General Haftar und seine Mission

Alltag in Bengasi: Die Armee kämpft gegen Terrorgruppen. Ein Ex-General will jetzt Feuer mit Feuer bekämpfen und die Islamisten „eliminieren“.
Abtrünnige Militärs starteten eine Offensive gegen Islamisten – und gewinnen Unterstützer.

Ein "Held", sagen die einen. Der "Retter Libyens". Die anderen bezeichnen ihn als machtgeilen Verräter, der Libyen jahrzehntelang im Stich gelassen hatte, als er sich im US-Exil entspannte. Der Ex-General Khalifa Haftar spaltet das Land. Doch mehr und mehr Libyer schließen sich jetzt seiner Gruppe an, zuletzt erklärten sich auch Innenminister und Luftwaffe solidarisch.

Nach Explosionen und Schießereien am Mittwochmorgen in Tripolis – angeblich wurden auch Büros von NATO und EU angegriffen – hat sich am Nachmittag die Lage in Libyen zunächst etwas beruhigt, während der abtrünnige General Khalifa Haftar quasi im Alleingang versucht, mit seiner Kompanie und Regierungspanzern in Libyen "aufzuräumen".

"Terror eliminieren"

Am Freitag begann Haftar einen – wie er es nannte – "Feldzug gegen die Islamisten" in Bengasi, der Hochburg der Terrorgruppe Ansar al-Sharia im Osten des Landes. Mehr als 70 Menschen starben. "Wir eliminieren die Terrorbewegung in Libyen", sagte Khalifa Haftar zur Washington Post. Am Sonntag attackierte die Gruppe auch das Parlament in der Hauptstadt Tripolis. Die Mission sei noch lange nicht beendet.

Seine Armee nennt er "National Libyan Army", vornehmlich abtrünnige Militärs. "Das ist kein Kampf, es ist eine Mission – für die Würde." Haftar behauptet, dass das gesamte libysche Militär hinter ihm und der "Operation Karama (Würde, Anm.)" stehe.

Aus dem Ausland gebe es hingegen keine Unterstützung. Auch mit der US-Regierung habe er keinen Kontakt. Mehrfach wurde ihm unterstellt, ein Handlanger Washingtons zu sein, wo er zwei Jahrzehnte gelebt hatte.

"Die alte Zeit zurück"

Doch auch wenn der General glaubt, ganz Libyen hinter sich zu haben, gibt es viele Skeptiker. "Die Libyer sind verzweifelt", erzählt ein junger Arzt, der während des Bürgerkrieges selbst gekämpft hatte. "Meine Freunde werfen mir jetzt vor, dass ich Gaddafi bekämpft habe", sagt er traurig. "Sie wünschen sich die starke Hand und die alte Zeit zurück. Sie wünschen sich irgendeinen Führer. Und geben sich sogar mit einem bösen Menschen wie Haftar zufrieden."

Der Ex-General verkauft seinen Kampf als Mission der "guten Anti-Islamisten gegen die bösen Islamisten", doch dahinter steht ein eiskalter Kampf um die Macht im erdölreichen Libyen.

Am 25. Juni sollen die Parlamentswahlen stattfinden. Man erhofft sich, dass sich dadurch die Spannungen legen werden. Die letzten Wahlen 2012 hatten die Liberalen gewonnen, sie konnten jedoch das Land nicht in den Griff bekommen. Islamisten sorgten vor allem im Osten für Unruhe, die libyschen Muslimbrüder sorgten für Chaos in der Politik.

Hunderte Rebellengruppen, die mehr oder weniger gemeinsam gegen Gaddafi gekämpft hatten, ließen sich nicht entwaffnen und in die Reihen des Sicherheitsapparates integrieren. Hinzu kam, dass auch Zivilisten sich weigerten, die Waffen abzugeben, die sie seit dem Bürgerkrieg in ihren Kästen und unter ihren Betten versteckt halten – denn die Zeiten sind alles andere als sicher. Fast täglich gab es auch vor Haftars Alleingang Schießereien und Entführungen.

Der Mann hinter der „Operation Würde“ ist der 65-jährige frühere General Khalifa Haftar. Er sorgte heuer bereits im Februar für Aufsehen, als er die Auflösung der Regierung ausgerufen hatte, was aber daraufhin von den Behörden zurückgewiesen wurde.

Der Militär Haftar war unter Gaddafi zum General aufgestiegen und wurde in dieser Funktion in den späten achtziger Jahren bei einer Invasion im Tschad gefangen genommen. Danach wandte er sich gegen Gaddafi und lebte in Washington im Exil. Wie viele seiner Landsleute kam er erst nach Gaddafis Sturz und Tod Ende 2011 nach Libyen zurück.

Kein Staatsstreich

Die derzeit laufende Offensive habe er rund 18 Monate geplant, so Haftar zur Washington Post. Seine „Libyan National Army“ habe sowohl den Rückhalt der Armee als auch der Mehrheit der Bevölkerung, glaubt er. Es heißt, dass die mächtige Al-Zintan-Brigade, die den Gaddafi-Sohn Saif al-Islam in ihrer Gewalt hat, ebenso hinter Haftars Einheit steht wie Libyens Luftwaffe.

Einen Coup plane er nicht, wiederholte er in den vergangenen Tagen mehrmals. Die Übergangsregierung hatte ihn dessen beschuldigt. Auch wolle er keine Führungsrolle übernehmen: „Es geht mir um den Schutz Libyens und seines Volkes“, sagt er.

Kommentare