Klimawandel und Armut als Fluchtgründe: Das ist zu tun

Dürre und damit Hungerkatastrophen werden als Folge der Erderwärmung zunehmen
Der deutsche Umweltexperte Klaus Töpfer listet auf, was rund um den Globus getan werden müsste, um eine Völkerwanderung zu verhindern.

Wenn Klaus Töpfer, der frühere Leiter des UN-Umweltprogramms (UNEP), in Wien die drohenden globalen Katastrophenszenarien beschreibt, wird es in der Zuhörerschaft, durchwegs führende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und dem Umweltbereich, sehr still. Als Gast der Österreichischen Hagelversicherung zeichnet er am Donnerstag ein bedrohliches Bild des Klimawandels, der wachsenden Not in den Entwicklungsländern und der drohenden Massenflucht in reiche Länder.

9 Milliarden Menschen

Kern seiner Überlegungen ist die Prognose, wonach im Jahr 2050 bereits neun Milliarden Menschen auf der Welt leben werden. "Psychologisch", sagt Töpfer, bestehe die Gefahr, dass man dabei "nur neun" denke. "Als ich 1938 geboren wurde, gab es weltweit 2,7 Milliarden Menschen, jetzt – also nur innerhalb einer Generation – sind es 7,3 Milliarden; bald sind es neun Milliarden, und die sind ja nicht gleichmäßig verteilt", sagt Töpfer. Während 90 Nationen keinen Zuwachs mehr hätten, darunter auch China trotz der Abkehr von der Ein-Kind-Politik, wüchsen vor allem Afrika und der indische Subkontinent. Gerade die betroffenen Länder seien in der Wohlstandskette bereits jetzt ganz am Schluss, hätten zugleich ein sehr niedriges Durchschnittsalter.

Die Jungen werden nicht zuschauen

"Da ist also eine sehr junge wachsende Bevölkerung in Armut, die wir uns kaum vorstellen können", sagt Töpfer, der das als UNEP-Chef neun Jahre lang in der kenianischen Hauptstadt Nairobi erlebt hat. "Und diese Jugend sitzt neben der Bevölkerung, die immer älter und reicher wird. Da werden die Heranwachsenden, wenn sich die Not durch Hunger und andere Katastrophen noch verschärft, nicht lange zusehen."

Dieser Unterschied des Wohlstandes "ist so lange stabil, so lange du eine Mauer hast. Das haben wir in Deutschland gesehen, und da war der Unterschied vergleichsweise marginal." Zwei Millionen junge Ostdeutsche strömten nach dem Mauerfall in den Westen – nichts im Vergleich zu dem, was Europa in den nächsten Jahrzehnten drohe.

Was tun? "Wir müssen alles dafür tun, damit dort wirtschaftliche Entwicklung möglich ist." Ein Schlüsselfaktor dabei sei die Energie: "Es gibt keine Entwicklung ohne Energie", sagt Töpfer und erinnert an die Faustregel, wonach für ein Prozent Wirtschaftswachstum ein Prozent mehr Energie notwendig sei. Die für ein menschenwürdiges Leben nötige Wirtschaftsentwicklung sei mit fossilen Brennstoffen – Stichwort Erderwärmung, aber auch Verfügbarkeit – nicht machbar. Töpfer fordert daher, alle Kraft in Know-how und Ausbau bezahlbarer erneuerbarer Energie zu stecken – vor allem auch in Europa. "Wenn wir es nicht selbst machen, können wir es auch nicht woanders fordern. Die Menschen etwa in Afrika wollen die gleichen Rechte wie wir", betont Töpfer gegenüber dem KURIER. Generell gibt er für die Entwicklungspolitik zu bedenken: "Wir wollen den Masterplan mit Afrika machen – und nicht für Afrika."

Die Zukunft liegt in der Solarenergie

Die Zukunft sieht der trotz seiner 78 Jahre noch immer weltweit tätige Umweltexperte in erster Linie in Solarenergie, mit der bei uns, aber noch viel mehr in afrikanischen Ländern unglaublich viel Energie gewonnen werden könne. "Der technische Fortschritt bei Solarenergie ist gewaltig. Außerdem fallen nach den Investitionskosten keine laufenden Kosten an." Das gleiche gelte für Windkraft, wenn die Windräder erst einmal stünden.

Der verantwortungslose Umgang mit ackerbarem Boden in den Wohlstandsländern ärgert Töpfer. "Jeden Tag werden in Deutschland 70 Hektar Boden zubetoniert", in Österreich sei es ähnlich. Verdichtetes Bauen und Recycling von gebrauchten "braunen" Flächen müssten forciert werden, fordert er.

Import von Boden

Töpfer erzürnt auch der gängige "Import von Boden" – etwa in Form von Kraftfutter für europäische Zuchttiere, das in riesigen Mengen in Brasilien angebaut wird. Dafür wird zum einen Regenwald gerodet, was den Treibhauseffekt erneut anheizt; zum anderen fehlt es den Menschen dort an bezahlbaren Nahrungsmitteln, weil für sie zu wenig angebaut wird. Töpfer selbst ist zwar kein Vegetarier, wie er auf KURIER-Nachfrage klarstellt, bittet aber jeden, über sein persönliches Essverhalten nachzudenken. Generell müsse jeder einzelne Verantwortung für seinen Umgang mit den Ressourcen, mit der Umwelt tragen. Zum Stichwort "ökologischer Fußabdruck" sagt Töpfer: "Mittlerweile kann man seinen Fußabdruck ja gar nirgends mehr hinterlassen, weil überall schon ein Fuß steht."

Generell müssten Ingenieure und Wissenschafter unter Hochdruck daran arbeiten, dass nicht nur die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt, sondern auch mit Hilfe neuer Technologien ausgemerzt werden. Die Menschheit muss sich an die neuen Gegebenheiten durch den Klimawandel anpassen.

Als Ziel definiert Töpfer, den Menschen in Entwicklungsländern ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, andernfalls "werden sie dorthin gehen, wo es ein solches gibt", sagt Töpfer. "Und ich warne eindringlich davor, zu glauben, dass man das Problem militärisch lösen kann."

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