Katalonien: Staatsanwalt klagt Premier

Angeklagt: Artur Mas
Wegen der Volksbefragung zur Unabhängigkeit. Vorwürfe: Unterschlagung, Ungehorsam, Amtsanmaßung.

Die spanische Staatsanwaltschaft hat den Regierungschef der Region Katalonien, Artur Mas, wegen der jüngsten Volksbefragung zu Unabhängigkeit angeklagt. Die am Freitag beim Oberen Gerichtshof von Katalonien in Barcelona eingegangene Klage betrifft auch die Stellvertreterin von Mas, Joana Ortega, sowie die regionale Bildungsministerin Irene Rigau.

Allen werde Unterschlagung öffentlicher Gelder, Ungehorsam, Rechtsbeugung sowie Amtsanmaßung zur Last gelegt, teilte das Gericht mit. Nach einem Veto des Verfassungsgerichts gegen ein in Katalonien geplantes Unabhängigkeitsreferendum hatte die Regierung der Region im Nordosten Spaniens eine alternative Befragung anberaumt, die aber ebenfalls gerichtlich verboten worden war. Diese Abstimmung fand dennoch am 9. November statt. Über zwei Millionen Menschen - mehr als ein Drittel der stimmberechtigten Katalanen - nahmen teil. Gut 80 Prozent sprachen sich dabei für eine Trennung von Spanien aus.

Die katalanische Regierung strebt nun ein vollwertiges Referendum an. Nach Ansicht Madrids müssten in dieser Frage alle Spanier abstimmen.

Es war kein offizielles Votum - doch die Menschen wollten ihren Willen ausdrücken: Bei der Volksbefragung in Katalonien haben sich mehr als 1,6 Millionen Bürger für die Abspaltung von Spanien ausgesprochen. Das gab die katalanische Regionalregierung in der Nacht auf Sonntag nach Auszählung von 88,4 Prozent der Stimmen bekannt. Demnach nahmen insgesamt 2,25 Millionen Katalanen von den geschätzten 5,4 Millionen Wahlberechtigten an der Abstimmung teil.

Bei der vom spanischen Verfassungsgericht untersagten Befragung votierten nach einer vorläufigen Auszählung 80,7 Prozent der Teilnehmer dafür, dass Katalonien einen eigenen Staat bilden und sich von Spanien abspalten sollte. 10,1 Prozent sprachen sich für die Bildung eines katalanischen Staates aus, der aber weiterhin zu Spanien gehören sollte. 4,6 Prozent votierten gegen die Unabhängigkeit.

Jubel im Lager Mas

Die Stimmberechtigten über 16 Jahren konnten sich gegen Vorlage ihrer Personalausweise an der Befragung beteiligen. Zwei Fragen waren zu beantworten: "Wollen Sie, dass Katalonien einen Staat bildet? Wenn ja, soll dieser Staat unabhängig sein?" Da Gegner der Befragung den Boykott des Votums bereits angekündigt hatten, war die große Zustimmung der Wähler keine Überraschung. Die hohe Wahlbeteiligung ließ den nationalistischer Ministerpräsident Kataloniens (CiU), Artur Mas, und seine Anhänger am Sonntagabend schon jubeln. "Das ist ein gigantischer Schritt, um schon bald mit allen demokratischen Garantien selber über unsere Zukunft zu entscheiden", erklärte Mas mit Blick auf ein zukünftiges Unabhängigkeitsreferendum. Zudem bat er die "Welt" bei der Durchsetzung einer solchen Abstimmung um Unterstützung. "Wir verdienen eine rechtlich akzeptierte Volksabstimmung."

Auch seine Anhänger sehen die Unabhängigkeitsbestrebungen durch das Votum gestärkt. "Das ist ein riesiger Erfolg. Das Ergebnis ist zwar nicht bindend, aber auf jeden Fall bedeutet es ein politisches Mandat. So einen massenhaften Ruf nach Unabhängigkeit in einem Land mit 7,5 Millionen Einwohnern kann die spanische Regierung nicht länger ignorieren", meint Jaume Marfany, stellvertretender Vorsitzender der separatistischen Bürgerbewegung ANC.

Ignoriert

Madrid stufte die inoffizielle Volksabstimmung jedoch als "wertlos" ein. Nach Ansicht des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy war die Abstimmung "weder ein Referendum noch eine aussagekräftige Befragung". Auch das Ergebnis erkennt Madrid nicht an, da die Auszählung keiner demokratischen Kontrollmechanismen unterlag.

Seine Regierung hatte wie bereits zuvor das geplante Unabhängigkeitsreferendum auch die am Sonntag durchgeführte Volksbefragung vom Verfassungsgericht verbieten lassen. Madrid tolerierte die Befragung jedoch, da die nationalistische Regionalregierung von Mas sich schließlich nicht mehr an der Durchführung beteiligte. Mas überließ diese rund 40.000 Freiwilligen. Die Regionalregierung zählte lediglich die Stimmen aus und verkündete das Ergebnis.

Jedes Mittel ist recht

Dennoch leitete die Staatsanwaltschaft auf Geheiß des Madrider Generalstaatsanwalts Ermittlungen ein, ob das Öffnen von Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen für die Stimmabgabe einen Verstoß gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts darstellte. Am Sonntag zeigten auch verschiedene Parteien Mas wegen der Beteiligung der Regionalregierung an der verbotenen Befragung wegen zivilen Ungehorsam und Amtsmissbrauch bei der Polizei.

Die Stimmabgabe verlief unterdessen ohne größere Zwischenfälle. Die mehr als 1.300 Wahllokale in der Region seien wie geplant geöffnet worden, teilte die Regionalregierung mit. Vor vielen Stimmlokalen bildeten sich lange Warteschlangen. Prospanische Gruppierungen hatten in einzelnen Orten bei der Justiz den Antrag gestellt, die illegale Befragung zu stoppen und die Urnen sicherzustellen. Die diensthabenden Richter lehnten die Anträge mit der Begründung ab, dass dies unverhältnismäßig wäre.

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