Renzi tritt zurück: "Keine gute Nachricht für Europa"

Alexis Tsipras, Matteo Renzi und Angela Merkel
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich "traurig", in Südtirol befürchtet man eine Phase der Unsicherheit.

Die Rücktrittsankündigung des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi nach der Niederlage beim Verfassungsreferendum ist am Montag international überwiegend mit Bedauern aufgenommen worden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich "traurig" über den Ausgang des Verfassungsreferendum in Italien. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sprach von "keiner guten Nachricht für Europa".

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Christian Kern (@KernChri

Bereits in der Nacht auf Montag, als die ersten Nachwahlbefragungen in Rom eine Niederlage Renzis prognostizierten, schrieb Kern auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Falls Renzi tatsächlich geht, ist das keine gute Nachricht für Europa. Würde als Partner zur notwendigen EU-Reform sehr fehlen."

Merkel: "Habe seinen Reformkurs immer unterstützt"

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (Bild) äußerte am Montag ihr Bedauern über die Niederlage ihres sozialdemokratischen Amtskollegen in Rom. "Ich bin traurig, dass das Referendum in Italien nicht so ausgegangen ist, wie der Ministerpräsident sich das gewünscht hat. Denn ich habe seinen Reformkurs immer unterstützt", erklärte Merkel laut dpa in Essen. "Aber das ist natürlich eine inneritalienische Entscheidung, die wir zu respektieren haben."

Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel drückte seine Hoffnung aus, dass Italien auch nach der Renzi-Ära auf Kurs bleibe. Zum Ergebnis sagte der SPD-Vorsitzende: "Das ist bitter für Matteo Renzi und bitter für Italien." Renzi habe sein Land in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen vorangebracht. Daran sollte die künftige Regierung anknüpfen: "Denn vom Stillstand profitieren nur die Populisten."

Frankreichs Präsident Francois Hollande reagierte mit warmen Worten auf den Rücktritt Renzis. Er respektiere Renzis Entscheidung und bringe ihm all seine Sympathie entgegen, so Hollande in der Nacht zum Montag in Paris. Renzi habe sich für "mutige Reformen" eingesetzt. Er hoffe, dass Italien die Kraft finde, um diese Situation zu überwinden.

Moskau lobt Beziehung zu Renzi

Der Kreml würdigte die Verdienste Renzis um die Beziehungen zu Russland. Die Abstimmung sei innere Angelegenheit Italiens, die Russland nicht kommentieren werde, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. "Was aber Herrn Renzi betrifft, so ist seine Rolle bei der Entwicklung der russisch-italienischen Beziehungen in diesen schwierigen Zeiten gar nicht hoch genug zu schätzen." In den Diskussionen trat Renzi immer für eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland ein.

Renzi tritt zurück: "Keine gute Nachricht für Europa"
Das erklärte NATO-Generalsektretär Stoltenberg am Freitag in Brüssel.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (Bild) erwartet, dass Italien trotz des abgelehnten Verfassungsreferendums ein wichtiger Partner des Militärbündnisses bleibt. "Das ist eine italienische Entscheidung (...), die nichts an der Stellung Italiens in der NATO ändern wird", sagte Stoltenberg am Montag in Brüssel.

Auch der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher reagierte enttäuscht auf das Ergebnis. Durch die Ablehnung der Verfassungsreform sei "eine Phase der Unsicherheit" eingeläutet worden, die hoffentlich bald überwunden werden könne, so Kompatscher. Dass Südtirol entgegen dem nationalen Trend mit Ja stimmte, nahm Kompatscher als Auftrag, sich weiterhin für die Autonomie einzusetzen.

Gemeinsam mit SVP-Obmann Philipp Achammer bedauerte er, dass das in der Reform vorgesehene Einvernehmen, das in Zukunft bei Änderungen der Autonomie in der Verfassung hätte verankert werden sollen, mit der Ablehnung nicht kommt. Zur drohenden Instabilität in Italien wünschte sich Kompatscher, dass diese so rasch wie möglich überwunden werden könne. Das Ergebnis in Südtirol habe die Position der SVP als Verhandlungspartner in Rom gestärkt, meinte er.

