Kopten: "Kein arabischer Frühling für die Christen"

Protestmarsch für die Opfer: Bei Gefechten vergangenen Oktober wurden 24 Kopten getötet.
Am Wochenende wählt Ägypten einen neuen Präsidenten. Der mögliche Sieg eines Muslimbruders ängstigt die Christen - Tausende haben bereits das Land verlassen.

Die Revolution, die mit lauten Sprechchören und bunten Transparenten am Tahrir-Platz ihren Anfang nahm, versprach Freiheit und Demokratie für alle Ägypter. Die christliche Minderheit der Kopten träumte mit, hoffte auf mehr Gleichberechtigung und Religionsfreiheit. Nun verlassen Tausende die Heimat.

Seit dem Sturz von Hosni Mubarak haben rund 100.000 Kopten Ägypten den Rücken gekehrt. Das teilte die Menschenrechtsorganisation Egyptian Union for Human Rights mit. Viele sind jung und gut ausgebildet; im Ausland erhoffen sie sich mehr Möglichkeiten und Rechte. In ihrer Heimat fühlen sie sich bedroht, von radikalen Islamisten und dem Militärrat eingeschränkt.

Dabei spielen die Kopten keine unwichtige Rolle im Land. Zehn Prozent der Wähler gehören der christlichen Minderheit an. Rund acht Millionen Kopten gibt es im Land des Nils. Seit Anfang der 50er Jahre und dem Putsch von Gamal Abdel Nasser, werden sie politisch und gesellschaftlich diskriminiert. Die Arbeitssuche als Kopte ist schwierig und auf Branchen beschränkt: So finden sich im Goldhandel fast ausschließlich Christen.

Während islamischer Feierlichkeiten und Gebetszeiten ist die christliche Religion von der Öffentlichkeit so gut wie ausgeschlossen. "Zu Zeiten des Ramadan wird oft gegen Kopten gewettert. Vor allem Frauen ohne Kopftuch sind Beschimpfungen ausgeliefert", erklärt Sherif Ghobreyal im Gespräch mit dem KURIER. Der junge Kopte lebt seit Jahren in Wien. Dass viele junge Christen Ägypten verlassen, merkt er auch in der eigenen Familie: "Viele meiner Cousins versuchen für das Studium nach Österreich zu kommen. In Ägypten gibt es einfach kaum Arbeit und Perspektiven für die Jugend".

Größtes Blutbad seit Ende der Revolution

Die Kopten seien nach dem Umsturz Mubaraks eher enttäuscht worden. "Für die Christen gab es keinen arabischen Frühling. Die Revolution hört sich romantisch an – tatsächlich aber steht das Land nun vor einer unsicheren Zukunft. Die Kopten sind mehr Minderheit denn je", sagt Ghobreyal.

Seit dem Regimewechsel im vergangenen Jahr haben sich die Angriffe auf die Kopten radikalisiert: Viele Salafisten und Muslimbrüder greifen Christen nun offen an. Das berichtet auch die Egyptian Union for Human Rights. Religiöse Gegner stecken ihre Kirchen in Brand, es kommt immer wieder zu stundenlangen Gefechten und Straßenschlachten. Proteste von Kopten im vergangenen Oktober endeten im größten Blutbad seit Ende der Revolution. Mindestens 24 Menschen starben.

Kopten und Liberale für Shafik als Präsidenten

Der Ausgang der Präsidentenwahl ist nun entscheidend für die Zukunft der Kopten. Bei der ersten Runde der Präsidentenwahlen Ende Mai verbuchte der Kandidat der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, 24,8 Prozent der Stimmen; sein Konkurrent, Ahmed Shafik, 23,9 Prozent. Die Stichwahl am Wochenende soll ein endgültiges Ergebnis bringen. Einen Sieg Mursis und damit einen weiteren Aufstieg der Muslimbrüder fürchten die Kopten, auch wenn dieser Rechte für die Christen verspricht.

Vor allem die Aussagen mancher Muslimbrüder, dass die Kopten für ein Bleiberecht bezahlen oder sonst das Land verlassen sollten, schüren Ängste und Wut in der christlichen Minderheit. Daher sprechen sich viele für den ehemaligen Mubarak-Mann Shafik aus. Nicht nur die Kopten, sondern viele liberale Ägypter sehen Mohammed Mursi ungern an der Spitze. Sie befürchten einen Rückschritt für das Land und seine noch junge Demokratie.

Überschattet sind die Wahlen auch durch den Entschluss der Verfassungsrichter von Donnerstag, die ersten parlamentarischen Wahlen von Jänner für ungültig zu erklären. Der damalige Sieg der Islamisten ist damit aufgehoben, die Spannungen im Land kurz vor der Eskalation.

 

Die Kopten gehören zu den altorientalischen Kirchen. Ihre  Abkunft leiten sie von den alten Ägyptern ab. Der arabische Name "Kibt" kommt von "Aigyptos". Der Anteil der Kopten an der ägyptischen Bevölkerung beträgt ungefähr zehn Prozent.

In Österreich ist die koptisch-orthodoxe Kirche seit 1976 präsent. Sie zählt mehr als 5000 Mitglieder und ist seit 2003 staatlich anerkannt. Die koptisch-orthodoxe Kathedrale im 22. Wiener Gemeindebezirk wurde 2004 vom damaligen Kopten-Papst Shenouda III. feierlich geweiht.

 

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