Katar-Krise: Harte Fronten am Golf

Araber-Front bekräftigt Sanktionen, US-Außenminister versucht zu vermitteln. Katars Botschafter hofft im Interview mit dem KURIER, dass keine weitere Eskalation stattfindet.

Kuhhandel am Golf, buchstäblich: Weil Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten eine Totalblockade gegen Katar verhängt hatten, wurde das kleine Emirat aktiv und orderte 4000 Kühe. Die ersten Rinder trafen gestern in den eigens für sie errichteten klimatisierten Ställen ein. Da die allermeisten Milchprodukte bisher aus Saudi-Arabien gekommen waren, hatten die Herrschenden die Devise ausgegeben, binnen neun Monaten autark zu sein, was Molkerei-Produkte anbelangt.

Denn ein Ende der Sanktionen zeichnet sich nicht ab. Im Gegenteil. Erst am Mittwoch bekräftigte die Vierer-Allianz, die Strafmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Diese waren vor rund einem Monat gesetzt worden – in Verbindung mit Forderungen. Unter anderem: die Schließung des TV-Senders Al Jazeera, den Hinauswurf der im Land stationierten türkischen Truppen, die Reduzierung der Kontakte mit dem Iran und eine Beendigung der Unterstützung von Terror-Organisationen – letzteren Vorwurf weist Katar scharf zurück.

10.000 US-Soldaten

Dienstag und Mittwoch traf US-Außenminister Rex Tillerson mit den Konfliktparteien zusammen und versuchte zu schlichten, da Washington auf beiden Seiten Interessen hat: In Katar unterhalten die USA mit 10.000 amerikanischen Soldaten den größten Militärstützpunkt in der Region; Saudi-Arabien ist traditionell ein enger Verbündeter – auch und speziell gegenüber dem Iran. In Doha unterzeichnete Tillerson mit seinem katarischen Amtskollegen Mohammed al-Thani ein Antiterror-Abkommen, in der saudischen Küstenmetropole Jeddah traf er mit Vertretern der Vierer-Gruppe zusammen. Doch auch der US-Chefdiplomat konnte keine Annäherung der Standpunkte bewirken.

"Politischer Islam"

Womit die Frontstellung am Golf prolongiert ist: Für Katar sind die Forderungen unannehmbar (der Emir ließ ein Ultimatum verstreichen); und Saudi-Arabien hält seine Vorwürfe der Terror-Unterstützung aufrecht. Das machte auch diese Woche der saudische Informations- und Kulturminister Awwad Alawwad bei einem kurzen Wienbesuch klar: "Wir sind sehr an Stabilität in der Region interessiert, deswegen haben wir viel Geld in Ägypten investiert, um das Land zu festigen. Aus Katar kam kein Cent, sie benützen ihr Geld, um den politischen Islam zu installieren. Sie wollen ihren politischen Einfluss ausweiten."

Awwad Alawwad absolvierte eine Europa-Tour, um in Berlin, Brüssel, Rom und eben Wien den Standpunkt des Königs zu verdeutlichen.

Kurier.at: Können Sie mir kurz die Situation in Katar erklären, wie wirkt sich der Boykott auf das tägliche Leben aus?
Ali bin Jassim Al Thani: Es hat sich nicht viel geändert für die Menschen, wir leben so wie zuvor, die Versorgung ist gut, es fehlt an nichts. Das Einzige, was sich alle fragen, warum wir blockiert werden. Die grundsätzliche, verpflichtende Vereinbarung zwischen den Golfstaaten zur Konfliktlösung durch Diplomatie wurde leider gebrochen. Zusätzlich brechen die Sanktionen auch internationales Recht. Katar war immer und wird weiterhin offen für einen Dialog sein.

Aber es gibt keine Einschränkungen in Katar?
Nein, nicht wirklich. Der Boykott trifft aber nicht nur uns, sondern auch andere Länder und deren Bürger, die Unternehmen hier in Katar haben. Und natürlich wurden auch viele Familien auseinandergerissen, deren Mitglieder von den boykottierenden Staaten deportiert wurden, die jetzt nicht mehr nach Katar ausreisen dürfen, oder denen die Einreise nach Saudi-Arabien verwehrt wird.

Wie erklären Sie sich den Boykott, angeführt von Saudi-Arabien?
Es geht vornehmlich um Machtansprüche in der Region, aber wir haben klar gemacht, dass wir die 13 Punkte zurückweisen müssen, da die Forderungen von Anfang an nicht konstruktiv und erfüllbar waren. Zusätzlich beschneiden die Forderungen die Souveränität des Staates Katar.

Katar wird unter anderen auch vorgeworfen, terroristische Organisationen zu unterstützen, Sie werden das natürlich dementieren, aber wie erklären Sie sich diese Anschuldigungen?
Der Staat Katar unterstützt keine terroristischen Vereinigungen und ist auch Teil der Koalition gegen den Terrorismus. Als Donald Trump Saudi-Arabien vor wenigen Wochen besuchte, gab es auch Gespräche mit unserem Emir Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani zu diesem Thema. Die Wichtigkeit von Katar für den internationalen Kampf gegen den Terror wurde dabei klar festgehalten. In Katar befindet sich auch eine der größten US-Basen im arabischen Raum, von dort werden Angriffe gegen Terroristen geflogen.

