Konflikt Ankara-Berlin: "Die Zeit des Kuschelns ist vorbei"

Mehr als 200 Tage in U-Haft: der deutsche Journalist Deniz Yücel
Nach Verhaftungen parteiübergreifende Forderung in Deutschland nach mehr Härte gegenüber der Türkei.

"Jetzt reicht’s", formulierte CSU-Chef Horst Seehofer nach den jüngsten beiden Verhaftungen von deutschen Staatsbürgern in der Türkei. Die "Serie von Verstößen gegen europäische Grundgedanken, gegen die Rechtsstaatlichkeit" sei inakzeptabel, die Bundesregierung und die EU müssten nun "deutliche Signale setzen". Dazu zählen für den bayerischen Ministerpräsidenten vor allem die Aussetzung der EU-Beitrittsgespräche sowie die Blockierung der Finanzhilfen in der Höhe von 4,2 Milliarden Euro.

Hintergrund: Am Donnerstag waren neuerlich zwei Bundesbürger auf dem Flughafen in Antalya festgenommen worden – offenbar aus politischen Gründen. Womit die Zahl der inhaftierten Deutschen in der Türkei auf 55 gestiegen ist. Der bekannteste ist Deniz Yücel. Der Journalist der Welt sitzt bereits seit mehr als 200 Tagen im Gefängnis, ohne Anklageschrift. Selbst die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die bisher all zu scharfe Töne in der Causa vermieden hatte, wurde jetzt deutlich: Die Festnahmen hätten "in den allermeisten Fällen keine Grundlage". "Deshalb müssen wir auch entschieden reagieren" und die Türkei-Politik "vielleicht weiter überdenken". Eine Ausweitung der bestehenden Zollunion zwischen der EU und der Türkei schloss sie derzeit aus.

Sprache der Härte

In Berlin herrscht in dieser Frage ein parteienübergreifender Konsens. "Jedes Entgegenkommen für diesen Mann (den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan) ist ein Tritt in die Kniekehlen der demokratischen Opposition", sagte FDP-Vorsitzender Christian Lindner, "Herr Erdoğan versteht nur die Sprache der Härte."

Cem Özdemir von den deutschen Grünen bezeichnete – ähnlich wie zuvor auch schon Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) – den türkischen Staatschef als "Geiselnehmer, der Menschen gefangen nimmt, um uns zu erpressen". Der Grünen-Spitzenkandidat fordert daher eine härtere Gangart: "Die Zeit des Kuschelns ist vorbei."

Unter anderem will er eine offizielle Reisewarnung, damit Touristen, die ihren Trip ins Land am Bosporus stornieren wollten, dies auch kostenfrei tun können. Derzeit gibt es in Deutschland bloß Reisehinweise.

Kritik aus der Türkei

Auf wenig Gegenliebe stößt die Kritik in der Türkei. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, dass sich Deutschland aufrege, wenn die Türkei Putschisten festnehme, "aber was geht euch das an? Das ist auch ein türkischer Staatsbürger, aber Deutschland fragt, 'warum nehmt ihr meinen Staatsbürger fest?'"

Laut der türkischen Nachrichtenagentur Dogan handelt es sich um zwei Deutsche türkischer Herkunft. Sie wurden demnach wegen angeblicher Verbindungen zum gescheiterten Militärputsch in der Türkei vom Juli vergangenen Jahres am Flughafen von Antalya festgenommen.

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