Rätselhafter Tod eines Agenten

A workman walks through a Jewish cemetery, past the grave of Ben Zygier (L), the Australian which local media have identified as the man who died in an Israeli prison in 2010 and who may have been recruited by Israeli intelligence agency Mossad, in Melbourne February 14, 2013. Israel broke its official silence on Wednesday over the reported suicide in jail of an Australian immigrant recruited to its spy service Mossad, giving limited details on a closely guarded case. After appeals by local media chafing at Israeli censorship of a story broken by the Australian Broadcasting Corporation (ABC), a district court near Tel Aviv allowed publication of six paragraphs of sanctioned text - a de-facto preliminary account by the state. The text said an Israeli with an unspecified dual nationality had been secretly imprisoned "out of security considerations", only to be found dead in his cell two years ago in what was eventually ruled a suicide. REUTERS/Brandon Malone (AUSTRALIA - Tags: POLITICS OBITUARY)
Mossad-Spion aus Australien stirbt in israelischer Haft – Spur führt zum iranischen Atomprogramm.

Es ist ein wahrer Spionage-Thriller: Ein israelischer Agent wird zum Angeklagten – und dann zur Leiche. Alles soll geheim bleiben. Namenlos saß er seit 2010 im abgesonderten „Trakt 15“ des israelischen Hochsicherheitsgefängnisses in Ramla. In der vor ihm Nazi-Verbrecher und politische Attentäter saßen. Tag und Nacht rundumüberwacht von Kameras und Wärtern. Nicht einmal die dürfen mit ihm reden. Trotzdem liegt er eines Morgens tot in seiner Zelle. „Selbstmord durch Erhängen“ heißt es in einem richterlichen Untersuchungsbericht.

Zumindest sein Name oder seine Namen wurden jetzt vom australischen Fernsehsender ABC veröffentlicht: „Ben Zygier alias Ben Allon alias Ben Allen“. Den geborenen Australier zog es nach seinem Jura-Studium nach Israel. In Israel nannte er sich Ben Allon. Der Mossad, Israels Auslandsgeheimdienst, rekrutierte Zygier. Bald danach studierte er wieder in Melbourne. Diesmal BWL. Er beantragte einen neuen australischen Pass. Auf den Namen Ben Allen.

Warum aber wurde Ben Zygier 2010 in Israel verhaftet? Diese Frage bleibt vorerst ohne Antwort. Israels Medien sind Berichte gerichtlich verboten. Dafür berichtet alle Welt zu den Enthüllungen. Im Internet kann sie jeder auch in Israel verfolgen. Doch Zeitungen und Sender müssen schweigen. Was so peinlich wurde, dass die Regierung selbst jetzt den richterlichen Maulkorb lockern will. Israels Presse aber geht längst Umwege. Sie füttert ausländische Zeitungen mit Informationen, um die dann wiederum zu zitieren.

Verräter oder Versager?

So kommt aus Dubai die Meldung, Zygier sei 2010 einer der Attentäter des Hamas- Waffenschiebers Machmud al-Mabchuch gewesen. Seine Identität sei aufgedeckt worden. Um seine Familie zu schützen, habe er die Namen anderer Agenten verraten. Australiens Geheimdienst ASIS beobachtete Zygier schon als BWL-Student misstrauisch, als er auffallend enge Kontakte zu arabischen und iranischen Studenten in Melbourne suchte. Dann war er Mitbegründer einer Handelsfirma in Italien, die im Nahen Osten arbeitete. Der Verdacht: Eine Strohfirma des Mossad, der so den Handel mit Iran aus der Nähe beobachten kann.

Zygier reiste in dieser Zeit durch den ganzen Nahen Osten. Immer wieder auch in den Iran. Solche Strohfirmen müssen dabei überzeugen. Kontrolliert gehen daher auch Waren in den Iran, die auf israelischen Boykott-Listen stehen. Ist dem Australier dabei ein Fehler unterlaufen? Das ist die Vermutung, die jetzt israelische Medien anstellen. Und just zeitgleich erhält die US-Zeitung Washington Post Informationen über einen riesigen Deal mit insgesamt 50.000 Zentrifugen aus China für Irans Atomprogramm. Ob der Deal erfolgreich war, ob er scheiterte, ob vielleicht sogar schadhafte Teile im Spiel waren, bleibt Spekulation.

Ben Zygier beteuerte noch 3 Tage vor seinem Tod seine Unschuld zu den geheimen Vorwürfen. Verteidiger wie Angehörige in Israel und Australien bewahren eisern ihr Schweigen. Auch die australischen Behörden, die ebenfalls informiert waren. Außenminister Bob Carr sagte noch kürzlich vor der Kamera: „Wir hatten keinerlei Kenntnisse.“ Einen Tag später folgte die Richtigstellung.

Das Verfahren gegen Zygier in Israel war ordnungsgemäß, so die Juristen – und so geheim , dass nicht einmal bekannt war, dass es stattfand.

„Das kann wichtig sein, die Identität von Agenten zu wahren, die sich noch weiter im Einsatz befinden“, erklärte ein Ex-Mossad-Agent im Radiosender Kol Israel. Was die Geheimhaltung erklären kann. Nicht aber, was denn so geheim war und ist. Nicht den Selbstmord vor laufenden Gefängnis-Kameras.

– Attentate Der iranische Atomwissenschaftler Mostafa Ahmadi Roschan wird im Jänner 2012 in Teheran durch eine Autobombe getötet. Ein Motorradfahrer soll den Sprengkörper an seinem Auto befestigt haben. Bereits zuvor waren drei iranische Kernphysiker auf ähnliche Weise ums Leben gekommen. Zahlreiche Hinweise führen zum Mossad.

– Bomben Erst vor wenigen Wochen hat sich Augenzeugenberichten zufolge eine riesige Explosion in der iranischen Atomanlage Fordo ereignet. Die auf einem ehemaligen Militärgelände unterirdisch eingerichtete Anlage gilt als die Zentralstelle des iranischen Atomprogramms. Israels Militär dementiert eine Beteiligung, zeigt sich aber erfreut über den Vorfall.

– Computerviren Stuxnet, ein Computervirus, legt 2010 große Teile des iranischen Atomprogramms, darunter die Uran-Zentrifugen in Natanz, über Monate lahm. Weitere derartige Angriffe folgen. Alle Spuren des Virus führen nach Israel.

– Luftangriffe Die israelische Luftwaffe bombardiert 2007 eine Anlage in der Wüste im Nordosten Syriens. Syrien hat Auskunft darüber wiederholt verweigert. Geheimdienst-Informationen zufolge handelt es sich um eine Atomanlage. Syrien schweigt über den Vorfall. Bereits 1981 hatte die israelische Luftwaffe einen Angriff gegen die irakische Atomanlage Osirak geflogen. Saddams Atompläne sollen so endgültig gestoppt worden sein.

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