39 Tote nach Anschlag auf Istanbuler Nachtclub - Täter flüchtig

Türkische Polizisten sichern die Straßen nahe des Nachtclubs.
Mindestens 16 Ausländer unter den Toten, viele Verletzte. Keine Hinweise auf österreichische Opfer. Täter auf der Flucht.

Nach dem tödlichen Anschlag in der Neujahrsnacht auf einen der berühmtesten Nachtclubs von Istanbul sucht die türkische Polizei mit Hochdruck nach dem Attentäter. Auch Stunden nach dem Angriff mit 39 Toten war der Täter am Sonntag noch flüchtig. Unter den Opfern der Bluttat, die international für Entsetzen sorgte, waren 15 Ausländer, die meisten aus arabischen Staaten.

39 Tote nach Anschlag auf Istanbuler Nachtclub - Täter flüchtig
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Mehr als 60 Menschen wurden verletzt. Derzeit gibt es laut Außenministerium in Wien "noch keine Hinweise, dass Österreicher unter den Opfern sind".

Wahllos um sich gefeuert

Nach Angaben der Behörden erschoss der Attentäter um 01.15 Uhr zunächst einen Polizisten und einen Zivilisten vor dem Eingang des "Reina", bevor er in dem bei Prominenten und ausländischen Touristen beliebten Nachtclub am Bosporus-Ufer wahllos um sich feuerte. In dem auf der europäischen Seite von Istanbul gelegenen Club mit mehreren Restaurants und Tanzflächen befanden sich bis zu 800 Menschen zur Silvesterfeier.

Kein Weihnachtsmannkostüm

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hat Berichte dementiert, wonach der Angreifer ein Weihnachtsmannkostüm getragen haben soll. Solche Aussagen seien falsch, sagte Yildirim am Sonntag in Istanbul. "Wir wissen von einem bewaffneten Terroristen."

Die Behörden arbeiteten mit Hochdruck daran, die Identität des Täters festzustellen, nachdem noch gefahndet werde. Es könne sein, dass der Angreifer seine Waffe im Club gelassen und sich im Tumult unter die Flüchtenden gemischt habe. Alle Möglichkeiten würden in Betracht gezogen.

Viele Ausländer unter den Toten

Laut Soylu gab es 39 Tote und 65 Verletzte. Von den Toten wurden zunächst 20 identifiziert, darunter 15 Ausländer. Die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya sagte, es seien vor allem Bürger arabischer Staaten unter den Opfern. Sie stammten demnach aus Saudi-Arabien, Marokko, Libyen und dem Libanon. Jordanien erklärte laut der Nachrichtenagentur Petra, drei seiner Bürger seien getötet und vier weitere verletzt worden.

39 Tote nach Anschlag auf Istanbuler Nachtclub - Täter flüchtig
Turkish anti riot police officers stand guard near the Reina night club, one of Istanbul's most exclusive party spots, early on January 1, 2017 after at least one gunmen went on a shooting rampage in the nightclub during New Year's Eve celebrations. At least 39 people were killed when a gunman reportedly dressed as Santa Claus stormed an Istanbul nightclub as revellers were celebrating New Year, the latest carnage to rock Turkey after a bloody 2016. / AFP PHOTO / YASIN AKGUL

Das israelische Außenministerium teilte seinerseits mit, eine junge Israelin sei getötet worden und eine weitere verletzt. Auch ein Belgier wurde getötet und drei Franzosen wurden verletzt, wie ihre Staaten erklärten. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, noch sei unklar, ob auch Deutsche betroffen seien.

Reaktionen

"Sie wollen die Moral unseres Landes zerstören und Chaos verbreiten, indem sie mit diesen schändlichen Angriffen gezielt Zivilisten attackieren", erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei sei aber entschlossen, "den Kampf gegen den Terror" fortzusetzen. Istanbuls Gouverneur Vasip Sahin sagte, der Attentäter habe "auf die brutalste und gnadenloseste Weise auf unschuldige Menschen gezielt".

International wurde das Attentat scharf verurteilt. Papst Franziskus gedachte nach seiner Neujahrsmesse der Opfer. Der russische Präsident Wladimir Putin sicherte der Türkei seine Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus zu. Die US-Regierung sprach von einer Gräueltat.

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Bekannter Nachtclub

39 Tote nach Anschlag auf Istanbuler Nachtclub - Täter flüchtig
A Turkish coast guard boat patrols in front of the Reina nightclub by the Bosphorus, which was attacked by a gunman, in Istanbul, Turkey, January 1, 2017. REUTERS/Umit Bektas

Das "Reina" ist eine der schicksten Adressen in Istanbul und bei Prominenten sehr beliebt. Nur wenige hundert Meter weiter hatten die offiziellen Silvesterfeierlichkeiten stattgefunden. Der Chef des Reina sieht keinen Mangel an Sicherheitsvorkehrungen in der Silvesternacht. Die türkische Polizei habe schon seit etwa zwei Wochen ihre Präsenz in Ortaköy, wo der Club liegt, und den umliegenden Vierteln verstärkt, teilte Mehmet Kocarslan am Sonntag mit.

Auch auf dem Bosporus habe die Küstenwache alle nötigen Vorkehrungen getroffen. "Trotz all dieser Maßnahmen unserer Sicherheitskräfte kam es leider zu diesem bedauerlichen Vorfall." Weiter heißt es: "Der grauenhafte Vorfall, den wir erlebt haben, ist ein hinterhältiger und verräterischer Terrorangriff auf die Menschlichkeit, unsere Nation und unseren Frieden, unsere Einheit und Brüderlichkeit, unsere Wirtschaft und unseren Tourismus, also auf unser gesamtes Land."

