"Šešelj-Freispruch ist eine Schande"
Der Ultranationalist und frühere "Chefpropagandist Großserbiens", Vojislav Šešelj, ist am Donnerstag vom Haager Kriegsverbrechertribunal in allen Punkten überraschend freigesprochen worden.
Wegen seiner Hasspropaganda wurde er als einer der schlimmsten Kriegstreiber der Balkankriege bekannt. Ihm wurden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Vertreibung und Folter vorgeworfen. Die Anklage hatte 28 Jahre Haft gefordert. Šešelj selbst war am Donnerstag nicht in Den Haag. Er war nach elf Jahren Haft 2014 wegen einer Krebserkrankung vorläufig entlassen worden – und ist nie nach Den Haag zurückgekehrt.
Worte nicht kriminell
In ihrem Urteil kritisierten die Richter die Beweisführung als unzureichend. Es gebe keine klaren Beweise, dass Šešelj direkt hinter großflächigen Attacken gegen Kroaten und Muslimen stehe. An Kriegsverbrechen sei der frühere enge Gefolgsmann von Präsident Slobodan Milošević maximal "indirekt verantwortlich". So hätte etwa die Freiwilligentruppe der "Šešelj-Männer" zwar in seinem Namen, aber nicht auf seinen Befehl hin gehandelt, als sie sich an Kriegsverbrechen beteiligte.
"Die Propaganda von nationalistischen Ideologien ist nicht strafbar", sagte Richter Jean-Claude Antonetti am Donnerstag. Šešeljs Plan von Großserbien sei ein politischer gewesen, kein krimineller. Schnell wurden kritischen Stimmen laut, die es für gefährlich halten, dass das Tribunal – insbesondere in Zeiten des immer stärkeren Nationalismus in Europa – derartige Ideen lediglich als eine Art von Politik bezeichnen.
Zagrebs Blockade
Šešelj, der Vorsitzende der ultranationalen großserbischen Radikalen Partei (SRS) kündigte nach dem Urteil an, eine Entschädigung von 14 Millionen Euro für seine Haftzeit zu verlangen. Der Freispruch könnte auch seiner Partei Auftrieb geben. Bei der vorgezogenen Wahl Ende April könnte die SRS nach vier Jahren wieder ins Parlament einziehen. Sie liegt knapp über der Fünf-Prozent-Hürde.
Nicht nur die Anklage reagierte enttäuscht. Kroatische Medien sprachen von "Schock", Premier Orešković nannte das Urteil eine "Schande". Zagreb will nun den serbischen EU-Beitritt blockieren. Das hatte die Regierung bereits vor dem Šešelj-Urteil angekündigt – weil der Angeklagte unbehelligt in Belgrad leben konnte. Nach dem Freispruch dürfte sich daran nichts ändern.
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