Auf Schmusekurs mit Ankara: EU skeptisch

Positive Signale aus Ankara sollten trotz allem skeptisch beurteilt werden

Tauwetter zwischen der Türkei, Deutschland und Österreich. Der türkische Außenminister Cavusoglu gibt seit langem wieder Interviews in deutschen Medien - und ausnehmend freudliche dazu.

"Erdogan hat nur reagiert"

"Es gibt keinen Grund für Probleme zwischen Deutschland und der Türkei", sagte er im Gespräch mit dem SPIEGEL. "Wenn ihr einen Schritt auf uns zugeht, gehen wir zwei auf euch zu."Die Schuld für die Krise im deutsch-türkischen Verhältnis sieht Cavusoglu trotzdem bei Deutschland: Präsident Recep Tayyip Erdogan habe nie von sich aus die Konfrontation mit Deutschland gesucht. "Er hat stets nur auf Attacken reagiert." Cavusoglu hofft, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei unter der neuen Bundesregierung normalisiert. Ganz ähnliche Tendenzen gibt es auch den lange eisigen Beziehungen mit Österreich. Außenministerin Karin Kneissl wird schon in den nächsten Tagen nach Istambul reisen, um dort Cavusoglu zu treffen. Zwar betont Kneissl gegenüber dem KURIER, dass es sich vor allem um eine "Verbesserung der Atmosphäre" handeln soll, sie will aber "das zerbrochene Porzellan kitten" und setzt auf Dialog: "Ohne den geht gar nichts". Im Programm der Regierung bleibt man allerdings vorerst dabei: Endgültiges Aus für die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

"Nichts geändert"

In Brüssel aber sieht man die neue Charmeoffensive aus Ankara und die positiven Signale in Berlin und Wien skeptisch. Die vorsichtige Wiederannäherung wird aufmerksam beobachtet. Können die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vielleicht bald schon weitergehen? Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur warnt EU-Kommissar Johannes Hahn vor solchen Erwartungen und fordert die EU-Staaten auf, an einer „realistischeren Form der Beziehungen“ zu arbeiten: "Es ist sicher zu begrüßen, wenn die Türkei anstrebt, mit einzelnen Mitgliedstaaten wie auch mit der EU insgesamt wieder zu einem konstruktiven Dialog zurückzukehren. Gleichzeitig ist eine Charmeoffensive alleine nicht ausreichend. Was zählt, sind die Fakten vor Ort, und diese haben sich leider noch nicht geändert."

Hahn erwähnt dabei vor allem den kläglichen Zustand des türkischen Rechtsstaates: "Die Situation hat sich nicht verbessert. Nach wie vor sind Zehntausende Menschen - Journalisten, Anwälte, Akademiker, Staatsbedienstete - in Haft oder ihrer Existenz beraubt." Der EU-Kommissar plädiert dafür, die Beziehungen grundsätzlich neu zu diskutieren, da der EU-Beitritt ohnehin außer Reichweite sei: "Ich würde es begrüßen, wenn die Mitgliedstaaten sich mit der Frage auseinandersetzen, wie eine strategische Partnerschaft mit der Türkei aussehen könnte. Der EU-Beitrittsprozess ist ja auf Beschluss der Mitgliedstaaten bereits zum Stillstand gekommen. Deswegen wäre es für beide Seiten produktiver, an einer realistischeren Form der Beziehungen zu arbeiten."

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