Libyen: 8000 Vermisste nach Bürgerkrieg

Libyen: 8000 Vermisste nach Bürgerkrieg
Während des Bürgerkrieges sind unzählige Menschen verschwunden - Tausende Leichen wurden aus Massengräbern geborgen.

„Ich weiß nicht, ob er tot ist oder lebt“, sagt Hisham Sharif zu einem Reporter der BBC. Wie etliche andere Libyer, die immer wieder zusammenkommen, um auf ihre vermissten Familienmitglieder aufmerksam zu machen, hält Hisham ein Bild seines 40-jährigen Bruders Tarek in den Händen.

In einer kleinen Halle in Tripolis hängen an einer Wand Tausende Fotos. Von den Bildern lachen Tarek Sharif und andere Vermisste. Viele von ihnen wurden während des Bürgerkriegs in Libyen aus Tripolis entführt und an einem unbekannten Ort gefangen gehalten. Manche, so erzählt man in der Hauptstadt, wurden nur ein Stück außerhalb der Stadt hingerichtet. Nicht nur Mitglieder der ehemaligen Opposition – auch Männer in Armee-Uniform sind auf den Bildern zu sehen. Dazwischen Lücken, wo einmal Fotos hingen. Diese Menschen sind aber meist nicht wieder aufgetaucht – sondern ihr Tod wurde bestätigt.

Massengräber

Denn Tausende Leichen wurden bereits aus Massengräbern geborgen, die an verschiedenen Orten am Küstenstreifen entdeckt worden waren. Bei Tripolis, bei Misrata, Bengasi. Einige entdeckte Gräber sind schon 20 Jahre alt. Etwa eines bei Tripolis, in dem mehr als 1200 Leichen lagen, fast jede mit einem Fetzen über den Augenhöhlen, fast jede mit einem Einschussloch im Kopf. Es sollen die Opfer des Massakers an 2000 Häftlingen des Abu-Salim-Gefängnisses von 1996 sein.

Doch auch frische Massengräber werden laufend entdeckt. Das macht es nicht leichter für die Angehörigen der Vermissten, denn eine Identifizierung dauert unerträglich lange. Dr. Salem al-Farjani, ein Chirurg, der während der Kämpfe in einem Krankenhaus in Tripolis tätig war, hatte das geahnt. Er schrieb die Namen der toten Oppositionskämpfer im Spital in ein geheimes Büchlein, bevor die Leichen abtransportiert wurden. Deren Angehörige haben nun wenigstens schneller Gewissheit, was mit ihren Liebsten passiert ist.

Auf beiden Seiten Vergangene Woche rief UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon die l­ibysche Regierung dazu auf, Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit des Bürgerkriegs aufzuklären. Laut UNO-Bericht haben beide Seiten Kriegsverbrechen begangen. Der Bericht beschuldigt auch die Revolutionsbrigaden, Häftlinge aus den Reihen der Gaddafi-Anhänger zu foltern. Rund 6000 Ex-Soldaten sollen in Privatgefängnissen der Milizen untergebracht sein. Ärzte ohne Grenzen dokumentierte systematischen Missbrauch in Gefängnissen und rief vor einigen Wochen die Behörden dazu auf, die Verbrechen zu ahnden. Das Justizministerium leitete Ermittlungen ein.

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