Unzählige Anschläge in den vergangenen Monaten

Die Türkei war im vergangenen Jahr von mehreren blutigen Anschlägen der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) und der kurdischen Extremistengruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) erschüttert worden, die eine radikale Splittergruppe der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans ( PKK) ist. Zuletzt wurden am 10. Dezember bei einem Doppelanschlag der TAK auf Polizisten nach einem Fußballspiel 45 Menschen in Istanbul getötet .

Die Türkei geht seit Ende August in Nordsyrien gegen die IS-Miliz sowie die mit der PKK verbundene Kurdenmiliz YPG vor. Derzeit versucht die türkische Armee, die IS-Hochburg Al-Bab einzunehmen, stößt dabei aber auf erbitterten Widerstand. Experten hatten gewarnt, dass die Jihadisten vermehrt Anschläge in der Türkei verüben könnten. Der Zeitung "Hürriyet" zufolge waren am Silvestertag acht Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Ankara festgenommen worden, die einen Anschlag in der Nacht geplant haben sollen.

Sahin sprach von einem Terroranschlag einer Einzelperson. Zuvor hatten manche Medien von zwei Angreifern berichtet.

In den vergangenen zwei Jahren ist die Türkei immer wieder von schweren Anschlägen erschüttert worden. Verantwortlich für die Attentate waren meist die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) oder die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihre radikale Splittergruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK).20. Juli 2015: 34 Menschen werden bei einem Anschlag auf junge kurdische Aktivisten in Suruc an der Grenze zu Syrien getötet. Die Regierung macht die IS-Miliz für die Tat verantwortlich.10. Oktober 2015: Während einer prokurdischen Friedenskundgebung vor dem Hauptbahnhof in Ankara reißen zwei Selbstmordattentäter der IS-Miliz 103 Menschen in den Tod. Mehr als 500 Menschen werden verletzt.12. Jänner 2016: Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Touristengruppe im touristischen Zentrum Istanbuls werden zwölf Deutsche getötet. Die Regierung gibt der IS-Miliz die Schuld für den Anschlag vor der Blauen Moschee.17. Februar 2016: Bei einem Anschlag mit einer Autobombe auf einen Militärkonvoi in der Hauptstadt Ankara werden 28 Menschen getötet. Die TAK bekennt sich zu dem Anschlag.13. März 2016: Mindestens 34 Menschen werden bei der Explosion einer Autobombe im Zentrum von Ankara getötet, Dutzende verletzt. Auch dazu bekennt sich die TAK.19. März 2016: Auf der beliebten Istiklal-Einkaufsstraße im Zentrum von Istanbul reißt ein Selbstmordattentäter vier ausländische Touristen - drei Israelis und einen Iraner - mit in den Tod. Die Behörden vermuten die IS-Miliz hinter der Tat.7. Juni 2016: Durch einen Bombenanschlag werden im historischen Zentrum Istanbuls elf Menschen getötet, darunter sieben Polizisten. Zu dem Anschlag bekennt sich die TAK.8. Juni 2016: Die Explosion einer Autobombe tötet sechs Menschen vor einem Polizeirevier in Midyat im Südosten der Türkei. Zu der Tat bekennt sich die PKK.28. Juni 2016: Bei einem dreifachen Selbstmordattentat auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen werden 47 Menschen getötet und mehr als 200 Menschen verletzt. Die Regierung macht die IS-Miliz verantwortlich.18. Juli 2016: Bei einer Anschlagserie der PKK-Guerilla auf Sicherheitskräfte im Südosten des Landes werden 14 Menschen getötet und 300 weitere verletzt.20. Juli 2016: Bei einem Anschlag eines IS-Attentäters auf eine kurdische Hochzeitsgesellschaft in Gaziantep im Südosten der Türkei werden 57 Menschen getötet, darunter 34 Kinder.26. August 2016: Ein PKK-Attentäter sprengt sich vor dem Polizeipräsidium in Cizre im kurdischen Südosten der Türkei in die Luft und reißt elf Polizisten in der Tod.12. September 2016: Eine Autobombe explodiert vor der Zentrale der Regierungspartei AKP in Van. 48 Menschen werden verletzt. Die Regierung macht die PKK verantwortlich.9. Oktober: In der südosttürkischen Provinz Hakkari bringt ein Attentäter einen mit Sprengstoff beladenen Kleinlaster vor einem Kontrollposten der Gendarmerie zur Explosion.4. November 2016: Vor dem Polizeihauptquartier in Diyarbakir werden neun Menschen getötet. Die Regierung macht die PKK verantwortlich, doch bekennt sich auch die IS-Miliz dazu. Zu der Explosion war es kurz nach den Festnahmen von zwölf Abgeordneten der pro-kurdischen HDP gekommen.10. Dezember 2016: Nach einem Fußballspiel im zentralen Istanbuler Stadtteil Besiktas töten zwei Selbstmordattentäter der TAK 45 Menschen, die meisten von ihnen Polizisten.17. Dezember 2016: In der zentraltürkischen Stadt Kayseri kommen bei einem Selbstmordanschlag mindestens 13 Soldaten ums Leben. Der Attentäter hat eine Autobombe neben einem Bus mit Militärangehörigen gezündet haben. Auch hierzu bekennt sich die TAK.19. Dezember 2016: wird der russische Botschafter Andrej Karlow in Ankara von einem türkischen Polizisten niedergeschossen. Die türkische Regierung verdächtigt die Gülen-Bewegung, hinter dem Attentat zu stecken.1. Jänner 2017: Bei einem Anschlag auf den angesagten Istanbuler Nachtclub "Reina" werden mindestens 39 Menschen getötet, darunter mindestens 15 Ausländer.

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