"Im Moment sehe ich keine Zukunft"

Vier von fünf jungen Griechen stimmten am Sonntag mit „Nein“. Bei ihnen beträgt die Arbeitslosigkeit mehr als 50 Prozent.
Warum 80 Prozent der jungen Griechen sich für "Nein" beim Referendum entschieden.

Für viele war das eine große Überraschung: Nicht, dass die überwiegende Mehrheit der Griechen beim Referendum am Sonntag "Nein" zum Vorschlag der Gläubiger sagte, sondern die Anzahl der jungen Neinsager. 80 Prozent der jungen Wähler entschieden sich dafür. Damit hatte man nicht gerechnet. Schließlich hatten viele Beobachter erwartet, dass sich eher die älteren und weniger gebildeten Menschen mit der komplizierten Fragestellung schwertun würden.

"Nur noch schlimmer"

Die 33-jährige Georgia gibt zu, sie habe keine Ahnung von Wirtschaft und das habe ihre persönliche Wahl auch nicht beeinflusst. Ihre Nein-Stimme wurde durch die Haltung gegenüber Griechenland im Schuldenstreit motiviert. "Es ist einfach eine sehr falsche Politik, wenn man alles nur auf Zahlen reduziert. Meine Stimme war ein Protest gegen die Art und Weise, in der Griechen, Iren und andere Völker in Europa behandelt werden", sagt sie zum KURIER. Georgia hat zwar einen Job in einer staatlichen Einrichtung, die Mehrheit ihrer Freunde ist aber arbeitslos – trotz guter Uni-Ausbildung. "Die bisherige Politik hat keine Ergebnisse gebracht. Unser Leben wird nur noch schlimmer."

Maria Monaxogyiou ist ebenfalls 33 Jahre alt und arbeitslos. Sie hat ein Studium der griechischen Literatur abgeschlossen. Am Sonntag hat sie das "Nein" angekreuzt, weil sie alles aussichtslos findet: "Ich habe das Gefühl, die Lage in Griechenland wird vom Tag zu Tag nur noch schlimmer", sagt sie.

"Ich will unsere heutige Situation so nicht mehr akzeptieren und bin auch wütend darüber, wie Europa die Griechen behandelt", erklärt der 40-jährige Apostolis Iliopoulos. Er arbeitet Teilzeit als Lehrer.

Elisavet Stamatiou, 39 Jahre alt, ist Lehrerin – in einer privaten Schule in Athen. Auch sie empfindet die Lage ihres Landes zum Verzweifeln. "Im Moment sehe ich keine Zukunft, also habe ich mit ‚Nein‘ gestimmt, weil ich mir Veränderung wünsche." Die Politologin aus der Athener Universität, Vassiliki Georgiadou, wundert sich nicht, dass eine deutliche Mehrheit junger Griechen mit "Nein" gestimmt hat. "Das waren Proteststimmen." "Persönliche Gründe"Da die Wahlanalyse noch nicht abgeschlossen sei, könne man die Motive der Wählergruppen nur vermuten. "Was aber für alle Wähler gilt: Die Frage des Referendums war so undeutlich formuliert, dass sie jedem die Möglichkeit gab, sich seinen persönlichen Grund für das Votum auszusuchen. Manche haben also gegen Sparmaßnahmen gestimmt, andere gegen ein Abkommen mit den Gläubigern. Es gab auch Menschen, die gegen die EU gestimmt haben."

Das Besondere bei den jüngeren Wählern sei aber, dass sie in den vergangenen fünf Krisenjahren politisch sozialisiert wurden. "In diesen Jahren dominierte in der griechischen Gesellschaft die Wut über Sparmaßnahmen und die Diskussion darüber, wie man Europa verändern sollte. Viele junge Menschen wurden dadurch sozialisiert und politisiert", sagt die Politologin. Seit 2012 könne man beobachten, wie viele junge Griechen die traditionellen Parteien ablehnen und extreme Bewegungen in beiden politischen Spektren bevorzugen – von der linken Syriza zur faschistischen Goldenen Morgenröte.

Ein grauhaariger Mann auf der Straße hat seine eigene Erklärung für die jungen Nein-Sager. "Bei meiner Abstimmung hat mir mein Herz ‚nein‘ gesagt, aber mein Verstand sagte ‚ja‘, also habe ich das auch angekreuzt. Bei den jungen Menschen hat das Herz gewonnen."

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