Libyen: Militärchef der Rebellen tot

Libyen: Militärchef der Rebellen tot
Der Militärchef der Aufständischen wurde getötet. Er hatte Karriere auf beiden Seiten des Konflikts gemacht und beidseits Feinde

Vier Jahrzehnte hatte Abdel Fattah Junis das Ohr und das Vertrauen von Muammar Gaddafi. Denn 1969 war Junis vom Stamm der Abedatt Schulter an Schulter mit dem damals energiegeladenen und irgendwie modernistischen feschen Wüstensohn Muammar Gaddafi im revolutionären Kampf für ein neues Libyen unterwegs - oder auch nur im Kampf um die Macht.

Junis' letzte Funktion bei Gaddafi war die des Innenministers. Sein Auftrag: Er sollte das Regime nach innen gegen politische Störenfriede abschirmen. Humanistisch-demokratisch geschah dies in dem Land, das für Folter und Justizwillkür bekannt war, nicht.

Junis war die Nummer 2 in Gaddafis Regime. Als im Februar der lange vorhandene, aber nur hinter vorgehaltener Hand vorgetragene Unmut gegen den irrlichternden Diktator in einen bewaffneten Kampf umschlug, setzte sich der 64-jährige Generalmajor über Nacht ab und wurde Militärchef und Nummer 2 bei den militärisch ahnungslosen, elend ausgerüsteten Aufständischen in Bengasi.

In der Nähe der Rebellenhochburg ereilte ihn Donnerstagabend der Tod - ob durch eine Tätergruppe aus den eigenen, Gaddafi feindlich gesinnten Reihen oder durch Gaddafi-Loyale ist unklar. Seine Leiche war verschwunden, tauchte aber am Freitag bis zur Unkenntlichkeit verbrannt auf.

Die Hintergründe des Todes des militärischen Profis sind undurchsichtig. Er habe, lauten Mutmaßungen in Bengasi, weiterhin Kontakt zu Gaddafi gehabt und sei somit ein Verräter. Er sei von Gaddafi-loyalen Attentätern, deren Anführer festgenommen worden sei, ermordet worden, so die andere Version.

Verhaftet oder einberufen?

Undurchsichtig ist auch das Davor. Junis sei verhaftet worden und auf dem Weg von der Front nach Bengasi gewesen, lautet die eine Variante. Junis sei zur Information über die militärischen Vorkommnisse einbestellt worden, die andere.

Die Nummer 1 der Aufständischen, Mustafa Abdul Jalil (von 2007 bis zum Aufstand im Februar Gaddafis Justizminister), informierte die Öffentlichkeit in Bengasi "in aller Betroffenheit" vom Ableben seines Ex-Ministerkollegen und Mitstreiters im Bürgerkrieg.
Der Anschlag auf den zu Lebzeiten stets martialisch auftretenden Uniformträger hat die Wogen in Bengasi hochgehen lassen. Es wurde wieder geschossen, keiner wusste aber, wer auf wen.

Massiv geschossen wird im Westen Libyens, an der tunesischen Grenze. Dort haben die Rebellen zwei südliche Grenzübergänge unter ihrer Kontrolle. Der für ihren Waffennachschub so wichtige Übergang weiter nördlich kann aber von Gaddafi-Soldaten von einem Gebirge aus beschossen werden. Rebellen dort drücken mittlerweile ihre Verzweiflung über die NATO aus. "Wenn wir Misrata erreichen, sagen sie Stopp. Wenn wir Bir Ghanem erreichen, sagen sie Stopp, wenn wir Brega erreichen, sagen sie Stopp", kritisiert ein Kämpfer. Kein Wunder, denn würde Tripolis überrannt, müsste der Westen womöglich Gaddafi und die Seinen verteidigen. Das UNO-Mandat lautet schließlich "Schutz der Zivilbevölkerung".

Nahrung, Medizin, Öl sind knapp

Libyen hätte so viel Öl und Gas, dass noch vor Kurzem europäische Energie-Experten gehofft hatten, man könne die Ressourcen nach Europa leiten und damit weniger abhängig von Russland werden.

Jetzt geht beiden Seiten in dem monatelangen Bürgerkrieg die Energie aus. Benzin ist knapp - sowohl für Zivilisten als auch für die Rebellen eine prekäre Situation. Mit dem Spritmangel und den nicht funktionierenden Häfen kommt auch der Mangel an Nahrungsmitteln (der riesige Wüstenstaat ist hochgradig von Lebensmittel-Importen abhängig) und an Medikamenten. Sowohl die Gaddafi-Regierung als auch die Rebellen baten die UNO, eingefrorene Gelder für humanitäre Zwecke freizugeben.

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