Katar-Krise: Die "Fake News" der Hacker

Der Katar betrachtet den Hacker-Angriff auf die staatliche Nachrichtenagentur als nachgewiesen. Dem Emir untergeschobene Erklärungen sollen die diplomatische Krise verursacht haben.

Die Regierung Katars geht auf der Grundlage eines vorläufigen Untersuchungsberichts davon aus, dass ein Hacker-Angriff auf die staatliche Nachrichtenagentur KNA die schwere diplomatische Krise mit den Nachbarstaaten hervorgerufen hat. Der Hacker-Angriff habe schon Anfang April begonnen, erklärte das Innenministerium in Doha am Mittwochabend.

"Das mit der Untersuchung beauftragte Team hat bestätigt, dass der Hacker-Angriff mit neuartigen technischen Mitteln erfolgte und an einer Schwachstelle des Systems der KNA ansetzte", teilte das Innenministerium mit. Der Angriff sei Ende Mai genutzt worden, um "falsche" Erklärungen des Emirs herauszugeben. In die Untersuchung zum Hacker-Angriff sind die US-Bundespolizei FBI und britische Experten einbezogen.

Iran- und Hamas-freundliche Erklärungen

Die über KNA am 24. Mai veröffentlichten Erklärungen des Emirs von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, wurden von mehreren arabischen Newsportalen verbreitet. Unter den Themen, die Scheich Tamim demnach untergeschoben wurden, waren:

  • Die radikalislamische Palästinenserbewegung Hamas, die als "legitime Vertretung des palästinensischen Volkes" bezeichnet wurde.
  • "Gute" Beziehungen des Katar zu Israel
  • Der Iran, der als "islamische Macht" und strategischer Alliierter für seine Nachbarstaaten empfohlen wurde.
  • "Es ist nicht weise, Feindseligkeit gegenüber dem Iran zu schüren", wurde der Emir zitiert.
  • Er hätte von "Spannungen" mit der Regierung Trump gesprochen und hinzugefügt, dass auf den US-Präsident rechtliche Probleme wegen seiner angeblichen Russland-Kontakte zukommen.
  • Weiters war davon die Rede, dass der Katar seine Botschafter aus Saudi-Arabien, Ägypten, Kuwait, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten abgezogen hätte.

Die vermeintlich bei einer Militärzeremonie getätigten Aussagen des Emirs lösten einen Sturm in den sozialen Medien der Golfregion aus. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ließen als Reaktion auf den Bericht bereits am 24. Mai die Nachrichtenseite des von Katar finanzierten TV-Kanals Al-Jazeera sperren. Die Regierung dementierte umgehend: "Eine falsche Erklärung, die Ihrer Hoheit zugeschrieben wurde, wurde veröffentlicht". Es werde gegen unbekannt ermittelt. Der Emir habe zwar an einer militärischen Zeremonie teilgenommen, "hielt dort aber keine Reden und gab keine Statements ab", hieß es gegenüber Reuters.

Angespanntes Verhältnis

Das Verhältnis zwischen Katar und den Nachbarstaaten war lange angespannt. Die Golfländer warfen dem Emirat unter anderem vor, die islamistischen Muslimbrüder zu unterstützen. Der neuerliche Zwischenfall ereignete sich wenige Tage, nachdem US-Präsident Donald Trump den Iran bei seinem Besuch in Saudi-Arabien scharf angegriffen hatte. Dafür erhielt er von den Golfstaaten viel Lob.

Am Montag, 5. Juni, hat Saudi-Arabien das lokale Büro von Al-Jazeera in dem Königreich geschlossen und dem Sender aus Katar die Lizenz entzogen. Al-Jazeera habe Terrororganisationen unterstützt und versucht, die nationale Souveränität Saudi-Arabiens zu stören. Gemeinsam mit seinen Verbündeten Bahrain, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten brach Saudi-Arabien außerdem die diplomatischen Beziehungen zu Katar ab und stellte den Verkehr über Luft-, Wasser- und Landwege ein. Die nationalen Fluggesellschaften stoppten den Luftverkehr. Die Nachbarländer schlossen zudem die Grenzen. Begründet wurde dies unter anderem mit Verbindungen Dohas zu "Terrororganisationen" wie dem "Islamischen Staat" (IS). Zudem stoßen sie sich an den Beziehungen des Emirats zum Iran. Vor allem das sunnitische Saudi-Arabien sieht Teheran als Erzrivalen.

