Jemen am Rande des Zusammenbruchs

Heftige Kämpfe in Sanaa, der malerischen Hauptstadt des Jemen
Die Regierung ist machtlos, Schiiten auf dem Vormarsch, Sunniten und El Kaida halten dagegen.

In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa läuft die Situation völlig aus dem Ruder. Am Dienstag stürmten schiitische Huthi-Rebellen den Präsidentenpalast. Zuvor hatten sie bereits den Amtssitz des Premiers umstellt und den staatlichen TV-Sender gekapert. Es war zu heftigen Kämpfen mit Toten gekommen.

Damit festigen die Aufständischen, die im Vorjahr de facto bereits die Macht übernommen haben, ihre Position. Andernorts halten Sunniten-Stämme in Allianz mit der El Kaida der Arabischen Halbinsel (AQAP) ganze Landstriche, über die die Regierung die Kontrolle verloren hat. Ein Land steht vor dem Kollaps.

Stabschef verschleppt

Jemen am Rande des Zusammenbruchs
Auslöser der jüngsten Eskalation ist der Entwurf einer neuen Verfassung, laut der der Jemen in sechs Regionen aufteilt werden soll. Die Schiiten, die rund ein Drittel der 24 Millionen Einwohner ausmachen (siehe Grafik), sind strikt dagegen, sie fürchten um ihre derzeitige Vormachtstellung. Um zu zeigen, wie ernst es ihnen ist, haben sie am vergangenen Wochenende den Stabschef von Präsident Hadi entführt.

Die Huthis dominierten den Nordjemen über 1000 Jahre lang bis 1962. Im Zuge des Arabischen Frühlings, der zum Rücktritt von Langzeit-Regent Sali 2012 führte, sahen sie ihre Zeit wieder gekommen. Seit 21. September 2014 sind sie nach einer zwölftägigen Belagerung der bestimmende Faktor in Sanaa. Sie haben Gewährsleute in Ministerien, Regierungsinstitutionen sowie der Zentralbank. Und sie versuchen ihre Einflussgebiete weiter Richtung Osten auszudehnen.

Dort treffen sie aber auf erbitterten Widerstand sunnitischer Clans, die lose Zweckbündnisse mit den AQAP-Extremisten eingegangen sind. Dieser derzeit wichtigste El-Kaida-Zweig unterhält auch Terror-Camps, in einem dieser Lager hat einer der Pariser Charlie-Hebdo-Attentäter sein blutiges Handwerk erlernt. Zwar werden mutmaßliche AQAP-Einrichtungen im Jemen immer wieder von US-Drohnen angegriffen, an der Schlagkraft der Dschihadisten-Gruppe änderte dies bisher aber kaum etwas.

Zusätzlich angeheizt wird der Konflikt von außen, insofern ist er bis zu einem gewissen Grad ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran um die regionale Hegemonie. Die sunnitisch-wahhabitischen Regenten in Riad, die ihre muslimischen Glaubensbrüder im Jemen unterstützen, bezichtigen das schiitische Regime in Teheran, auf der Arabischen Halbinsel einen Brückenpfeiler errichten zu wollen.

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