Licht am Ende des Armutstunnels

Sein Handy lädt Ararsa an der Solarstation, dann frägt er die aktuellen Marktpreise ab, damit ihn der Großhändler nicht mehr übers Ohr haut.
Wie Mini-Solaranlagen das Leben einfachster Bauern auf dem Land schlagartig verbessern.

Ararsa Gemeda steht in seinem üppigen Gemüsegarten und telefoniert via Handy mit seinem Vertrauensmann in der Kreisstadt Kachisi. Der lokale Großhändler hat sich angesagt. Und damit dieser ihn nicht so wie früher übers Ohr haut, checkt der Bauer hier in seinem 180 km nordwestlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gelegenen Dorf Prodii die Marktpreise für Tomaten oder Zwiebeln.

Solche Telefonate (das Mobilnetz ist auch auf dem Land erstaunlich gut ausgebaut) mit echtem Mehrwert kann der 43-Jährige allerdings erst seit 2013 führen. Da erhielt er über den österreichischen Zweig der Hilfsorganisation "Menschen für Menschen" (MfM) eine Mini-Solaranlage zum Einkaufspreis von 2380 Birr (umgerechnet knapp 100 Euro).

Licht am Ende des Armutstunnels
Stolz präsentiert Ararsa in seiner Lehmhütte die Station, an der er sein Handy aufladen kann. Und über die auch je eine Lampe im Wohn-Schlafbereich sowie in der Küche mit Energie versorgt werden. "Unsere Kinder können jetzt auch nach Sonnenuntergang (18.30 Uhr) noch lernen", spielt der Landwirt auf den verbesserten Erfolg des Nachwuchses an. Er selbst nützt die Abendstunden zur Reparatur des Werkzeuges, seine Ehefrau Fanosi Amenu zum Flicken der Kleidung.

Die 40-Jährige ist voll des Lobes ob der neuen Lichtquellen. Das Petroleum, das sie früher verwendete, habe schrecklich gerußt, die ganze Familie habe dauernd gehustet. "Außerdem war das Zeug relativ teuer. 600 Birr (rund 23 Euro) haben wird dafür pro Jahr ausgeben müssen." Und noch etwas will die Mutter von sechs Kindern, die stets ein Lächeln im Gesicht trägt, unbedingt noch anbringen: "Ich kann nun auch abends kochen", sagt sie und zeigt auf den neuen "Sparofen". Auch der kam über MfM in die Region.

"Mit diesen geschlossenen Öfen braucht man um die Hälfte weniger Brennholz als mit den früheren, wo einfach drei Steine zusammengelegt wurden", erläutert Beehanu Bedassa. Er ist MfM-Verantwortlicher für eine Vielzahl von unterschiedlichen Entwicklungsansätzen (siehe rechts) in den Regionen Ginde Beret und Abune Ginde Beret (Grafik) – einem Gebiet so groß wie Vorarlberg.

Erfolg durchs GemüseDie Grundlage dafür, dass Ararsa und Fanosi jetzt Licht am Ende des Elendstunnels sehen, bildet ihr Gemüsegarten. Der bot früher ein armseliges Bild und diente so recht und schlecht für den Eigenbedarf. Doch durch eine erweiterte Palette (Kohl, Rote Rüben, Karotten etc.), verbesserte Anbaumethoden und Sorten konnten die Bauersleute schon im ersten Jahr 4000 Birr (160 Euro) aus dem Verkauf ihrer Produkte lukrieren.

"Tragen erst einmal die frisch gepflanzten Äpfel- und Mangobäume sowie die Kaffee- und Bananenstauden Früchte, kann ich jährlich 50.000 Birr (fast 2000 Euro) einnehmen", freut sich Ararsa. Damit wäre er ein gemachter Mann. Die Familie würde über das Zweifache eines Lehrer-Jahresgehalts verfügen. Das Know-how hat der Bauer in einem Kurs von MfM erworben, das verbesserte Saatgut und die Setzlinge von der MfM-eigenen Baumschule.

Schon von Weitem sind die stumpfen Schläge der Spitzhacken zu hören. Dutzende Männer ringen dem steinigen Boden nur mit der Kraft ihrer Hände und Arme ein drei Meter breites, ebenes Band ab. Zwei Kilometer haben sie bereits hinter sich, drei noch vor sich. Erst dann ist der Zufahrtsweg frei und MfM kann auch in diesem entlegenen Weiler Gorobatte mit ihrer Arbeit für eine bessere Zukunft beginnen.

Hier hat noch niemand ein Handy oder eine Solaranlage. Hier sind die Menschen schon froh, wenn sie nicht verhungern. Denn wegen der Kleinheit der Felder (im Schnitt ein bis zwei Hektar) und schlechter Erträge "kann ich mit der Getreideernte meine Familie nur neun Monate im Jahr ernähren", sagt Dorfchef Dhufera Fusa, 36. Drei Monate seien sie auf staatliche Nahrungsmittelzuteilungen angewiesen. "Darum ist es so wichtig, dass wir den Bauern Starthilfe bieten, damit sie Zusatzeinkommen erwirtschaften und auf eigenen Beinen stehen", betont Beehanu Bedassa.