Bahrain gibt Katar alleinige Schuld

Das Königreich Bahrain gibt indes Katar die alleinige Schuld an der Eskalation. Alle Vermittlungsbemühungen seien bisher an Katar gescheitert, sagte Bahrains Außenminister Khalid bin Ahmed al-Khalifa der arabischen Zeitung Al-Sharq al-Awsat.

Die Beziehungen zu dem Nachbarland könnten nur wiederhergestellt werden, wenn die Regierung in Doha ihre Politik ändere. So müsse sich Katar vom Iran distanzieren, der sich gegen die Golfstaaten verschworen habe, um diese zu dominieren.

Kein Land leide so sehr unter Katars Politik wie Bahrain, sagte Außenminister Khalid. Der in Doha, der Hauptstadt Katars, ansässige Sender Al-Jazeera zeichne ein schlechtes Bild von Bahrain.

Das Königreich hat eine schiitische Bevölkerungsmehrheit, wird aber von Sunniten regiert. Beim arabischen Aufstand 2011 kam es zu Protesten vor allem von Schiiten, die die Führung mit saudischer Hilfe niederschlagen ließ.

Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate hatten am Montag ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen und auch Luft-, See- und Landverbindungen ausgesetzt. Sie warfen Katar die Unterstützung von islamistischen Extremistengruppen vor und kritisierten dessen Haltung zum Iran. Andere arabische Staaten schlossen sich seitdem an.

Saudi-Arabien und den anderen Staaten stößt seit langem die unabhängige Außenpolitik Katars auf. Für Missfallen sorgt, dass Doha enge Beziehungen zur islamistischen Muslimbruderschaft, der palästinensischen Hamas und den afghanischen Taliban unterhält. Mit ihrem Vorgehen wollen die Golfstaaten zudem erreichen, dass Katar auf Distanz zum Iran geht.

Kuwaits Emir Scheich Sabah al-Ahmad al-Sabah traf am Mittwoch Mitglieder der Führung der Emirate sowie Saudi-Arabiens König Salman, bevor er in Doha mit dem Emir von Katar zusammenkam. Im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern des Golfkooperationsrats hat Kuwait sich dem Vorgehen gegen Katar nicht angeschlossen.

US-Präsident Trump bot sich am Mittwoch ebenfalls als Vermittler an. Wenn nötig, könnte ein Treffen der Konfliktparteien im Weißen Haus organisiert werden, hieß es. Trump hatte zunächst die Schritte zur Isolation Katars als Erfolg seines Aufrufs zur Bekämpfung des Extremismus in der Region bezeichnet, bevor seine Regierung umschwenkte.

Die US-Armee unterhält in Katar einen riesigen Luftwaffenstützpunkt, der eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) spielt. Katar ist zudem der weltgrößte Gasproduzent und spielt eine wichtige Rolle auf den Energiemärkten. Die Ratingagentur Standard & Poor's stufte die Kreditwürdigkeit Katars am Mittwochabend um eine Stufe auf AA-herab.

Gabriel empfängt Außenminister von Katar in Deutschland

Vor dem Hintergrund der Krise auf der Arabischen Halbinsel will der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel am Freitag mit seinem katarischen Amtskollegen Mohammed bin Abdulrahman al-Thani zusammentreffen. Im Mittelpunkt des Treffens in Wolfenbüttel (Niedersachsen) würden aktuelle regionale und internationale Fragen stehen, kündigte das Auswärtige Amt am Donnerstag an.

