"Donald Trump? Den mögen wir nicht"

"Trump in den Müll": Proteste von Latinos.
Noch nie hat sich ein Wahlkampf in den USA so sehr um die Latinos gedreht. Wie die Präsidentschaftskandidaten um die größte Minderheit buhlen – und wen Kubanoamerikaner in Miami wählen.

Die Domino-Steine klackern auf den Tischen, ein paar ältere Spieler diskutieren auf Spanisch, rauchen Zigarren. Es ist eine zeitlose Szene, die sich in diesem Park abspielt, sie könnte überall in Kuba sein. Schauplatz ist aber nicht Havanna, sondern der Stadtteil Little Havana in der US-Metropole Miami. Nicht die Castros regieren hier die politischen Diskussionen, sondern eine ganz besondere Figur des US-Wahlkampfs: "Hast du gehört, was Donald Trump schon wieder gesagt hat?" Der neueste Klatsch über den republikanischen Präsidentschaftskandidaten wird ausgetauscht, man schüttelt den Kopf, lacht.

Jeder sechste US-Amerikaner ist ein Latino

"Donald Trump? Den mögen wir nicht"
In dieser Ecke Miamis ist spürbar, was die Statistik mit Zahlen belegt: Jeder sechste US-Amerikaner ist heute ein Latino. Die Einwanderer aus Lateinamerika und ihre Nachkommen stellen 17 Prozent der Bevölkerung, in Florida sind es sogar über 24 Prozent. In Miami wird Spanisch überall gesprochen, oft noch vor Englisch. Die Latinos sind längst nicht mehr zu ignorieren – das hat auch die Politik erkannt. Noch nie hat sich ein US-Wahlkampf so um sie gedreht: "Ihre Stimmen werden 2016 so wichtig wie noch nie, möglicherweise auch entscheidend", sagt Mark H. Lopez vom Pew Research Center in Washington.

Die Kandidaten setzen deshalb auf zweisprachige Kampagnen. Sei es nun Republikaner Jeb Bush, der mit einer Mexikanerin verheiratet ist, fließend Spanisch spricht und das auch gerne vor laufender Kamera. Oder Parteikollegen Marco Rubio und Ted Cruz, beide Söhne kubanischer Einwanderer.

Clinton setzt auf Salsa

"Donald Trump? Den mögen wir nicht"
Democratic U.S. presidential candidate Hillary Clinton speaks during a "Latinos for Hillary" rally in San Antonio, Texas October 15, 2015. REUTERS/Darren Abate
Aber auchHillary Clinton baut auf die Stimmen der Latinos – traditionell wählen diese auch mit Vorliebe demokratisch. Bei einem Wahlkampfevent in Texas spielt sie Salsa und Jennifer Lopez, auf Schildern steht "Estoy contigo" ("Ich bin mit dir"). "Latinas und Latinos", setzt sie an. "Ihr seid keine Fremden, keine Eindringlinge. Ihr seid unsere Nachbarn, unsere Freunde, unsere Familie." Das Publikum johlt.

Clinton stellt damit ein klares Zeichen gegen einen Gegner: Donald Trump. Der Milliardär schert sich nicht um die Stimmen der größten Minderheit, geht offen auf Konfrontation. Wiederholt hat Trump illegale Einwanderer aus Mexiko als Vergewaltiger oder Drogendealer bezeichnet. Sollte er ins Weiße Haus einziehen, will er eine Mauer an der Grenze errichten. Wenn er die Bühne betritt, dann spielt es nicht Salsa oder Jennifer Lopez. Wenn Trump die Bühne betritt, dann spielt es Rock.

"Wir Kubaner sind konservativ"

"Trump? Den mögen wir nicht", erklärt einer der Domino-Spieler in Miami. Fast täglich kommt der stämmige Al García in den Park. In Havanna geboren, lebt er seit seiner Kindheit in den USA. Domino ist ein Teil seiner kubanischen Identität, auf der Insel gilt es als Nationalspiel.

"Donald Trump? Den mögen wir nicht"
Eigentlich ist sein Name Hernaldo, für die Amerikaner hat er sich den Spitznamen Al zugelegt. Er trägt eine schwarze Baseballkappe, dazu einen breiten Grinser. Mühelos switcht er zwischen Spanisch und Englisch. Hillary Clinton profitiert laut Umfragen von den Entgleisungen Trumps, punktet bei den Latinos. Doch nicht bei Al. "Wir Kubaner sind konservativ", erklärt er und sortiert seine weiß-blauen Dominosteine. "Wir wählen lieber republikanisch." Das bestätigt eine Studie der Universität Florida: 57 Prozent der US-Kubaner stimmen für die Republikaner, doppelt so viele wie der Durchschnitt der Latinos. Sein Mitspieler Rafael erklärt das so: "Kennedy hat die Kuba-Invasion gestoppt. Wir mussten fliehen – also wählen wir nicht seine Partei, sondern die Republikaner."

