Gespräche der Kontaktgruppe in Minsk
Vertreter Russlands, der Ukraine und der OSZE sind am Donnerstag zu Krisengesprächen in Weißrusslands Hauptstadt Minsk zusammengetroffen. Ihr Gastgeber, Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko, versprach, "alles Notwendige" zu unternehmen, um zur Entspannung der Lage in der Ostukraine beizutragen. Das Treffen ging auf einen Vorschlag des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zurück.
Teilnehmer der Krisengespräche waren der ehemalige ukrainische Präsident Leonid Kutschma, der russische Botschafter in der Ukraine, Michail Surabow, und ein Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Russischen Medien zufolge könnten am Freitag Vertreter der bewaffneten Regierungsgegner aus der Ostukraine zu den Gesprächen hinzustoßen.
Rebellenführer hatten ihre Teilnahme allerdings an einen vorherigen Abzug der ukrainischen Truppen aus den Gebieten im Osten des Landes geknüpft. Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass meldete, die Rebellen wollten auch über einen Gefangenenaustausch sprechen.
Das letzte Treffen der Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE mit den Aufständischen in der Ostukraine hatte am 17. Juli in Kiew stattgefunden. Die per Videokonferenz zugeschalteten Rebellen sagten damals zu, Experten einen sicheren Zugang zur Absturzstelle der malaysischen Passagiermaschine zu ermöglichen.
Kriegssteuer
Mit großer Mehrheit hat das ukrainische Parlament den Rücktritt von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk abgelehnt. Damit scheint die Regierungskrise mitten in der Offensive gegen die prorussischen Rebellen im Osten abgewendet zu sein. Die Abgeordneten stimmten auch mehr Mitteln für den Militäreinsatz zu. Dazu zählt eine Kriegsabgabe von 1,5 Prozent auf alle steuerpflichtigen Einkommen.
Jazenjuk hatte vergangene Woche seinen Rücktritt angekündigt, weil die Abgeordneten das Nachtragsbudget für das laufende Jahr in einer ersten Abstimmung nicht angenommen hatten. Präsident Petro Poroschenko hatte die Abgeordneten unmittelbar vor ihrem Votum eindringlich aufgefordert, dem Budget doch noch zuzustimmen.
Teil des Budgetpakets ist auch eine Kriegsabgabe von 1,5 Prozent, die bis zum 1. Jänner 2015 gelten soll. Beschlossen wurden auch höhere Steuern auf Tabakwaren und auf die Rohstoffförderung. Noch vor einer Woche hatten die Abgeordneten neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkrieges in der Ostukraine abgelehnt. Deshalb hatte auch Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt erklärt.
Die Freigabe weiteren Geldes für die Militäroperation hatte Jazenjuk als Bedingung für seinen Verbleib im Amt genannt. Das Parlament sprach ihm das Vertrauen aus. Lediglich 16 Abgeordnete stimmten für einen Rücktritt.
Poroschenko zeigte sich nun erleichtert angesichts der neuen Finanzierung für den Bürgerkrieg, der das Land aktuell umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro am Tag kostet. "Es gibt in der Weltwirtschaft heute zwei wichtige Nachrichten. Die erste ist, dass Argentinien den Staatsbankrott erklärt hat, die zweite ist, dass die Ukraine keine Pleite erklärt hat und auch nie erklären wird", sagte Jazenjuk. Der kommissarische Regierungschef Wladimir Groisman wechselt wieder auf seinen Posten als stellvertretender Ministerpräsident.
Luhansk völlig eingekesselt
Die Ukraine stellt ihre Offensive gegen pro-russische Separatisten im Osten des Landes für einen Tag ein. Dies gab die Armee heute in Kiew bekannt. Man sei einer Bitte von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon nachgekommen, um internationalen Ermittlern den Zugang zur Absturzstelle des malaysischen Passagierflugzeugs zu ermöglichen, sagte ein Armeesprecher. "Der Generalstab der Anti-Terror-Operation hat entschieden, einen 'Tag des Schweigens' und eine Einstellung der Kämpfe anzuordnen", sagte der Sprecher.
Unterdessen ist die Großstadt Luhansk völlig eingekesselt. Die Lokalbehörden erklärten, die Einwohner seien inzwischen von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten. Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte und Märkte seien nur unregelmäßig geöffnet, teilte die Stadtverwaltung auf ihrer Internetseite mit.
Die Lieferungen von Lebensmitteln in die Stadt seien gestoppt worden. Die Geschäfte könnten nur noch das verkaufen, was sie in den Lagern hätten. Die Vorräte schwänden mit jedem Tag. Die ukrainische Armee erklärte, sie habe einen Korridor eingerichtet, durch den die Einwohner von Luhansk aus der Stadt fliehen könnten. Sie feuere auch nicht in Wohngebiete.
Bis zu 80 Opfer noch nicht geborgen
An der Absturzstelle des malaysischen Flugzeugs sind nach Angaben der australischen Außenministerin bis zu 80 Leichen noch nicht geborgen. Julie Bishop sprach am Donnerstag im australischen Rundfunk von großer Frustration, weil die Ermittler wegen der anhaltenden Kämpfe bislang nicht zur Absturzstelle vordringen können
Bishop erhob neue Vorwürfe gegen Russland: "Meine große Sorge ist, dass Russland den Prozess aktiv untergräbt". Bishop hält sich derzeit in der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf. Unter Bezug auf Geheimdienstinformationen sagte sie: "Danach sieht es ganz so aus, dass die Raketen von russischer Seite kommen und die Separatisten schwer bewaffnet sind. Sie haben Artillerie, sie haben Raketen. So etwas kauft man nicht im Laden an der Ecke."
Die Boeing 777 war am 17. Juli auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur gewesen. Bei der Tragödie starben alle 298 Menschen an Bord, die meisten von ihnen waren Niederländer. Die Regierung in Kiew und westliche Staaten werfen den prorussischen Separatisten vor, Flug MH17 mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen zu haben.
Russland beginnt Militärübung
Russland hat nach eigenen Angaben am Donnerstag in der südlichen Region Astrachan mit einer zweitägigen Militärübung begonnen. Wie ein Sprecher des zentralen Militärdistrikts sagte, nehmen an dem Manöver Einheiten mit S-300-Boden-Luft-Raketen, SU-24-Kampfflugzeuge sowie MiG-31-Abfangjäger teil.
Die Übungen seien seit längerem geplant und hätten nichts mit den Spannungen in der Ukraine zu tun. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, mit dem Manöver solle geübt werden, wie ein "massiver Raketenangriff" zurückzuschlagen sei.
Die ukrainische Regierung verlangte von der russischen Seite Erklärungen zu "militärischen Aktivitäten nahe der Grenze". Diese hätten bereits am Dienstag begonnen, hieß es. Das Außenministerium in Kiew zeigte sich besonders beunruhigt über "großangelegte", dreitägige Manöver der russischen Armee nahe der Grenzregionen Rostow und Stawropol
Inzwischen überlegen auch die Staaten der G-7 weitere Saktionen gegen Russland zu verhängen.
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