Am Mittwoch hatte Gabriel bereits des saudischen Außenminister Adel al-Jubeir in Berlin empfangen. Saudi-Arabien und eine Reihe anderer Länder hatten am Montag die diplomatischen Beziehungen zu Katar gekappt. Sie werfen dem Emirat Terrorunterstützung vor und lehnen dessen Beziehungen zu ihrem eigenen Erzfeind Iran ab. Katar weist den Vorwurf der Terrorunterstützung zurück. Die zeigte sich sehr besorgt über die Eskalation in der ohnehin krisengeplagten Region.

Teheran bot Versorgung mit Lebensmitteln an

Der Iran hat nach Angaben der katarischen Regierung angeboten, das isolierte Land mit Lebensmitteln zu versorgen. Dafür seien drei iranische Seehäfen vorgesehen, sagte Außenminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani am Donnerstag in Doha.

Man habe das Angebot aber noch nicht angenommen. Al-Thani bekräftigte, sein Staat werde nicht aufgeben und beharre auf einer eigenständigen Außenpolitik.

Das Emirat am Persischen Golf wird seit dieser Woche von seinen arabischen Nachbarn weitgehend isoliert. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und andere Staaten werfen der Regierung in Doha Terrorfinanzierung vor und lehnen ihre Verbindungen zum schiitischen Erzfeind Iran ab. Katar weist die Vorwürfe zurück. Ein Diplomat hat die Sanktionen der anderen Staaten mit der Blockade Westberlins nach dem Zweiten Weltkrieg verglichen. Das Land ist hochgradig von Importen abhängig.

Es ist dieser Tage in Washington nicht ganz einfach zu erkennen, welches Wort in der Außenpolitik Gewicht und Bestand hat. Als Saudi-Arabien und andere arabische Staaten am Montag alle Verbindungen zu Katar kappen, ist US-Außenminister Rex Tillerson der erste, der sich zu der Krise äußert. Er ruft die Konfliktparteien dazu auf, sich an einen Tisch zu setzen und die Differenzen auszuräumen.

US-Verteidigungsminister James Mattis gibt sich zuversichtlich, dass die Probleme gelöst werden können. Am selben Tag sagt eine Sprecherin von Donald Trump, der Präsident werde mit allen Beteiligten reden, um die Lage zu beruhigen. Und ein Vertreter des Pentagons erklärt, man sei Katar dankbar für die Unterstützung des US-Militärs.

Dann kommt Dienstagfrüh und der Präsident twittert.

Donald Trump stellt sich auf die Seite Saudi-Arabiens. Er lässt den Verbündeten Katar fallen, der den wichtigsten US-Militärstützpunkt im Nahen Osten beherbergt. Er schreibt das mit einer Leichtigkeit mal eben in 140 Zeichen dahin.

Während seiner jüngsten Reise in den Nahen Osten hatte er gesagt, dass radikale Ideologien nicht länger unterstützt werden dürften - die Isolation des kleinen Golf-Emirats führt Trump deshalb maßgeblich auf seinen Besuch zurück. Der Gipfel mit arabischen Staats- und Regierungschefs zahle sich aus. "Vielleicht wird das der Anfang vom Ende des Terrorhorrors sein."

Trump agiert völlig losgelöst von seinem außen- und sicherheitspolitischen Apparat. Konterkariert Aussagen seiner Minister. Selbst dem republikanischen Senator Bob Corker verschlägt es kurz die Sprache, als ein Journalist ihn mit Trumps Äußerungen konfrontiert.

Einen Tag später bietet der Präsident sich dann in einem Telefonat mit dem katarischen Emir Tamim bin Hamad Al Thani als Vermittler in dem Konflikt an. Was soll man davon halten?

Gunst der Stunde

Es gibt eine Lesart der Eskalation am Golf, die Trump einen wesentlichen Anteil daran beimisst: Saudi-Arabien und die anderen Staaten nutzen die Gunst der Stunde, die sich ihnen mit dem Machtwechsel in Washington geboten hat, um einen unbequemen, aufstrebenden Nachbarn zurechtzustutzen, dem an einer Veränderung des traditionellen Machtgefüges in der Region gelegen ist.

