Jamaika: Hurrikan-Warnung und Offener Brief

Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und FDP-Chef Lindner bei den Verhandlungen
Die Sondierungsgespräche zwischen den deutschen Unionsparteien, der FDP und den Grünen kommen kurz vor Schluss kaum vom Fleck. Intellektuelle wie Robert Menasse fordern Bekenntnis zu einer "Stärkung Europas".

CDU, CSU, FDP und Grüne kommen bei den Sondierungen über eine Jamaika-Koalition kaum vom Fleck. In der Nacht zum Donnerstag beendeten die vier Parteien Gesprächsrunden zu den Themen Steuern und Finanzen sowie Klima- und Energiepolitik ohne Durchbruch. Auch bei Verkehr und Migration bleiben große Differenzen. Am Donnerstag - bis in die Nacht auf Freitag - ist die letzten Sondierungsrunde angesetzt.

"Es zieht gerade ein Hurrikan auf über Jamaika", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki nach den Gesprächen in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. "Es ist fast alles wieder streitig." Auf die Frage, ob am Donnerstag eine Einigung möglich sei, antwortete er: "Die Frage kann ich nicht beantworten." Etwas zuversichtlicher klang FDP-Chef Christian Lindner, der von Fortschritten in der Finanzpolitik sprach.

Jamaika: Hurrikan-Warnung und Offener Brief
ABD0060_20171107 - Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, und Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, sprechen am 07.11.2017 nach weiteren Sondierungsgesprächen von CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag in Berlin zu Journalisten. Foto: Silas Stein/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Mit Blick auf Kubickis Sturmwarnung sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter: "Der Hurrikan kommt daher, dass sich beim Klima so wenig tut." Das Grünen-Spitzenduo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt gab sich beim Verlassen des Sitzungsorts zugeknöpft. Die Ökopartei dringt vor allem auf einen schnellen Ausstieg aus der Kohleenergie, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Union und FDP lehnen eine rasche Abschaltung der Kohlekraftwerke ab.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, er müsse sich die Wetterlage für Jamaika "noch durch den Kopf gehen lassen". Doch er räumte ein: "Das ist morgen schon eine harte Nummer." Die Parteispitzen hätten die Papiere zu den Zwischenständen der Gespräche gesichtet. "So groß weiter ist man heute noch nicht. Da muss morgen schon ein ziemlicher Sprung nach vorne kommen."

Jamaika: Hurrikan-Warnung und Offener Brief
ABD0061_20171107 - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht hinter dem CDU-Vizevorsitzenden Jens Spahn (r) und gefolgt von (l-r) Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU Landesgruppe, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer am 07.11.2017 im Bundestag in Berlin zu einer weiteren Verhandlungsrunde der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Regierung aus CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Foto: Michael Kappeler/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Offener Brief von Menasse & Co.

In einem offenen Brief an die Partner einer möglichen Jamaika-Koalition in Berlin hat eine Gruppe "engagierter Europäer" die künftige Bundesregierung zu einem klaren europapolitischem Kurs aufgerufen. "In der öffentlichen Debatte wurde bis jetzt zu einer der zentralen Herausforderungen einer neuen Regierung hauptsächlich geschwiegen: die Stärkung Europas", heißt es kritisch in dem Brief.

"Die neue deutsche Regierung wird sich aber daran messen lassen müssen, ob sie die Eurozone stabilisiert und den sozialen Zusammenhalt in Europa stärkt", betonen die Autoren in dem Schreiben, das der dpa vorliegt. Es gehe darum, ob sie auf die "Ruckrede" des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und auf die Grundsatzrede von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine konstruktive Antwort gebe, "oder nur betretenes Schweigen im Sinne des Status quo."

Die Autoren, unter ihnen der österreichische Schriftsteller Robert Menasse, der Grünen-Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit und der Autor Andre Wilkens, fordern eine Demokratisierung der Eurozone mit effektiver parlamentarischer Kontrolle, die Finanzierung von Investitionen mit einer europäischen Körperschaftsteuer sowie einen effektiven Kampf gegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Auch der soziale Zusammenhalt müsse gestärkt werden.

"Nicht nur Frankreich und die sogenannten Krisenländer in Europa brauchen Reformen, Deutschland und ganz Europa brauchen sie auch", heißt es weiter.

Jamaika: Hurrikan-Warnung und Offener Brief
ABD0047_20171114 - Christian Lindner (l), Bundesvorsitzender der FDP, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, verdeckt) und der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beraten am 14.11.2017 bei den Sondierungsgesprächen von CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

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