Aber Ägypten wirft Ihnen vor, dass Sie eine Reihe von Terroristen, vor allem führende Muslimbrüder in Katar Unterschlupf gewähren.
Auch dieser Vorwurf trifft nicht zu, Muslimbrüder gibt es in der ganzen Welt, teilweise auch in demokratisch gewählten Regierungen. Die Vereinigung wird nicht als terroristische Gruppe eingestuft.

Das erste, aber auch das zweite Ultimatum ist verstrichen, was wird in den nächsten Tagen passieren?
Unser Außenminister verhandelt derzeit in Kuwait, es gibt eine Reihe von Gesprächen. Wir hoffen, dass es die nächsten Tage zu einer nachhaltigen Lösung kommen wird.

Trotzdem hat der Westen Angst, dass sich dieser Konflikt zu einem regionalen Krieg ausweiten könnte.
Unserem Verständnis nach wird es zu keiner kriegerischen Auseinandersetzung kommen, und wir hoffen, dass die andere Seite keine weiteren Schritte unternimmt, um die Lage nicht weiter eskalieren zu lassen.

Katar-Krise: Harte Fronten am Golf
Interview mit Ali bin Jassim Al Thani, Botschafter des Staates Katar in Wien am 07.07.2017

Aber Dialog kann auch sein, dass am Ende des Tages ein, zwei Punkte der Forderungen angenommen werden, wie zum Beispiel die Schließung von Al-Jazeera?
Nein das ist keine Option. Das wäre ungefähr so, als wenn Österreich fordert, dass Großbritannien die BBC zusperren soll. Wir reden hier von Meinungs- und Pressefreiheit, einem Menschenrecht, von einem Sender des Volkes, den kann man nicht einfach zusperren.

Auch Ihr Verhältnis zum Iran wird kritisiert und sollte laut Forderungskatalog beendet werden.
Auch das ist ein absurder Vorwurf. Wir haben das Recht als souveräner Staat Beziehungen zu anderen Ländern zu unterhalten. Alle Golfstaaten haben Beziehungen zum Iran, unser Handelsvolumen ist im Vergleich mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Beispiel verschwindend gering.

Vielleicht sind Sie eine Art Bauernopfer im Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, der sich ja derzeit in zwei großen Stellvertreterkriegen, in Syrien und im Jemen, zeigt?
Nein, das ist nicht die Ebene von der wir sprechen, aber Sie müssen das die Saudis fragen.

Wenig Vertrauen schafft wahrscheinlich auch, dass die Türkei in Katar Soldaten stationiert hat und eine Basis errichten wird.
Es sind einige tausend türkische Soldaten im Land. Die Stationierung basiert auf einem bilateralen Abkommen, das 2014 unterschrieben wurde. Als souveräner Staat ist es unser Recht, unsere Politik und Partner selbst zu bestimmen. Katar mischt sich auch nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Golfstaaten ein, die vergleichbare militärische Abkommen mit anderen Ländern haben.

Katar war mit Saudi-Arabien auch in der Koalition im Krieg gegen den Jemen. Das Land ist mittlerweile zerstört, mit tausenden zivilen Opfern, eine Lösung ist noch immer nicht in Sicht. Wie schätzen Sie die Lage gegenwärtig ein?
Sie sagen es selbst, der Krieg spricht für sich selbst, wir können nur hoffen, dass es bald zu einer diplomatischen Lösung kommt, damit dieses unnötige Leid sobald wie möglich beendet wird.

In Saudi-Arabien wurde mit Mohammed bin Salman ein neuer Kronprinz bestellt. Der gegenwärtige Verteidigungsminister gilt als neuer, starker Mann am Golf, der im Westen mit seinen Machtansprüchen aber auch als durchaus gefährlich eingestuft wird. Wie beurteilen Sie ihn?
Ich kenne ihn nicht persönlich, aber es ist unabdingbar, dass die politische Stabilität am Golf gewährleistet bleibt. Wir brauchen nicht noch mehr Konflikte in der arabischen Welt. Wir sind in dieser Ecke der Welt die einzige Region, die noch stabil ist.

Falls Katar keine Forderung erfüllen wird, werden Saudi-Arabien und seine Verbündeten ihr Gesicht verlieren. Es ist kaum vorstellbar, dass das ohne Konsequenzen bleiben wird.
Das ist nicht unser Problem. Sie sperren uns gegenwärtig einfach ein, ohne Beweise vorzulegen, und ohne dass es einen Prozess gegeben hätte. Diese grundlose Isolierung wird nicht funktionieren.

In vier Jahren soll in Katar die Fußball-WM stattfinden. Sind die Vorbereitungen jetzt beeinträchtigt?
Nein, wir sind mit der FIFA in guten Gesprächen. Alles läuft nach Plan.

Es gab auch immer wieder Vorwürfe von Korruption bei der Vergabe der WM nach Katar.
Auch das wurde nicht bestätigt, der Garcia-Bericht, der vor kurzem zu diesem Thema vorgelegt wurde, entlastet Katar. Das Thema ist für uns vom Tisch.

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