"Miami ist Marco-Rubio-Land"

Wirtschaft, Bildung, Gesundheit: In all diesen Bereichen tendieren Kubanoamerikaner dazu, konservativer zu sein. Aber nicht nur Kennedys Politik ist dafür ausschlaggebend: Seit 1966 gelten für Kubaner erleichterte Einwanderungsgesetze. Sie werden älter, verfügen über mehr Bildung und Einkommen als der Rest der hispanischen Bevölkerung der USA, so das Pew Research Center. Diese bessere Stellung erklärt, warum gleich mehrere Republikaner kubanische Wurzeln haben.

Einer von ihnen ist Floridas Senator. "Miami ist Marco-Rubio-Land", steht in seiner Heimatstadt auf den Wahlplakaten. Als Sohn kubanischer Einwanderer punktet er aber nicht automatisch bei allen Latinos. Marco Rubio will schließlich Obama-Care abschaffen, ist gegen eine Erhöhung der Mindestlöhne. Um jene anzusprechen, die eigentlich eher demokratisch wählen, setzt er auf Emotionen. Obwohl Kubaner, sei er nicht privilegierter, betont er. Der neueste Fernsehspot zeigt seinen Vater, der als Kellner arbeitete, um seinen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. "Rubios Leben ist die Erfüllung des amerikanischen Traums", so das Statement.

Zumindest in Little Havana ist er der große Favorit. Al ist zwar kein Fan von Rubio, aber wählen, ja wählen, würde er ihn. Er legt die Domino-Steine nieder, rückt sich seine Kappe zurecht. "Er ist schließlich einer von uns."

Noch steht Donald Trumps Name an der Spitze der Umfragen. Doch das könnte sich ändern, wenn in den USA ab Februar die Vorwahlen für die Kür der Präsidentschaftskandidaten beginnen. Und dann, so hofft es das Establishment der republikanischen Partei, könnten sich allmählich moderatere Kandidaten durchsetzen als der streitlustige Milliardär, der zuletzt mit einem geforderten US–Einreiseverbot für Muslime schockierte.

Eine Hoffnung gilt dabei ganz besonders Marco Rubio. Jung, smart, telegen und rhetorisch brillant repräsentiert der konservative Senator aus Florida alles, was Siegertypen ausmacht. Sein Trumpf: Rubio ist der Sohn kubanischer Einwanderer. Jahrelang hatte sich sein Vater mühsam mit schlecht bezahlten Jobs durchgeschlagen, sein Mutter arbeitete als Putzfrau – ihr drittgeborener Sohn Marco aber verwirklichte den "amerikanischen Traum". Absolvierte Schule und Studium mit Bravour. Fast wäre Rubio Profi-Footballspieler geworden, hätte ihn nicht eine Verletzung zum Aufgeben gezwungen.

Latino-Hintergrund

Als Anwalt kam er in seiner Heimatstadt Miami bald mit der republikanischen Partei in Kontakt, die das Potenzial des jungen Mannes mit Latino-Hintergrund sofort erkannte. "Rubio ist der beste Kommunikator seit Ronald Reagan", streut der Oberstratege der Republikaner, Karl Rove, dem 44-jährigen Senator Rosen. Wo er hinkommt, in Turnhallen-Versammlungen, bei Parteireden, bei allen Stationen seines Vorwahlkampfes: Überall tobt die Menge, jubelt dem charismatischen Jung-Politiker zu. Knapp 14 Prozent der republikanischen Wähler würden den vierfachen Vater Rubio derzeit gerne als ihres konservativen Präsidentschaftskandidaten fürs Rennen um das Weiße Haus sehen. (Trump liegt bei 28 Prozent). Seine Beliebtheitswerte steigen langsam, aber stetig. In Florida kann er mit riesiger Unterstützung der Wählergruppe der Latinos rechnen. Er gilt als einer der "ihren", als einer, der sich aus eigener Kraft nach ganz oben gearbeitet und seine Wurzeln doch nicht vergessen hat. Alles, was stramme Republikaner im Programm haben, steht auch auf Rubios Liste: Frontstellung gegen Obama, Steuersenkungen und wenig Ausgaben für den Staat, Recht auf Waffentragen, gegen Abtreibung und Homo-Ehe.

Einwanderungsreform

Nur in einem Punkt schert Marco Rubio aus der republikanischen Parteilinie aus: der Einwanderungsreform. Elf Millionen illegale Einwanderer, fast alle mit Latino-Hintergrund, könnten nicht einfach aus den USA hinausgeworfen werden, ließ Rubio wissen – und verstörte damit gleich die ultra-konservativen Kreise seiner Partei. Umso interessanter aber wird Rubio damit für die große Zahl an Latino-Wählern, die bisher mehrheitlich demokratisch wählten.

Doch je populärer Rubio wird, ums heftiger werden die Angriffe seiner Gegner. Er habe eine Parteikreditkarte auch für private Zwecke genutzt, schimpft Donald Trump. Das will Rubio demnächst mit Abrechnungen widerlegen. Direkt antworten will er darauf nicht. "Ich kann nicht auf alle Verrücktheiten von Donald Trump eingehen", sagt Rubio. "Da hätte ich ja für nichts mehr Zeit."

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