Der Konflikt zwischen Katar und den anderen Golfstaaten ist nicht neu, aber Trumps Besuch in Riad vor knapp drei Wochen markiert einen Wendepunkt. Saudi-Arabien habe eine Gelegenheit ergriffen, "Katar eine Lektion zu erteilen", weil es sich durch Trumps Unterstützung gestärkt fühle, meint Bruce Riedel vom der Denkfabrik Brookings.

Riad war die erste Station auf Trumps Auftaktreise als Präsident. Schon damit unterstrich er die Bedeutung, die er den Beziehungen zu dem Königreich beimisst. Unter seinem Vorgänger Barack Obama hatte sich das Verhältnis abgekühlt. Das lag maßgeblich an dem Atomabkommen mit dem schiitischen Iran, dem Erzrivalen Saudi-Arabiens.

Iran als dunkle Macht

Trump aber brandmarkte Teheran in seiner weltweit beachteten Rede in Riad als dunkle Macht am Golf, die es einzudämmen gilt. Anders als Obama sah er von Kritik an der desaströsen Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ab. Er verlangte von den arabischen Staats- und Regierungschefs nur eines: dass sie sich ihm anschließen im Kampf gegen den Terrorismus.

Echtes Interesse an den Ursachen von Extremismus oder den Folgen zerfallender Staaten scheint ihm abzugehen, ein tieferes Verständnis für die Komplexität der Verhältnisse in der Region ebenfalls.

Trump hat klargemacht, dass er den Kurs der Saudis und der anderen Golfländer gegen den Iran stützt, weil auch er die Islamische Republik nicht als Regionalmacht akzeptieren will.

Die Terroranschläge in Teheran vom Mittwoch verurteilt der Präsident zwar, er legt dann aber sogleich nahe, dass die iranische Regierung eine Mitschuld daran trage. Staaten, die Terrorismus unterstützen, liefen eben Gefahr, "dem Bösen zum Opfer fallen, das sie fördern".

Eplosive Situation

Fachleute warnen vor fatalen Konsequenzen der Krise. Der Nahost-Experte Simon Henderson vergleicht die Lage in Katar sogar mit der in Europa vor dem Ersten Weltkrieg. Washington könne eine wichtige Rolle dabei spielen, diese "explosive Situation" zu entschärfen, schreibt er in einer Analyse für das Magazin Foreign Policy. "Vertreter der US-Regierung mögen glauben, dass Katar in seinem Balanceakt zwischen den USA und dem Iran nicht unparteiisch war, aber niemand würde von einem langwierigen Konflikt zwischen Riad und Doha profitieren oder von einer Auseinandersetzung, die Katar in Teherans Arme treibt."

Trump kann auch aus strategischen Gründen eigentlich nicht wollen, dass die Krise weiter eskaliert. Das würde die Sicherheitsinteressen Washingtons in der Region völlig untergraben. Die USA brauchen die konservativen, aber vergleichsweise stabilen Golfländer als Anker, um den Kampf gegen Terrorismus im Nahen Osten gewinnen zu können. Eine tiefe Kluft zwischen den Ländern oder gar ein Auseinanderfallen des Golf-Kooperationsrates (GCC) könnte fatale Folgen haben.

Katar als Militärpartner

Nicht zuletzt ist Katar ein wichtiger Militärpartner Washingtons. Das Emirat beherbergt die strategisch wichtige US-Luftwaffenbasis Al-Udeid, auf der mehr als 10.000 US-Soldaten stationiert sind. Es ist ein Herzstück des US-Zentralkommandos, das die Einsätze in Syrien, im Irak und in Afghanistan überwacht. Von dort aus werden die Lufteinsätze über dem Irak, Syrien, Afghanistan und anderen Ländern kommandiert. Ein Umzug erscheint unwahrscheinlich. Ein solcher Schritt würde Zeit kosten und Milliarden US-Dollar verschlingen.

(Von Maren Hennemuth, dpa)

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