Juncker weiß nichts von Liste an Kurz

ÖVP-Wahlsieger Sebastian Kurz besuchte am 19. Oktober 2017 EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel.
Kommission dementiert Katalog an künftigen Kanzler. Karas kritisiert FPÖ und ihren Russland-Kurs.

Die Außenbeziehungen der FPÖ, der Kooperationsvertrag mit der Putin-Partei, der kürzlich abgestattete Besuch zweier FPÖ-Politiker auf der von Russland annektierten Krim – alles Handlungen, die der EU-Politik krass widersprechen – werden an der EU-Spitze in Brüssel mit Argusaugen beobachtet.

Dass aber der künftige Bundeskanzler Sebastian Kurz von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine europapolitische To-Do-Liste mit 16 Punkten erhalten haben soll, sozusagen unter Kuratel steht, wird in der EU-Kommission entschieden zurückgewiesen. "Ich weiß nichts von der Existenz einer solchen Liste", sagte die Sprecherin von Juncker zum KURIER.

Was es gibt, ist ein Brief Junckers an den Wahlsieger Kurz, in dem der Kommissionschef eine "stabile, proeuropäische Regierung" von Kurz erwartet. Juncker weist in dem Schreiben auch auf die "große Herausforderung" hin, die auf Österreich und Kurz persönlich zukommt: "In Kürze wird Österreich als Ratsvorsitz eine herausragende Rolle in der Europäischen Union spielen. Unter der Verantwortung Österreichs werden eine Reihe von wichtigen Entscheidungen für die Zukunft der EU auf den Weg gebracht werden."

Diplomaten in Brüssel gehen bei der kolportierten Liste von einer Intrige mancher in der FPÖ aus, um Kurz unter Druck zu setzen.

"FPÖ-Skepsis ist begründet"

Othmar Karas, Leiter der EU-Russland-Delegation, sagt, dass es im EU-Parlament wegen der Koalition mit der FPÖ Fragen und auch manche Sorge gebe, auch wenn inhaltliche und personelle Entscheidungen noch nicht getroffen seien. "Die Skepsis gegenüber der FPÖ ist begründet. Die FPÖ gehört der rechtspopulistischen und rechtsextremen ENF-Fraktion an. Sie arbeitet mit den Vertretern von Marine Le Pen und Geert Wilders zusammen. Die Zerstörung der EU oder des Euro wird regelmäßig gefordert", erklärt Karas. Er findet, dass die Regierungsbeteiligung in Österreich bei gleichzeitiger Mitgliedschaft in der destruktivsten Fraktion im Europäischen Parlament "ein Widerspruch" ist. "In Wien regieren und in Brüssel Fundamentalopposition spielen ist unglaubwürdig und würde Österreich schwächen."

Russland-Sanktionen sind zwingend

Karas spricht sich für die "zwingend nötige Verlängerung" der Russlandsanktionen um weitere sechs Monate aus. "Das gilt auch für Österreich. In den Grundregeln für die Koalitionsverhandlungen werde ausdrücklich betont, dass die Verfassungs- und Europarechtskonformität die Basis der neuen Regierung ist. "Dazu gehört auch das Sanktionsregime gegen Russland und die Respektierung des Minsker Abkommens (zur Ukraine)."

"Politisches Kunststück"

Auch die EU-Expertin und Professorin an der Wiener Fachhochschule BFI, Stefanie Wöhl, fürchtet, dass "die Glaubwürdigkeit am EU- Kurs von Kurz unter der FPÖ leiden könnte". Der künftige Regierungschef werde "ein politisches Kunststück" vollbringen müssen, um diese Glaubwürdigkeit, die von ihm erwartet wird, auf EU-Ebene zu beweisen.

"Vor allem in Hinblick auf den EU-Vorsitz Österreichs wird es wichtig sein, wie sich Kurz positioniert", sagt Wöhl. "Von Vorteil für den künftigen Regierungschef wäre es auch, von der FPÖ den Austritt ihrer Europa-Abgeordneten aus der Fraktion zu verlangen, der auch der Front National angehört."

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