-Flügen aussteht, nimmt bis einschließlich 15. September keine Buchungen für Flüge an den Nil an. Die Flüge Air Berlins von und nach Ägypten werden nach derzeitigem Stand aber planmäßig durchgeführt, teilte das Unternehmen am frühen Freitagabend mit.

Auch in der Küstenstadt Damietta soll es bei Zusammenstößen zwischen Mursi-Anhängern und Gegnern mehrere Todesopfer gegeben haben.

KURIER-Kollegin Marie Salzmann war am Nachmittag bei der Demo in Wien und hat die Ereignisse zusammengefasst:

„Wo ist die Demokratie in Ägypten geblieben?“, das fragten sich am Freitagnachmittag rund 100 Demonstranten am Stephansplatz in Wien. In der Menge sah man neben ägyptischen Fahnen, auch türkische, kurdische und österreichische. Man zeigte sich solidarisch, wie der türkische Student Alp Mahmut bestätigt. Auch er protestiert gegen die Gewalt in Ägypten, denn „Wir Muslime müssen zusammenhalten. Die Ägypter sind unsere Brüder“. „Ägypten muss muslimisch bleiben und darf nicht vom Militär regiert werden.“ skandieren die Demonstranten auf Arabisch. Bärtige Männer halten Bilder des geputschten Präsidenten Mursis in die Höhe, Mädchen laufen mit „I love Egypt- Leiberl herum und verschleierte Frauen rufen ihre Sprechchöre in Megaphone.

Ali Ibrahim, Vorsitzender der Koordination der Ägypter in Österreich und Initiator der Demonstration, kritisiert die europäischen Regierungen auf schärfste: „Europa hätte Ägypten auf seinem Weg zur Demokratie unterstützen können, das wurde aber verabsäumt.“ Angesichts der Massaker in Ägypten fordert er die Republik Österreich auf, jegliche Kontakte zu dem militärischen Regime abzubrechen. Für die anwesenden Demonstranten ist die „Putsch Bande“ rund um el-Baradei und dem Präsidenten der Übergangsregierung Hasim al-Beblawi für das Chaos im Land verantwortlich.

Die aktuellen Bilder aus Kairo deuten auf Gewalt und Chaos hin. In einer Stunde startet die Ausgangssperre - ob die Lage dann ruhiger wird, ist fraglich. Das Militär will gegen jeden vorgehen, der die Sperre missachtet.

Reisewarnung für ganz Ägypten: Was bedeutet das für Urlauber? Unsere Reiseredaktion hat die wichtigsten Fragen beantwortet.

EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sieht die Hauptverantwortung für die Gewalt bei der Übergangsregierung. Sie habe die Mitgliedstaaten gebeten, über Reaktionen zu beraten, erklärte Ashton am Freitag in einer Erklärung. Sie stehe diesbezüglich in ständigem Kontakt mit den EU-Außenministern.

Ashton nannte die aus Ägypten gemeldeten Opferzahlen schockierend. Laut neuesten Zahlen sind 50 Menschen in Kairo ums Leben gekommen.

Saudi-Arabiens König hat sich in einer kurzen TV-Erklärung zu den Ereignissen in Ägypten geäußert. König Abdullah sagte, er unterstütze den Kampf der Ägypter gegen den Terrorismus und gegen Versuche des Auslands, Ägypten zu destabilisieren.

Wie der KURIER erfahren hat, will das Außenministerium in Wien eine offizielle Reisewarnung für Ägypten erlassen. Es bleibt aber bei einer Reisewarnung pro futuro: „Sie gilt für alle neuen Reiseantritte. Unverändert ist: Wer schon in Ägypten ist, kann bleiben und wird aufgefordert, umsichtig zu sein, den Anweisungen des Hotelpersonals zu folgen und sich regelmäßig auf der Homepage des Außenministeriums zu informieren“, sagte Alexander Schallenberg, Sprecher von Außenminister Spindelegger, dem KURIER. Denn die Lage in den Touristenregionen sei derzeit „ruhig“.

Dennoch wird im Hintergrund für den Notfall – Ausfliegen der derzeit rund 5000 österreichischen Urlauber aus Ägypten – geplant. Ein Krisenstab tagt permanent, ein Team des Außen- und Innenministeriums ist in die Touristenregion Sharm el Sheik und Hurghada aufgebrochen, um die Lage zu sondieren.

Im Fall des Falles würde das Außenamt wieder, wie schon 2011, eine Herkules-Transportmaschine und Flugzeuge der Reiseveranstalter einsetzen, um die Urlauber zurück zu holen. Die Reiseveranstalter seien für diesen Fall „jederzeit bereit die Urlauber zurückzuholen“, versichert Josef Peterleithner, Präsident des Österreichischen Reiseverbandes. Wie schnell das dann geht, wollte niemand sagen.

Im Falle einer Reisewarnung ohne Einschränkung auf künftige Reiseantritte hätte diese Rückholung sofort erfolgen müssen.

In der Al-Fath-Moschee nahe dem Ramses-Platz werden die Toten gezählt, berichtet der niederländische Journalist Remco Andersen.

Mursi-Anhänger trauern um einen Toten. Er kam am Mittwoch bei den Ausschreitungen in Kairo ums Leben.

Die AUA sieht die Sicherheit der Flughäfen in Ägypten weiter gegeben und hält an ihren Flügen daher vorerst fest. Man verfolge aber die Entwicklung sehr genau, hieß es auf APA-Anfrage. Auch die Egypt Air fliegt.

