Israel sieht den Iran näher kommen

Ex-Premier Hariri genießt in Teilen der Bevölkerung noch Ansehen.
Der Konflikt im Nachbarland fügt sich aus Jerusalems Blickwinkel in ein akutes Bedrohungsszenario.

Israel suchte in den vergangenen Jahren Distanz zur Gewalt in seinen Nachbarstaaten. Nur wenn die Gefahr direkt auf israelisch kontrolliertes Gebiet überschwappte oder Waffentransporte aus Syrien zur verfeindeten Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon unterwegs waren, griff Israel ein. Mit Lufteinsätzen und grenznahem Artillerie-Beschuss. Jetzt, mit dem Verschwinden der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), wird für Israels Regierung und Armee das alte Nahost-Axiom wahr: Es kann immer noch schlimmer kommen.

Iranische Waffen und auch Revolutionsgarden stehen an der syrischen wie libanesischen Grenze Israels. Auch aus dem weiter von der islamistischen Hamas beherrschten Gazastreifen drohen iranische Waffen, sind Militär-Berater am Werk. Distanz ist da nur noch schwer zu halten.

Nur fünf Kilometer von den Golan-Höhen und Israels Armee auf den Golan-Höhen entfernt stehen iranische Soldaten. Israel hatte von Russland und den USA gefordert, die schiitisch-iranischen Kräfte in Syrien 50 Kilometer von seinen Grenzen fernzuhalten. Zwar sieht ein im Sommer zwischen Moskau und Washington ausgehandeltes Abkommen den Abzug aller ausländischen Kräfte aus Syrien vor. Jedoch ohne Zeitplan.

Iran an der Grenze

Jetzt melden westliche Geheimdienste statt Abzugsvorbereitungen den Bau eines neuen Stützpunktes in Syrien durch das iranische Militär. Gleich am Stadtrand von Damaskus. Nur 40 Kilometer nordwestlich der israelischen Armee und auf Sichtweite zur jordanischen Grenze. Israel befürchtet, dass See- wie Flughafen folgen sollen. Die Kontrolle iranischer Waffen- Transporte wäre damit so gut wie unmöglich. Was nicht nur Israel, sondern auch alle arabischen Nachbarn als Gefahr verstehen.

Saudi-Arabien wird schon jetzt aus dem Jemen von schiitischen Houthi-Rebellen beschossen. Mit iranischen Waffen, auch Raketen. Der Iran kann nach dem Sieg über den IS verstärkt seine schiitischen Verbündeten mobilisieren: zu Stellvertreterkriegen gegen alle Macht-Konkurrenten in der Region. Vor allem Saudi-Arabien, aber auch Israel.

Libanons Premier Saad Hariri kündigte vergangene Woche seinen Rücktritt in der saudischen Hauptstadt Riad an. Seine Begründung, er fühle sich durch iranische Agenten bedroht, mag zwar stimmen, scheint als Motiv aber nur vorgeschoben. In Riad kommt es derzeit zu stürmischen Kämpfen um die Thronfolge. Als starker Mann zeigt sich dabei Kronprinz Mohammed bin Salman. Der war mit Hariris halbherziger Politik gegen die in seiner Koalition sitzende Hisbollah unzufrieden. In Beirut kam es sogar zu Meldungen, Hariri werde in Riad gefangen gehalten. Was dieser in einem Interview mit einer saudischen Zeitung dementierte.

In wenigen Tagen, so Hariri, kehre er zurück in den Libanon. Ob weiter als Premier ist ungewiss. Washington und London reden ihn weiterhin so an. Die Saudis wünschen sich seinen älteren Bruder Bahaa als Nachfolger.

Auch Mahmud Abbas, der Präsident der Palästinensischen Autonomieverwaltung, reiste vorige Woche überhastet nach Riad. Auch seine Aussöhnung mit der militanten Hamas wird in Riad misstrauisch beurteilt. Wie immer die Beratungen dort abliefen, einer gemeinsamen Regierung mit der Hamas dürften sie abträglich gewesen sein.

Das dürfte Israels Premier Benjamin Netanjahu nicht verstimmen. Die Aussöhnung war eine taktische Vorstufe zu neuen Verhandlungen mit Israel. Dazu will Washington bald neue Vorschläge vorlegen. Netanjahu kann sie nicht ablehnen, auch wenn sie den Bestand seiner Regierungskoalition stark gefährden. Saudischer Einspruch kommt ihm gelegen.

Partner Saudi-Arabien

Da überraschen nicht die sich in aller Welt häufenden Meldungen einer verstärkten saudischen Zusammenarbeit mit Israel. Israels Geheimdienste sehen in solchen Verhandlungen weniger ein Problem – unter Umständen sogar eine Möglichkeit, die Lage etwas zu entspannen. Auch der Iran will keine Aussöhnung der Palästinenser.

Was für Israels Militärs und Geheimdienste zweitrangig ist. Sie haben ein weit größeres Problem mit iranischen Raketen an mehreren Grenzen Israels. Der Krieg gegen Irans Marionetten ist die eigentliche Bedrohung – aber nicht die einzige. Nicht geringer wäre die Gefahr, wenn im entstehenden Chaos Israel sich als Verbündeter Saudi-Arabiens einspannen ließe. Für Teheran das perfekte Feindbild – für Israel ein Albtraum.

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