Ararsa Gemeda kann das mittlerweile recht gut. Für seine Töchter Ebise, 18, und Chaltu, 16, konnte er in der zwei Gehstunden entfernten Kreisstadt ein Zimmer anmieten, damit sie dort die Highschool besuchen können. "Ihre Bildung ist mir wichtig, zugleich vermisse ich sie", sagt der Landwirt, "aber immerhin kann ich jetzt über mein Handy mit ihnen reden."

Der jüngste Neuzugang in Tolossa Tenas Stall ist ein prächtiger Bulle. Er erhielt ihn von der Hilfsorganisation "Menschen für Menschen". Noch allerdings gehört er ihm nicht. Der 53-jährige Landwirt muss für ihn sorgen, ihn füttern und vor allem darauf achten, dass der Stier seine hervorragenden Gene an die Kühe der Region weitergibt. Erst nach der nachweisbaren Zeugung von 100 Kälbern geht der Bulle in den Besitz des 53-Jährigen über.

Licht am Ende des Armutstunnels
Äthiopien

80-mal musste der Superbulle in einem eigens dafür errichteten Holzgestell bisher ran, im Schnitt sieben bis zehn Mal pro Woche. Seine "Trefferquote" liegt bei eins zu zehn. Es liegt also noch ein weiter Weg vor ihm. Hat der Zuchtstier 100 Kälber gezeugt, hat er seine Schuldigkeit getan: "Ich werde ihn kastrieren, mästen und als Ochsen verkaufen", sagt Tena. Warum? Der Bulle sei dann für weitere Deckungen nicht mehr zu gebrauchen, er sei ausgepowert.

Jeden Sonntag, wenn Markttag ist, geht es hoch her im kleinen Laden von Addisu Adugna, 45. An die 200 Liter ihres selbst gebrauten Biers bringt sie da an den Mann – das Seidl um zwei Birr, sieben Eurocent. Abzüglich der Herstellungskosten für die braune Brühe, basierend auf Mais und Sorghum, einer Getreideart, bleiben der Witwe und ihren vier Kindern 400 Birr (15 Euro) pro Woche. Das ist nicht üppig, aber "Tella", das für Ausländer sehr gewöhnungsbedürftige Getränk, sichert das Überleben der Familie.

Licht am Ende des Armutstunnels
Äthiopien
"Möglich wurde das erst, als ich über die Frauengenossenschaft einen günstigen Kleinkredit bekam", erzählt die Mutter. 4000 Birr waren das (150 Euro), wovon 500 in der Gemeinschaftskassa blieben. Die ist durch diese Maßnahme und den Rückfluss der Kreditraten stets liquid, um neue Darlehen zu vergeben.

Auch Worku Dhuguma, 26, kam in den Genuss der 3500 Birr. Um das Geld kaufte sie vier Mutter-Schafe, bald waren es zehn. Mit dem Verkaufserlös wurden Adaptierungsmaßnahmen am Haus durchgeführt – und der Kredit mit einem Schlag beglichen. Jetzt will sie sich 10.000 Birr (380 Euro) ausborgen: Um 5000 will sie sich einen Ochsen für die Feldarbeit kaufen, 5000 will sie in den Getreidehandel pumpen – kaufen, wenn der Preis im Keller ist, verkaufen, wenn er steigt.

Im Gegensatz zu Worku steht Alemi Bekela, 38, erst am Anfang. Sie hat zwar wie alle anderen auch den obligatorischen Einführungskurs durchlaufen, in dem die Basics in Buchführung erläutert werden, die 3500 Birr aber erst jetzt erhalten. Alemi, die ebenfalls Schafe züchten will, war sichtlich aufgewühlt bei der Übergabe der Scheine: "Ich hatte noch nie so viel Geld in der Hand."

Der österreichische Zweig der von Karlheinz Böhm gegründeten Hilfsorganisation "Menschen für Menschen" dreht in seinem Projektgebiet in Äthiopien an vielen Schrauben.

Schulen: Die alten, finsteren Lehmhütten werden durch moderne Gebäude ersetzt. Die Dachkonstruktion aus Stahl gewährleistet eine Mindesthaltbarkeit von 40 Jahren. Die traditionelle Bauweise aus Holz ist dem Ansturm der Termiten nur wenige Jahre gewachsen.

Gesundheit: Hier gilt der Kampf vor allem der Trachom-Augenkrankheit: 50 Prozent der Kinder sind von der chronischen Entzündung der Bindehaut betroffen, die letztlich zu Blindheit führt. Auch Aids-Prävention sowie Therapie stehen im Zentrum.

Sauberes Trinkwasser: Die Hilfsorganisation fasst Quellen und gräbt Brunnen.

Landwirtschaft: Die Palette reicht vom verbesserten Gemüsebau, über Rinderzucht, Hühnerhaltung, moderne Imker-Methoden bis zur effektiveren Getreidespeicherung.

Spenden: Menschen f. Menschen, Raiffeisen 222000, BLZ: 32000.

Kommentare