Augenzeugen berichten von dreizehn Leichen mit Schusswunden in Kairo, schreibt Spiegel Online. Auch auf Twitter kursieren zahlreiche Fotos von Toten - diese sind allerdings nicht verifizierbar.

In Wien demonstrieren derzeit Austroägypter und Unterstützer "gegen das Massaker und den Militärputsch".

Auch der österreichische Reiseveranstalter Thomas Cook Austria hat bis einschließlich 15. September sämtliche Reisen in das Land abgesagt. "Wir werden vorerst keine neuen Gäste nach Ägypten bringen und bereits gebuchte Reisen absagen", teilte eine Unternehmenssprecherin der APA heute mit.

Kunden, die bereits eine Reise nach Ägypten gebucht hätten, würden entsprechend informiert. Auf Wunsch werden ihnen alternative Reiseziele angeboten.

Euronews veröffentlichte gerade ein Video, das Schüsse der Armee auf die Demonstranten dokumentiert. Gefilmt wurde es von Abdallah Said Mohammed.

In ganz Ägypten stieg die Zahl der Toten unterdessen auf 17, berichtet AP.

Wir haben aktuelle Bilder von den Protesten und Ausschreitungen zusammengestellt.

Der Ramses-Platz im Zentrum der Stadt ist in eine Wolke aus Tränengas gehüllt. Viele Demonstranten flüchten in Panik.

Der Nachrichtensender Al-Arabiya berichtet von vier Toten in der Innenstadt Kairos.

AP fasst außerdem die letzten Entwicklungen zusammen:

Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande schlagen nach Angaben des Präsidialamtes in Paris wegen der Gewalt in Ägypten eine Dringlichkeitssitzung der EU-Außenminister vor.

In Kairo konzentrieren sich die Zusammenstöße derzeit auf die Brücke des 15. Mai. Fotos und Berichte in sozialen Netzwerken über Schüsse und Verletzte häufen sich: Menschen sollen flüchten und in Panik sogar von der Brücke springen, um sich in Sicherheit zu bringen.

BBC-Reporter Jeremy Bowen berichtet auf Twitter live aus Kairo. Am Ramses-Platz werden erste Barrikaden errichtet.

Ägyptens Gesundheitsministerium bestätigt inzwischen landesweit sieben Tote.

Damit sie nicht unidentifiziert bleiben, schreiben sich manche ihren Namen auf den Unterarm.

Auf Twitter berichten Augenzeugen bereits von Schüssen und Toten nahe des Ramses-Platzes in Kairo. Demonstranten sollen versuchen eine Polizeistation anzuzünden, die Sicherheitskräfte reagieren mit Tränengas und Schüssen.

Nach Tui hat auch das Reiseunternehmen Thomas Cook seine Reisen nach Ägypten bis einschließlich 15. September abgesagt. Die Absage gilt auch für die Marken Neckermann, Thomas Cook, Bucher und Öger. Den Kunden würden alternative Ziele angeboten, so ein Sprecher des Unternehmens.

Wie das österreichische Außenministerium über Twitter bekanntgab, ist derzeit eine Krisensitzung im Gange. Österreich hat bisher nur eine partielle Reisewarnung ausgesprochen - im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz, die bereits von Reisen nach Ägypten generell abraten.

Al-Jazeera berichtet, dass in der Stadt Ismailiya, nahe des Suez-Kanals, vier Demonstranten getötet wurden.

Museen und Regierungsgebäude in Kairo wurden ebenfalls abgeriegelt.

Die Sicherheitskräfte haben den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo komplett abgeriegelt. Niemand wird an den Straßensperren durchgelassen. Auch an der U-Bahnstation unter dem Platz halten keine Züge mehr.

Auch in Wien wird demonstriert: Für den Nachmittag ist am Stephansplatz ein Protestzug unter dem Motto "Gegen die Massaker und den Militärputsch in Ägypten" geplant. Der Koordinierungsrat der ägyptischen Gemeinde in Österreich organisiert die Demonstration.

In Kairo marschieren derzeit Tausende Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi auf die Innenstadt zu. Die aus den nordöstlichen Stadtteilen kommenden Muslimbrüder skandieren "Nieder mit der Militärherrschaft". Die Armee ist mit starken Einheiten in der Metropole präsent.

Der Reiseveranstalter TUI hat alle Reisen nach Ägypten abgesagt. Dies gelte für alle Buchungen bis einschließlich 15. September, sagte eine Konzernsprecherin am Freitag. Die Absage gilt für die Marken TUI, 1-2-Fly, Airtours und Discount Travel.

Das Unternehmen reagierte damit auf einen am Vormittag aktualisierten Reisehinweis des deutschen Auswärtigen Amtes, in dem das Ministerium von Reisen in alle Teile Ägyptens abrät. Bisher war lediglich dringend von Reisen nach Kairo, Oberägypten und von Nilkreuzfahrten abgeraten worden. Nun gilt die Reisewarnung für alle Teile des Landes.

Urlauber, die sich derzeit in den Baderegionen am Roten Meer befinden, können ihren Urlaub jedoch fortsetzen, da es dort unverändert ruhig sei, hieß es bei TUI. Wer seinen Urlaub dennoch abbrechen möchte, möge sich an die Reiseleitung vor Ort wenden, hieß es.

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