Platter gratuliert Südtirol zum "deutlichen Votum"

Eine Stärkung Südtirols durch das Votum ortete auch Tirols LH Günther Platter (ÖVP), weil die Provinz entgegen dem nationalen Ergebnis mit "Ja" gestimmt habe. Platter gratulierte Südtirol am Montag zum "deutlichen Votum" in Richtung Modernisierung und "Weiterentwicklung der Autonomie", wiewohl dieses italienweit nicht belohnt wurde. Mit dem Rücktritt von Ministerpräsident Matteo Renzi verliere Italien einen "Stabilitätsanker", so Platter: "Jetzt darf es zu keinem politischen Machtvakuum kommen". Italien brauche rasch wieder eine handlungsfähige, stabile Regierung, insbesondere auch wegen der weiterhin drängenden Flüchtlingsfrage.

Befürchtungen, dass das abgelehnte Verfassungsreferendum in Italien negative wirtschaftliche Auswirkungen haben werden, versuchten am Montag alle Seite zu zerstreuen. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem (Bild) erklärte bei einem Treffen der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel: "Das ist ein demokratischer Prozess und ändert weder die wirtschaftliche Situation noch die Lage in den Banken." Was die politischen Auswirkungen angehe, müsse nun abgewartet werden.

Schäuble: Keine Gefahr für Eurozone

Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sah keine Gefahr für die Eurozone. "Es gibt keinen Grund, von einer Euro-Krise zu reden", so Schäuble. Der Ausgang der Volksabstimmung solle "mit einer gewissen Gelassenheit" zur Kenntnis genommen werden. In Rom müsse es jedoch dringend eine handlungsfähige Regierung geben, meinte Schäuble weiter: "Italien muss wirtschaftlich, politisch, den Weg, den Ministerpräsident Renzi in den letzten drei Jahren gegangen ist, mit großer Konsequenz fortsetzen."

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wollte ebenfalls keine Gefahr für die Eurozone insgesamt sehen, sprach aber von einer "vertanen Chance" für Reformen. "Ich glaube, dass das ein absolut richtiger Weg inhaltlich gewesen wäre. Die von Renzi aufgeworfenen Fragen waren richtig gestellt. Die Verfassungsänderung ist dringend notwendig, das würde Reformen in Italien ermöglichen". Er würde allerdings die Folgen des Nein "nicht so dramatisch wie manche sehen". Wenn man sich die Kapitalmärkte ansehe, hätten diese ein Nein offenbar schon eingepreist.

Le Pen lobt Italien wegen "No" zur Reform

Positive Reaktionen kamen von der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen, die dem Chef der ausländerfeindlichen Lega Nord Matteo Salvini "zu diesem Sieg" gratulierte. "Die Italiener haben die EU und Renzi verurteilt. Man muss diesem Durst nach Freiheit der Nationen und Schutz zuhören," so Le Pen auf Twitter.

https://twitter.com/MLP_officiel/status/805546765265018882
Marine Le Pen (@MLP_officiel

Jubel kam auch von der linken Protestpartei Podemos in Spanien. In Österreich seien die extreme Rechte, in Italien die Pläne von Regierungschef Matteo Renzi eingebremst worden, "das sind gute Nachrichten, aber die Probleme der Europäer bestehen weiter", so der Chef des Bündnisses "Unidos Podemos", Alberto Garzon, laut ANSA.

Die Co-Vorsitzende der deutschen rechtspopulistischen AfD Frauke Petry interpretierte das Eregebnis in Italien als Angriff der Wähler auf das Establishment. Außerdem hofft die Partei, dass Italien dadurch einem möglichen Austritt aus der Euro-Zone einen Schritt näher kommt.

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